Der Postillon

Der folgende Artikel ist ein Satire-Artikel. Es kann sein, dass er nicht ganz ernst gemeinte Aussagen enthält. Es kann aber auch sein, dass der Artikel irgendeine tiefgründige Botschaft vermitteln möchte.

Ehrliche Nachwirkungen - macht schnell abhängig seit 1845

Der Postillon ist das elektronische Massenmedium eines Niederbayern, der tagtäglich dummen Menschen im Internet Lügen erzählt - Lügen darüber, dass er Satire schreibt. Der Erfolg dieser Art von Journalismus ist die mentale Asymmetrie zwischen den intellektuellen Höhen des Autors und einer geifernden buckligen Facebook-Leserschaft, die die kommunikative Interaktion auf der Seite als geistige Klospülung missbraucht. Der Postillon liegt damit auch im Schnitt eines Clusters, das die Widersprüchlichkeit zwischen Satire und Massengeschmack aufzeigt, die offenbar friedlich nebeneinander existieren können, solange sich die eine über die andere lustig machen kann.

Der Postillon betrat als eine der am längsten erfolgreichen Tageszeitungen Deutschlands 2008 mit dem im Hintergrund agierenden Werbemagnaten Stefan Sichermann Neuland, als er die täglich erscheinenden Artikel und Kolumnen des Postillon komplett den neuen Medien zur Verfügung stellte. Die Koordination dieses Projektes übernimmt seitdem Sichermann in Personalunion als Chefredakteur, Redakteur, Marketing-Abteilung, Sekretärin, Putzfrau, Federhalter, Drehbuchautor, IT-Spezialist, Pförtner, Hausmeister, Gärtner, Koch, Schuhputzer, Kopierer, Mann für alle Fälle und Luftvermessungstechniker an der technischen Uni in Prag. Angeblich knechtet und peitscht er seine Mitarbeiter mit Passion und hat mit diesem Konzept mittlerweile im Alleingang ein Medienimperium mit mehreren Firmenhelikoptern und eigenen Kaffeetassen-Merchandise etabliert. Aber das stimmt ja alles gar nicht. Steht schließlich auf der Postillon!

Geschichte

1845 bis zur Gegenwart

Vor der ersten Internetpräsenz war der Postillon eine lange und traditionsreiche Boulevardschrift, die einmal in der Woche erschien und deren Geschichte über Verlegerbriefe, Chroniken und die gesammelten Ausgaben auf Mikrofiche über das Kölner Stadtarchiv zugänglich war. Mit dem Anlegen einer eigenen Chronik auf der Seite im Jahr 2009 stürzte das Archivgebäude in der Severinstraße plötzlich ein. Sichermann bestreitet bis heute, dass diese Ereignisse miteinander in Verbindung standen. Tatsächlich sind heute jedoch die einzigen verfügbaren Quellen für die Geschichte des Postillon die Seite des Postillon selbst, der Betreiber und der Erbe des Konzerns. Die ist allerdings, es wurde bereits erwähnt, wie alles, was vom Postillon kommt, unwahr.

Stephan Archibald Sichermann 1873

Investigative Recherchen für einen enzyklopädischen Text erfordern nun mal auch, dass diese erlogenen Informationen wahrheitsgemäß wiedergegeben werden. Alles andere wäre POV und nicht geeignet, hinterfragt zu werden, ebenso wie die Texte im Postillon.[1]

Das Blatt wurde 1845 vom Nürnberger Kleinkriminellen Stephan Archibald Sichermann in einem Hinterzimmer des Hotels "Zum Roten Roß" in Nürnberg gegründet. Sichermann hatte zuvor Postillone in dunklen Seitengassen erstochen und sich mit den von ihnen geraubten Nachrichten sein Zubrot gemacht. Durch fortwährende Subsistenzkrisen blieben die aber nun aus und so fand Sichermann eines Tages an der Bahnstrecke nach Fürth einen verdurstenden Mann, der in einem verbogenen Schienenherzstück steckengeblieben war und begleitete ihn für ein Interview auf dem Sterbe- bzw. Gleisbett. Sein erster Artikel, der daraus entstand und den schlichten Titel trug: "Mann beim Warten auf den Zug gestorben" fand jedoch in der damaligen bürgerlichen, fortschrittsorientierten Gesellschaft keinen Anklang und kein Verständnis. Man hielt Sichermann sogleich für einen Hochstapler und Populisten.

Wütend darüber, der Schwindelei verdächtigt worden zu sein und dass er in Erwartung zahlreicher Leser schon den schwachbrüstigen Laufburschen Timotheus beschäftigte (darauf wird später zurückzukommen sein) machte Sichermann aus der Not eine Tugend und begann, offenherzig Lügen zu verbreiten. Waren dies zunächst noch harmlose Meldungen, in etwa " Neues Verfassungsversprechen des preußischen Königs soll neues Verfassungsversprechen beinhalten" mischte sich der Postillon schon bald in Affären von staatstragender Bedeutung. So gab er eine überarbeitete Version des Schreibens Otto von Bismarcks an den französischen Kaiser an alle deutschen Tageszeitungen und zwang Preußen nach und nach einen Verteidigungskrieg auf. Auch die einige Jahre später erschienene Schlagzeige "Deutscher Privatmann kauft Atlantis" kam in der von Kolonialpolitik begeisterten Öffentlichkeit nicht gut an. Dafür begann sich ein kleiner Kreis von Skeptikern, Spinnern und Schwarzsehern um das Blatt zu bilden, die jede von Sichermanns Meldungen aufsog wie die Luft zum Atmen.

Die Zeitung expandierte und konnte in ein prächtiges Fürther Verlagsgebäude umziehen, wo sich Sichermann einen Telegraphen anschaffte, um zu seinen Wurzeln zurückzukehren und Kurzmeldungen zu verbreiten. Mit so einer Kurzmeldung gelang ihm 1914, mittlerweile hochbetagt, ein großer Coupe, als er den österreichischen Thronfolger für einen serbischen Staatsbesuch zum der Schlacht auf dem Lerchenfeld gewinnen konnte. Der Rest ist Geschichte.

Sichermanns Nachfolger konnten von den Lügen nicht genug kriegen und sonnten sich in dem Zuspruch des kleinen Kreises an Idioten, die sie Leser nannten. Nach dem ersten Weltkrieg machte der Postillon zum ersten mal den Fehler, dem gewöhnlichen Massengeschmack nachzugeben und sich am Mammutprojekt der 30er Jahre, einer Art satirischen Monumentalfilm auf den Weltkrieg zu beteiligen, in deren Folge er sich für einige Zeit selbst abschaffen musste.

Einer der vielen Avatare des kleinen Timmy

Nach der Inszenierung des sog. „Zweiten Weltkriegs“ gründete Albert Sichermann, der Vater des heutigen Unternehmenschefs die Zeitung neu. Grund dafür war das plötzliche Auftauchen des Axel-Springer-Verlags, der aus allen seriösen Nachrichtenagenturen Deutschlands herausgelächelt wurde. Der Postillon sollte abermals zu seinen Wurzeln zurückkehren und lieferte den Zeitungen des Verlags ein im Zwei-Tages-Abstand erscheinendes Newstickerpaket, um diese für sensationsgeile Schlagzeilen zu verbraten.

Der Postillon selbst kümmerte sich mehr um Kolumnen zu gesträubten Haaren und aufgerollten Zehnägeln und wurde auf eine zynische, weltverachtende Stammleserschaft zurückgeworfen. Ab und an, durfte der kleine Redaktionspraktikant Tim auch Berichte verfassen, schnell wurde Sichermann dessen aber überdrüssig und schrieb den armen Jungen regelmäßig an die Wand. Tim wurde zu einem Katalysator für die soziale Harmonie in der Redaktion. Der Junge mit den tiefen seelischen Narben spricht bis heute nicht über seine Zeit beim Postillon, zu vermuten steht aber, dass er die Schikanen, die er dort erfuhr, verdient hatte. Alle. Fragwürdig ist jedenfalls, warum er Sichermann immer noch, in einer Art , Geschichten seines Sohns Timmy zukommen lässt.

Nach und nach fand der Postillon auch in die politische Lobbyarbeit zurück, wobei er es sich nicht so leicht machte wie andere Leute und für eine gute Story schonmal den holsteinischen Ministerpräsidenten in den Tod trieb, sondern bei großen Ereignissen der Zeit ganz genau hinsah. Im festen Glauben, dass nicht jedes Detail, was er schrieb nachprüfbar sei, steuerte er interessante Trivialinformationen zum Weltgeschehen am laufenden Band bei. Fing jedoch alles noch mit harmlosen Wortspielereien an, wie „Kohl von schwerer Schlankheit genesen“ baute sich der Postillon nach und nach wieder ein kompliziertes Lügengeflecht auf, aus dem er so schnell nicht wieder herauskam. Dubiose Chimären von Parteien erschienen auf der Bildfläche, die angeblich sogar in Bundestag und Regierung einzogen. Die enormen Kosten, die für dieses Ränkespiel an verzweifelter Realsatire notwendig waren konnte das Blatt wegen einer Auflagenschwäche in Zeiten der Bankenkrise nicht länger tragen. [2]

kino.to und Steve Jobs - die frühen Jahre

Als der Postillon 2008 ans Netz ging war er zunächst heftiger Kritik der Stammleser ausgesetzt, von denen einige meinten, dass alles, was der Postillon nach seinem ersten Artikel im Netz geschrieben habe, nicht mehr das gleiche gewesen sei, andere aber sagten, dass alles, was der Postillon nach dem ersten Artikel im Netz geschrieben habe, immer das gleiche gewesen sei. Trotz dieses leicht widrigen Meinungsbildes konnte Sichermann bald nach dem starken Rückgang der Leserzahlen schon wieder erste Erfolge unter Neulesern erzielen, von denen wöchentlich mindestens drei auf der Seite vorbeischauten, darunter der Chefred., sein Praktikant und ein Spambot, der für Penisvergrößerungen warb.

Mit gehöriger konservativer Energie setzte Sichermann seine Arbeit nach dem F fort. Neben den wöchentlich dreimal erscheinenden Newstickern schrieb er Artikel, Studien und Ratgeber. Dabei versuchte er zunächst, sein Publikum mit intellektuellem Enthüllungsjournalismus zu verblüffen. So fand er u.a. heraus, dass alkoholfreies Bier gar keinen Alkohol enthält und konnte ein altbekanntes Oxymoron wissenschaftlich untermauern.[3] Doch diese Ergebnisse, die beim Publikum Freude und Erheiterung erregten verhallten schnell im weiten Raum der satirischen Manege und brannten darnieder wie ein humoristisches Strohfeuer. Hinter den Lachern, im Menschen Stefan Sichermann sah es ganz anders aus: Verzweiflung, Resignation, Alkoholsucht.

Im Jahr 2011 änderte sich das alles, als Sichermann in der Warteschlange eines Fürther Bankfilialenschalters aus Langeweile rief: "Der Mann da hat eine Waffe!" und auf einen willkürlich erwählten Herrn im Schalterraum deutete. Während Frauen und Kinder hektisch schreiend durcheinanderliefen und ein 11-köpfiges Sicherheitsteam den Mann zu Boden knüppelte ging Sichermann zufrieden lächelnd heim und setzte sich voller Faszination an seinen Rechner. Er hatte die ungeheure Wirkkraft einer gezielten Falschmeldung auf das Publikum unmittelbar gespürt und wusste nun, was er anrichten konnte, wenn er seine Artikel zur richtigen Zeit im richtigen Kontext am falschen Ort platzierte.

War gar nicht so geschmacklos: Jobs Sarg

Bald schon bot sich eine Gelegenheit, die Grenzen der bisher harmlosen Satire auszureizen. So hatte das Internetportal Kino.to im Juni 2011 überraschend Probleme mit dem BKA, das darauf aufmerksam geworden war, dass dort illegal Filme gestreamt werden (vielleicht hätte man das nicht in der Seitenbeschreibung erklären sollen). Der Postillon konnte jedenfalls aufdecken, dass tausende von Nutzern schockiert das Weite suchten und wenigstens zwei Minuten, wenn nicht drei auf der Suche nach einer neuen Streamingseite waren. Der Artikel fand sofort großen Anklang unter versierten Nutzern des Web 2.0, denn die Botschaft, die damit transportiert wurde war ganz klar: Zwei Minuten in Zeiten des Breitbandanschlusses sind einfach zu lang! Hunderttausende wurden auf einen Schlag auf den Postillon aufmerksam, im Nu gab es sogar erste Leser, die sich darüber beschwerten, dass die Artikelqualität kontinuierlich nachlasse - ein Zeichen dafür, dass der Postillon als etabliertes Satiremagazin im Netz angekommen war.

Dem jungen Hitzkopf stieg dieser Erfolg in den denselbigen und Sichermann wurde in kürzester Zeit übermütig. Bereits im Oktober überschritt er die Grenze zur Geschmacklosigkeit, als er herausfand, dass Apple-Fanboys auf zahlreichen Webforen bereits über das Sargdesign des erst kurz verstorbenen Steve Jobs spekulierten. [4] Unfreundliche Kommentare wütender Apple-Fans überschwemmten den Postillon, denn er hatte mit diesen ungeschminkten Zeilen in die Hand gebissen, die ihn nährte. Fast stündlich bekam Sichermann Morddrohungen von beleibten Nerds, die ihm im Schutze der Anonymität damit drohten, ihn in einer unbeobachteten Stunde hinterrücks totzuknuffen. In Scharen liefen die Leser weg, zumindest bis zum darauffolgenden Nachmittag und verabschiedeten sich mit dem brüskierten Kommentar: Ihr habt damit einen Leser weniger. (und so fing das alles an...)

Die Baumgartner-Enthüllung

In den darauffolgenden Jahren wurde der Postillon zunehmend von Trollen infiltriert. Menschen, die bei der Jobs-Affäre nicht dabei waren, aber cool, frisch oder lustig wirken wollten, obwohl sie zu nichts eine Meinung hatten, etablierten allerlei peinliche Insiderwitze, die sie auf der Kommentarsektion der Seite in abspulten, um Sichermanns Stern zum Sinken zu bringen. Der ließ sich aber nicht beirren, wurde abhängig von Facebook-Likes und plante schon seinen nächsten großen Coup. Er strukturierte die Seite um, schmiss Praktikanten und andere Beschäftigte raus, fuhr in den Urlaub, kam zurück, zerschoss das Layout und machte den Postillon einige Tage lang handlungsunfähig. Die Verwirrungstaktik kam an.

Der kreative Prozess ließ sich nicht mehr aufhalten

Doch Sichermann ging noch weiter und stellte immer wieder Kommentare von Trollen an den Pranger, die sich künstlich über die Postillonmeldungen aufregten, meistens nur, um Sichermann reinzulegen, damit der glaubte, sie würden seine Artikel nicht verstehen. So belustigte sich der eine über den anderen, ohne, dass dahinter ein substantieller Grund gestanden hätte, aber beim Postillon ist ohnehin nichts ernst gemeint. Sichermann bekam täglich Klagen von Anwälten empörter Leser, die aber im gleichen Zug wieder aufgehoben wurden, weil die Anwälte selbst den Postillon lasen.

Mit diesem Rückhalt und der ausreichenden gesetzlichen Narrenfreiheit gelang ihm im Oktober 2012 sein größter Wurf, der mit dem Absturz von Felix Baumgartner zusammenfiel. Investigativ hatte der Postillon in Erfahrung gebracht, dass Baumgartner bei seinem Stratossphärensprung die Startlinie um sieben übertreten hatte und der Sprung damit ungültig gewesen sei. [5] Das brachte die trollende Menge zum Ausrasten. Unzählige Baumgartner-Fans versuchten, zu retten, was zu retten war und verteidigten den Sprung mit Sätzen wie: „Springt Ihr erst mal aus dieser Höhe!“ und „man kann ja nicht auf alles so genau achten“. Doch das Urteil des Postillon stand fest und war damit Gesetz. Zahlreiche Schaumschläger verstärkten den Sturm im Wasserglas, Zusammenhänge wurden zerredet, Menschen die gerade erst darauf aufmerksam wurden und wissen wollten, was eigentlich dort los war, aufs gröbste beleidigt. Irgendwann bildete sich eine neue Ebene an Lesern, die sich über die Bewertungen von Kommentaren von Lesern durch andere Leser . Der Postillon verlieh sich dafür sogar einen Preis: den goldenen Föhn für die ausdauerndste Heißluftprodukion.

Doch bei allem Spaß, den Sichermann an diesem Artikel hatte, hat er doch auch ernste Probleme verursacht. Regionalanzeiger berichteten von jungen Kommentatoren, die drei Tage lang nichts weiter machten, als den Artikel zu beobachten und dabei entweder aus Schlaf- und Flüssigkeitsmangel kollabierten. Im Kommentar 2493 bat ein Selbstmörder um Hilfe, wurde aber nur von der vorbeiziehenden Kommentatorenschaft gehässig belegt. Mehrere Witze wurden im Gedränge der Kommentare totgetreten. Sichermann wurde später vor dem Münchner Oberlandesgericht angeklagt, dass er keine ausreichenden Sicherheitsmaßnahmen ergriffen hätte, um die Dummheit der hysterischen Masse abzufangen oder wenigstens zu kanalysieren, der wies aber alle Verantwortung von sich. Ein düsterer Tag für unseren !

Der Medienkonzern

Im Jahr 2011 machte sich Sichermann als staatlich finanzierter Märchenerzähler selbstständig, um den Erwartungen als Internetphänomen vollends gerecht zu werden. Dem jungen Unternehmer war sofort klar, dass er es beim Erfolg seiner Artikel nicht belassen wird. Schon 2009 und 2010 hatte er er auf einem Nürnberger Hinterhof beim zwei Webpreise gewonnen, es folgten ein Buch, Memoiren und mehrere Werbespots für Scherzartikel und rassistische Spielwaren.[6]

Nachdem Sichermann in Fürth eine eigene Firmenzentrale mit einem bronzenen Steckenreiterstandbild von sich im errichtet hatte, musste mehr Geld hereinkommen und der Postillon suchte sich neue Vertriebswege. Schnell war eine eigene Produktionsfirma gegründet, die sich um die Vermarktung von Kurzfilmen kümmerte und vollbusige Schauspielerinnen zur Staffage anleierte. Gedreht wurde mit den Kameras aus den Videos befreundeter Rapper, in denen Sichermann knapp bekleidete Damen mit Champagner bespritzte. Als Inhalte für die billige Unterhaltungschose mussten alte Artikel herhalten. Die Newsticker, die ebenfalls zur Kommerzialisierung aus dem Keller geholt wurden, wurden nun über ein ganz neues Medium, das sogenannte „Radio“ verbreitet. [7]

Doch das reichte immer noch nicht. Während Sichermann die Planung eigener Nachrichtenstudios in Auftrag gab, wurden die Inszenierungen für Lügengeschichten immer wilder. Mit anonymen Spenden bewegte der ambitionierte Redakteur in der Lobby des Berliner Landtags den dortigen Bürgermeister, einen neuen Großflughafen zu bauen und ließ noch einige Millionen springen, damit der „beim ruhig mal was gewagtes ausprobieren“ konnte. Mit dem Kauf des Nachrichtenmoderators schaffte es Sichermann, Satire als eigentliches Informationsmedium der Nachrichten zu etablierten. Tausende, wenn nicht hunderte oder wenigstens zehn Leute folgten ihm auf diesem Weg. Kleine Satiremagazine, die es dem Postillon gleichtun wollten schossen aus dem Boden, wurden sogleich kartelliert und nach und nach kreativ ausgesogen.

Im Jahr 2012 kaufte Sichermann auch den langjährigen Partner für seine Umfragen, das unabhängige Opinion Control auf, um noch unabhängigere Satire machen zu können, die den Massengeschmack trifft. Mittlerweile ist der Postillon das größte Satiremagazin Deutschlands und absolut mehrheitsfähig in der Nachrichtenübertragung, wie sich das für ein gutes Satiremagazin gehört. Gerüchten zufolge soll Sichermann im Jahr 2014 sogar den NDR gekauft haben und greift zielstrebig nach einem Platz im Fernsehrat.

