Carl von Weinberg
Carl von Weinberg (* 14. September 1861 in Frankfurt am Main; † 14. März 1943 bei Florenz) war ein deutscher Kaufmann, Unternehmer, Mäzen und sozial engagierter Bürger.
Leben
Carl und sein ein Jahr älterer Bruder Arthur von Weinberg entstammten einer jüdischen Kaufmannsfamilie, der Vater war Bernhard Weinberg. 1880 ließen sich beide Brüder evangelisch taufen.[1] Carl absolvierte eine kaufmännische Lehre und wurde 1882 mit 21 Jahren wie sein Bruder Teilhaber des Unternehmens Leopold Cassella & Co., das 1894 mit der von seinem Onkel Leo Gans gegründeten Frankfurter Anilinfarbenfabrik fusionierte und in der Folgezeit als Cassella Farbwerke Mainkur zu Weltruhm in der Herstellung synthetischer Farbstoffe gelangte.
In Schwanheim am Main, auf der Waldspitze südlich von Niederrad gelegen, hatte er sich 1898 zusammen mit seiner 1866 in Plymouth geborenen Frau May (Ethel Mary Villers Forbes aus dem Hause der irischen Earls of Granard)[2] die Villa Waldfried im englischen Landhausstil von den Architekten Aage von Kauffmann und Otto Bäppler erbauen lassen. Diese Villa umfasste um die 100 Zimmer. Sie bot Platz für die über 700 Objekte umfassende bedeutende Kunstsammlung des Ehepaars. Ein Jahr vor dem Einzug wurde 1897 die ersehnte Tochter Wera geboren († 9. April 1943 in London), die später Richard von Szilvinyi heiratete. May von Weinberg machte sich in Frankfurt als Stifterin einen Namen. Für die römisch-katholische May wurde in dem Haus eine Kapelle eingerichtet. In dieser Hauskapelle feierte später der Niederräder Kaplan Georg Nilges den Sonntagsgottesdienst. Für die Niederräder Pfarrei Mutter vom Guten Rat stiftete Carl von Weinberg einen namhaften Betrag zum Neubau einer Kirche.[3] Der italienische Renaissance-Brunnen (Florentiner Brunnen) des bei den Luftangriffen auf Frankfurt am Main im Zweiten Weltkrieg zerstörten Hauses steht seit 1952 im Garten des Nebbienschen Gartenhauses, eines Künstlertreffs in der Bockenheimer Anlage in der Frankfurter Innenstadt. Im Jahr 1908 wurden die Brüder Weinberg nobilitiert.
1919 war Carl von Weinberg Mitglied der deutschen Delegation bei den Versailler Friedensverhandlungen. 1924 nahm er an den Verhandlungen über die deutschen Reparationen in London teil, die den Dawes-Plan zur Folge hatte. 1925 führten die Brüder Weinberg die Cassella-Farbwerke in die Fusion zur IG Farbenindustrie AG, in der sie beide als Aufsichts- und Verwaltungsratsmitglieder wirkten.
Zusammen mit seinem Bruder gab Carl von Weinberg diversen Institutionen (unter anderem der Universität Frankfurt) zahlreiche finanzielle Zuwendungen. 1921 wurde in Schwanheim mit seiner Unterstützung die nach ihm benannte Carl-von-Weinberg-Schule errichtet. Auch die Gründung des Frankfurter Polo-Clubs im Jahr 1913 und die Poloanlage gehen auf seine Initiative zurück. Ebenfalls gründete er das Gestüt Waldfried, das weit über die Grenzen seiner Heimatstadt hinaus bekannt wurde.
1937 starb seine Frau May, sie wurde in der Weinbergkapelle der Niederräder Kirche „Mutter vom Guten Rat“ beigesetzt. Große Teile ihres Nachlasses gingen an diese Kirchengemeinde, einige Teile erhielt der ehemalige Niederräder Kaplan Georg Nilges, der seit 1929 Pfarrer in der neu gebauten Heilig-Kreuz-Kirche in Frankfurt-Bornheim in der Siedlung Bornheimer Hang war. Dort befindet sich auch heute noch ein 183 cm × 138 cm großes hölzernes Kruzifix im Vorraum der Krypta des Heilig-Kreuz-Zentrums für christliche Meditation und Spiritualität des Bistums Limburg. Vermutlich stammt es ursprünglich aus dem alpenländischen Raum des 17. oder 18. Jahrhunderts. Dort gelangte es in den Besitz der Familie von Weinberg, da diese in Kärnten ein Jagdhaus in Oberdrauburg besaß.[3]
Verfolgung
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurden die Brüder Weinberg aufgrund ihrer jüdischen Herkunft verfolgt. Carl von Weinberg wurde gezwungen, seine Ämter in der Wirtschaft aufzugeben. Sowohl die Schule als auch die Carl-von-Weinberg-Straße wurden umbenannt. Die Namenspatronatschaft für die Buchenrodestraße, die nach Arthur von Weinbergs Villa „Buchenrode“ benannt war, und die Waldfriedstraße, benannt nach dem Gestüt der Familie Weinberg, wurde aufgehoben.
Nach den Novemberpogromen 1938 musste Carl von Weinberg im Zuge der „Arisierung“ seine Villa Waldfried zusammen mit seiner bedeutenden Kunstsammlung für einen Bruchteil ihres Werts an die Stadt verkaufen. Der Frankfurter Künstlerin Lina von Schauroth, einer engen Freundin der von Weinbergs, gelang es, die vier von ihr geschaffenen Farbverglasungen der Privatkapelle der Villa Waldfried nach der Flucht des Hausherrn in Sicherheit zu bringen. Während des Krieges wurden sie im Limburger Dommuseum aufbewahrt und 1951 auf Veranlassung der Evangelischen Synode in das Schiff der Alten Nikolaikirche auf dem Frankfurter Römerberg eingebaut. Auf dem Fenster mit dem Motiv „Aufsteigender Christus“ an der Westseite findet sich die Widmung: Die Glasfenster stammen aus der Kapelle in Waldfried. Carl v. Weinberg hat sie zum Andenken an seine Gattin May geb. Forbes gestiftet.[4]
Nach der Enteignung seines Vermögens ging der seit 1937 verwitwete Carl von Weinberg ins Exil zu seiner verheirateten Schwester nach Italien. Am 14. März 1943 starb er in der Nähe von Florenz, sechs Tage, bevor sein Bruder Arthur im KZ Theresienstadt an den Folgen einer Operation verstarb. Carl von Weinberg wurde auf dem Bergfriedhof von Chiusi im Grab der Familie seiner Schwester beigesetzt, die mit dem Conté Paolozzi aus Chiusi verheiratet war.
Auszeichnungen
- 1927 wurde er mit der Ehrendoktorwürde der Universität Frankfurt ausgezeichnet.
- 1928 erhielt er die silberne Plakette der Stadt Frankfurt verliehen.
Nach 1945 wurden alle Namensänderungen rückgängig gemacht. Neben der Carl-von-Weinberg-Schule und der Carl-von-Weinberg-Straße im Frankfurter Westend erinnert in Frankfurt-Niederrad eine Parkanlage mit seiner Büste auf dem Gelände der ehemaligen Villa Waldfried an den Mäzen und Unterstützer Frankfurts.
Literatur
- Ernst Mack: Die Frankfurter Familie von Weinberg. Im Zeichen der Kornblumenblüten. Heimat- und Geschichtsverein Schwanheim e. V., Schwanheim 2000, ISBN 3-921606-55-1.
- Angela von Gans, Monika Groening: Die Familie Gans 1350-1963. Verlag Regionalkultur, Heidelberg 2006, ISBN 3-89735-486-1.
- Helene von Schauroth (Hrsg.): Lina v. Schauroth. Eine Frankfurter Künstlerin. Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-7829-0291-2.
- Hansjörg W. Vollmann: Cassella und ihre Eigentümer. Große Frankfurter Mäzene. Vortrag im Rahmen der Reihe „Mäzene, Stifter, Stadtkultur“ der Frankfurter Bürgerstiftung am Mittwoch, 23. Januar 2013, 19.30 Uhr, Veranstaltungsort: Haus am Dom, Frankfurt, Bad Soden am Taunus, 23. Januar 2013, Vortrag als PDF, abgerufen am: 3. Januar 2014
- Mirco Overländer: Familie von Weinberg Frankfurt. Verfolgt, verfemt, doch nicht vergessen. Frankfurter Neue Presse, 9. November 2013, abgerufen am 21. Juni 2015.
- Ulrike Knöfel: Eine gute Partie. