Sportreporter

Der folgende Artikel ist ein Satire-Artikel. Es kann sein, dass er nicht ganz ernst gemeinte Aussagen enthält. Es kann aber auch sein, dass der Artikel irgendeine tiefgründige Botschaft vermitteln möchte.

Ursprung

Vor dem Beginn des TV-Zeitalters, als das Radio noch das einzige etablierte Live-Medium war, entstand der Beruf des Sportreporters aus dem Sachzwang heraus, das zu übertragende sportliche Geschehen mangels Bildern anschaulich zu beschreiben. Doch schon früh zeigte sich, dass viele Radioreporter solche Live-Übertragungen als willkommenes Forum für die Verarbeitung ihrer persönlichen emotionalen und psychischen Probleme betrachteten. Somit kam es in Sportreportagen von Beginn an zu verbalen Ausbrüchen, die sich meist durch unkontrollierte Erhöhung der Lautstärke und hysterisches Ringen nach Worten äußerten. Ein klassisches Beispiel dafür ist ein Sportreporter der ersten Stunde, Herbert Zimmermann, der 1954 beim Spiel Deutschlands gegen Ungarn die berühmten Worte schrie: "Aus dem Hintergrund müsste Rommel schießen. Rommel schießt! TOOOR, TOOOOR, TOOOOOOR...!"

Im TV-Zeitalter

Reporter 30 min. nach Abpfiff des Altherrenspiels FC Amboss Knüppelsack gegen den FSV Salmrohr (Endstand 0:0)

Obwohl seit dem Anbruch des TV-Zeitalters auch bewegte Bilder von Sportveranstaltungen ausgestrahlt werden konnten, hatten sich sportbegeisterte Menschen so sehr an eine unaufhörlich quasselnde Stimme gewöhnt, dass der Beruf des Sportreporters im Prinzip erhalten blieb, auch wenn man seither eher von "Kommentatoren" spricht.
Die Aufgabe eines Kommentators bestand in den folgenden Jahrzehnten darin, dem geneigten Zuschauer Dinge zu beschreiben, die dieser ohnehin selber sehen kann, das Ganze mit völlig Hintergrundinformationen zu garnieren und durch unterschwellige, meist aber offensichtliche Manipulation eine Stimmung zu vermitteln, die den Zuschauer selbst bei einem Fußballspiel der dritten grönländischen Liga glauben lässt, er würde einem historischen und weltbewegenden Ereignis beiwohnen. In den letzten Jahren geht die Tendenz jedoch dahin, dass sich Sportreporter darüber hinaus mit einem extremen Hang zur Selbstverliebtheit zunehmend selber in den Mittelpunkt von Sportübertragungen schieben.
Während Menschen, die gerne andere für sich denken lassen, für diese Berufsspezies dankbar sind, haben selbständig denkende Personen mit einer gewissen sportlichen Fachkompetenz angesichts der zunehmenden Penetranz verstärkt mit erhöhtem Puls, inneren Blutungen und zerstörten TV-Geräten zu kämpfen.

Die verschiedenen Typen

Im Laufe der Jahrzehnte haben sich bestimmte Typen von Sportreportern herauskristallisiert, die sich unterschiedlicher bedienen, um echte Sportliebhaber maximalem Psychoterror auszusetzen:

Furchteinflößend - das Folterinstrument eines Sportreporters
  • Der Radio-Typ beschränkt sich ausschließlich darauf, dem Zuschauer die Dinge, die ohnehin für jeden sichtbar sind, im Detail, aber ohne jeglichen zu beschreiben, so dass man ihm am liebsten zurufen würde: "Hallo, das seh' ich selber, du Penner!"
  • Der Statistiker interessiert sich kaum für die eigentliche Sportveranstaltung, sondern nur für damit irgendwie in Verbindung stehende Statistiken, die jedoch in der Regel keinerlei sportliche Aussagekraft besitzen. Dennoch wird der Statistiker nicht müde, bei jeder unpassenden Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass die letzten Begegnungen zwischen den Handballnationalteams von Uganda und Französisch Guyana durchschnittlich 22,7349 zu 25,92457 ausgegangen sind, die durchschnittliche Beinbehaarung im Frauenfußball bei 65% liegt oder ein Golfer in einem bestimmten Turnier bis zu 483 Mal nach dem Caddy ruft.
  • Eng verwandt mit dem Statistiker ist der Märchenonkel. Letzterer schlägt die Zeit während einer Sportübertragung jedoch nicht durch die Aufzählung nutzloser Zahlenwerte, sondern durch das Erzählen noch nutzloserer Hintergrundgeschichten tot. Getarnt als vermeintliche Insider-Informationen werden grausame Anekdoten über Dinge wie den eingerissenen Nagel einer Spielerfrau, die Bombardierungsdichte des Platzes, auf dem gerade Tennis gespielt wird, im Zweiten Weltkrieg oder die private Zwerghamsterzucht des Hallenwartes auf die gesamte Übertragungdauer ausgewalzt, wodurch selbst bei spektakulärem Spitzensport jeder Ansatz von Stimmung im Keim erstickt wird.
  • Der VIP muss zwanghaft immer wieder darauf hinweisen, dass er offenbar mit irgendeiner an der Sportveranstaltung direkt oder indirekt beteiligten Person Kontakt hatte oder sogar eine Bekanntschaft pflegt, oftmals von der Behauptung gekrönt, dadurch exklusive Informationen erhalten zu haben. Dies führt zu so penetranten Äußerungen wie "Als ich neulich mit Franz Beckenbauer - ich darf ihn Franz nennen - eine Partie Golf spielte, verriet er mir, dass der FC Bayern in Kürze einen weiteren Brasilianer unter Vertrag nehmen wird" oder "Beim letzten gemeinsamen Weihnachtsplätzchen-Backen mit Wladimir Klitschko, konnte ich mich persönlich davon überzeugen, was er so alles zu Brei schlagen kann".
  • Der Emo-Typ (auch Beckmann-Typ genannt) versucht mittels weinerlicher Stimme, schicksalschwerer Aussagen und herzzerreissender Vergleiche aus jedem noch so müden Ballgeschiebe, Halmaturnier oder Eishockeymatch in der Altersklasse Ü70 ein tosendes Meer der Emotionen zu machen. Dabei wird die gesamte Bandbreite von schwärzester Polemik bis hin zu hysterischen Jubelarien genutzt. Während er bei einem Zwei-Punkte-Rückstand im ersten Viertel eines Basketballspiels bereits von einem Klassenunterschied spricht und unter Tränen die gesamte Arbeit des Trainerstabs in den letzten 25 Jahren in Frage stellt, bescheinigt er mit sich überschlagender Stimme bei einem späteren knappen Sieg der anfangs noch zurückliegenden Mannschaft, das Match jederzeit im Griff gehabt und den attraktivsten Basketball aller Zeiten geboten zu haben.
  • Der Virtual-Reality-Typ lebt offenbar in seiner ganz eigenen Wirklichkeit und vermittelt dem Zuschauer ständig das Gefühl, eine völlig andere Übertragung zu sehen als der Reporter. Immer wieder gibt er ein höchst unpassendes Zwischenfazit ab, welches dem bisherigen Verlauf der Veranstaltung diametral entgegen steht. Das Maximum an Provokation erreicht er damit, dass er eine Detailsituation offensichtlich falsch beurteilt und sich nach dem Einspielen der Zeitlupe, die seine Einschätzung eindeutig wiederlegt, in seiner Sicht der Dinge sogar noch bestätigt fühlt.
  • Der Egomane tritt seinen Neutralitätsauftrag mit Füßen, indem er permanent seine persönliche Meinung als der Weisheit letzter Schluss anpreist. Mit Äußerungen wie " hätte da definitiv die gelbe Karte gezeigt", "ICH würde das Spiel mehr über die Flügel aufbauen" oder "Den hab ICH ganz klar drin gesehen" degradiert er die eigentlichen Akteure zu Randfiguren.

Der Werdegang

Herr Hoeneß, der FC Bayern hat soeben mit 8:1 gegen den FC Barcelona gewonnen. Aber die taktisch sehr schwache Raumaufteilung bei gegnerischen Einwürfen muss einem da doch sehr zu denken geben, oder?


Zu den Grundvoraussetzungen eines Sportreporters gehören neben einem unkontrollierbaren Äußerungsdrang vor allem ein unerschöpfliches Repertoir an Phrasen, ein latenter Hang zum Narzismus und Sadismus sowie angeborene Schmerzfreiheit. Schizophrenie, Tourette-Syndrom und ähnliche Geisteskrankheiten sind zwar nicht zwingend erforderlich, aber durchaus wünschenswert.

Bevor ein Sportreporter jedoch ans Kommentatorenmikrofon und damit auf die gesamte sportbegeisterte Menschheit losgelassen wird, muss er sich zunächst im Nahkampf mit Sportlern und beweisen. Sollte es ihm bei mehreren Interviews nacheinander gelingen, ohne jegliches Anzeichen von Mitleid und Schamgefühl die hohlsten und penetrantesten Fragen zu stellen, hat er damit die nötige Qualifikation erlangt. Dabei werden die gestellten Fragen durch eine Jury bestehend aus ehemaligen Sportreportern in Abhängigkeit von ihrem Provokationspotential bewertet. Nachfolgend einige der höchstbewerteten Fragen, die je gestellt wurden:

  1. "Sind Sie mit dem Spiel Ihrer Mannschaft zufrieden?" (Frage an den Trainer nach einer historischen Niederlage)
  2. "Wird der Trainer nächste Woche noch auf der Bank sitzen?" (Frage an den Vereinspräsidenten nach der ersten Niederlage in den letzten 200 Spielen)
  3. "Haben Sie sich verletzt?" (Frage an einen Skirennläufer, der mit Tempo 110 gegen einen Baum am Pistenrand geprallt und in Einzelteilen ins Ziel gerollt ist)
  4. "Jetzt ist Ihnen die Meisterschaft doch nicht mehr zu nehmen, oder?" (Frage nach einem Sieg im ersten von 50 Saisonspielen)

Hilfe für die Betroffenen

Selbsthilfegruppen sind hier machtlos, Suizid wäre übertrieben.
Wer zu den psychisch traumatisierten Opfern von Sportreportern gehört, hat nur eine einzige Chance, aus dieser Situation dauerhaft wieder herauszukommen - bei Sportübertragungen den Ton am Fernseher abschalten!!!