Das Personal

Sichermann (links) mit Promifreunden. Seltene Privataufnahme.

Der Postillon wird trotz all dem Geld und den nackten Frauen immer noch hauptsächlich allein von Stefan Sichermann unter dem Pseudonym Red. bzw. Chefred. betrieben. Daneben schreiben noch regelmäßig sog. für das Magazin, die es gar nicht gibt. Doch wer ist eigentlich der Kopf hinter dieser Medienmaschinerie?

Sichermann ist ein verzweifelt um satirische Integrität ringender Mittdreißiger, der studiert hat und damit auf ein Rechtschreibprogramm bei seinen fünf bis sieben Sätze zählenden Artikeln nicht angewiesen ist. In seinen jungen Jahren soll er mal Werbetexter gewesen und auf dem Heimweg von der Arbeit eines Tages vom Blitz getroffen worden sein. Als Dank dafür, dass er überlebt hat, übernahm er den bankrotten Postillon, baute ein Haus, wurde sesshaft und schwängerte eine Frau. Er soll zeitnah zu diesen Ereignissen zudem 95 Thesen an die Tür der Titanicredaktion genagelt haben, darunter, dass Satire endlich wieder intellektuell hochwertiger werden muss, außer man richtet sich nach dem Geschmack eines unlustigen Publikums, auf das man angewiesen ist oder dass auffällige blinkende Werbebanner für eine Website mal gar nicht gehen, sondern seitenfüllende Werbebanner und blinkende Videowerbung der eigentlich richtige Weg sind.

Als junger Mann war Sichermann begeisterter Leser der Zeitung , die er zwar nicht verstanden hat, weil sie in Englisch war, aber nach deren Vorbild er den Postillon unbedingt ausrichten wollte. Wo Sichermann indes die Substanz für seine Topstorys hernimmt ist dabei bis heute unbeantwortet. Da er der Öffentlichkeit weitgehend entsagt und sich auch sonst als eher humorlosen Einzelgänger darstellt, kursieren seit einiger Zeit Gerüchte, Sichermann würde sich die meiste Zeit des Tages in eine Scheinwelt zurückziehen, die er bei sich im Keller mit seiner umfangreichen Porzellanpuppensammlung errichtet hat. Dort kommen ihm dann beim Spielen neue Ideen für Statements, Kommentare und Texte. Andere meinen, Sichermann würde sich beim Satiremedium BILD bedienen. Der exzentrische Millionär streitet all das ab. Sichermann selbst zufolge hat er für seine täglichen Berichte eine Ideenschublade an seinem Schreibtisch, die allerdings die meiste Zeit über weit, weit offen steht.

Sichermann arbeitet trotz des mittlerweile riesigen Postillonkonzerns ausschließlich von zu Hause aus. Fürther Anwohner, die den Postillon lesen, dachten lange Zeit, Sichermann wäre genauso eine Chimäre, wie die vielen freien Mitarbeiter, die er erfunden hat, um eine Ausrede für die sinkende Artikelqualität zu haben. Heute weiß man, dass Sichermann bis zu fünf verschiedene Identitäten hat, wenn er aus dem Haus gehen will. Eine davon ist der angebliche BILD-Chefredakteur Kai „The Gel“ Diekmann. [8], in dessen Rolle sich Sichermann immer wieder hineinsteigert.

Trotz alle dieser Eskapden bekam er 2013 den Online-Jakob-Grimm-Preis für die beste Märchenerzählerei im Internet verliehen, angeblich überreicht durch Hans Sarpei (jaja, na klar...). Um den armen Mann nicht in seinen Lügengeschichten und Konstrukten bestärken zu wollen, soll hier nun lediglich noch eine der übrigen, nicht existenten Mitarbeiter stehen

Die Leser

Die Leserschaft des Postillon ist eine menschliche Bankrotterklärung in Kommentarform. Fing sie einst wieder als kleiner Kreis weltabgewandter Zyniker im Netz an, die jedes -Zitat liebten und bewunderten, entfalteten ab 2011 die neuen Medien ihre volle Wirkkraft auf das Blatt. [9]

Zunächst kaufte warb Sichermann Kommentatoren gezielt an und mischte sich auch vier, fünf mal am Tag mit wechselnden Identitäten selbst unters Volk, um ein bisschen Stimmung in der Bude zu machen. Mit dem Anschluss an Facebook war das nicht mehr nötig, denn für den Postillonaccount erhielt Sichermann eine vertragliche festgelegt Flatrate an Trollkommentaren, die die Seite mit überschütten und danach gleich potentielle Leser, besonders die mürrischen Altlasten, die sich dort festgebissen hatten, abschrecken sollten. Hinter im Sekundentakt abgesondertem geistigem Durchfall unter den Artikeln, wie „Erster“, „ELW“, „Geschmacklos“ oder „Penis“, standen meist Kommentatoren, die in ihren Büro- und Schreibberufen ihre mentale Eingeengtheit nicht voll zum Tragen bringen konnten, nun aber eine Gelegenheit hatten, ihre Probleme anonym zu kanalysieren.

Chefred. Sichermann gab in mehreren Interviews zu Protokoll, dass er die im Schutz der Anonymität geifernden Trottel, die er seine Leserschaft nannte und nennt, für intelligent halte. Zumindest verpflichtete er sich, das nach dem Steve Jobs - Vorfall der Öffentlichkeit gegenüber zu äußern, weil er mittlerweile von diesen Trotteln leben musste.

Doch auch hier fand bald eine natürliche Auslese statt, die Bürofachangestellten vereinzelten und spezialisierten sich, auch zwischenmenschliche und private Probleme rückten in den Vordergrund und wurden unabhängig von den Artikeln auf dem Postillon ausgiebig diskutiert. Gleich nachdem die frustrierten Mittvierziger und attraktiven Bürohasen ihre absolviert und unabhängig von den Inhalten so etwas geschrieben hatten wie: „Der Artikel war sooooo lustig, dass ich glatt mein Kaffee auf die Tastatur gespuckt habe“ oder „Der letzte Satz – ihr seit doch total durchgeknallt!!!11!1“ konnte man ausgiebig über das Wetter, hübsche Jungs oder Barack Obama diskutieren und sich damit als Inbegriff einer wachsamen, intelligenten und satirisch anspruchsvollen Leserschaft zeigen. Aber vielleicht war das alles so gewollt? Es ist schließlich nichts ernst gemeint im Postillon...

Hä? Das ist doch gar nicht lustig...

Mit der Zeit haben sich immer wiederkehrende Typen von Lesern herauskristallisiert, die dem Postillon helfen, seine einst hochgesteckten Ziele (neben dem Reichtum des Betreibers) aus den Augen zu verlieren:

  • Metasatiriker: sind verkappte Moralisten, die jeder Art von Satire mit Satire begegnen und daher sofort erkennen, was Satire ist und was nicht. Oftmals wurden sie beim Ausdeuten der Postillontexte, die sie zu Unrecht gut fanden enttäuscht und versuchen nun, anderen Satire an ihrer Idealvorstellung von Satire zu erklären. Der Metasatiriker verhält sich scheinbar satirisch gegenüber den satirischen Texten des Postillon, betrachtet das ganze aber von einer höheren Ebene aus, von der Satire über die Satire möglich oder wenigstens behauptbar ist, denn oftmals reicht sein Verständnis für diese höhere Ebene nur so weit, wie die Texte nicht mit seinen persönlichen Moralvorstellungen kollidieren. Meist handelt es sich um übriggebliebene Stammleser, die genug Kraft hatten, den orthographischen Vergewaltigungen der trollenden Generation Facebook schmerzbefreit gegenüberzutreten. Sichermann hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Metasatiriker, die der satirischen Kritik an seinen Texten satirisch begegnen und sie damit kritisieren zu kritisieren und öffentlich zu verspotten, was dem Metasatiriker in seiner eigenen verqueren Logik aber gefällt.
  • Pseudointellektuelle werfen nur zu gern mit neuesten Thesen aus ihren -Diskussionszirkeln und linken Kampfparolen um sich und behaupten, dass der Postillon mit ihren Ansichten konform geht. Meistens werden sie per Lynchjustiz aus dem Kommentarbereich geschleift oder mit hämischen Kommentaren verlacht. In Wahrheit ist das ihre Art, der Leserschaft des Postillons zu begegnen und sie so von innen zu zersetzen.
  • gelangweilte Bürofachkräfte: müssen meist den neuesten Bürotratsch oder ihre Meinung zur jüngsten -Folge loswerden. Wenn das nicht geht, wird eben ausgiebig über Geschlechtsverkehr in Reinform oder Wortspiele, die auf Geschlechtsverkehr in Reinform hindeuten diskutiert.
  • Trolle. Wurden mit strengen Restriktionen gezwungen, ihre ein-Wort-Insider-Kommentare aufzugeben und haben sich entweder eine eigene Identität aufgebaut, um unlustigen, substanzlosen Blödsinn abzusondern oder kommen, einmal gesperrt, als wenigstens fünf andere zurück.
  • Der Postillon-ist-schon-lustig-aber-manches-geht-mir-zu-weit-Typen: Kommentieren meist nur unter Artikeln, von denen sie sich verletzt und persönlich angegriffen fühlen, weil sie und Verständnis brauchen...
  • Der Nichtversteher: Fragt grundsätzlich erstmal nach, ob die stimmen und dient damit als Prellbock für alle übrigen Leser- und Kommentiererschichten, denn solange noch jemand dümmer ist als sie selbst, können sie ihr eigenes Nichtverstehen besser rechtfertigen. Sie bringen die eigentlichen Reaktionen, für die der Postillon schreibt. Bei vier Millionen im Monat (Stand April 2014) könnte man sich allerdings über die Ernsthaftigkeit dieser Kommentare Gedanken machen oder, halt!, besser doch nicht: im Postillon ist ja nichts ernst gemeint.

Nichts als die Wahrheit

Mann in bunten Hosen: Soll die Ernsthaftigkeit der Materie verdeutlichen

Also stimmt alles, was im Postillon steht? Ist es nicht schlimm, seine Leser mit gezielten Falschmeldungen zu ärgern,- gehört sich das überhaupt noch in Zeiten, in denen Satire die Informationsübermittlung durch die Systemmedien verdrängt hat?

Die schockierendste Nachricht, die man vielleicht über den Postillon schreiben kann ist doch die: alles, was im Postillon steht, ist auf irgendeine Weise wahr: Baumgartners freches Übertreten, die Tatsache, dass immer mehr Jugendliche, v.a. in russischen Großstädten gegen die Schwerkraft verstoßen oder Meldungen wie „Chefred ersticht Kind, um gute Story zu haben: Der Chefred. berichtet!“

Aus satirischer Sicht müsste man sogar sagen, dass alles, was im Postillon steht mehr oder weniger stimmt, aber wahnsinnig schlecht recherchiert wurde. Gott sei Dank ist das hier keine Satireseite.

Einzelnachweise, um nicht kindisch verklagt oder vorgeführt zu werden

  1. ...oder etwa doch nicht?
  2. Sichermann S., Geschichte wiederholt sich, Merkstewas-Verlag, München 2007, Umschlagstext
  3. http://www.der-postillon.com/2008/11/groer-bierskandal.html
  4. http://www.der-postillon.com/2011/10/technikjournalisten-und-fanboys.html
  5. http://www.der-postillon.com/2012/10/linie-ubertreten-rekordsprung-aus-39.html
  6. http://www.der-postillon.com/2012/03/die-besten-postillon-reportagen-jetzt.html
  7. Sichermann S., Geschichte wiederholt sich, Merkstewas-Verlag, München 2007, Umschlagstext
  8. http://www.der-postillon.com/2009/04/kai-diekmann-mag-personlichkeitsrechtsv.html
  9. Sichermann S., Geschichte wiederholt sich, Merkstewas-Verlag, München 2007, Umschlagstext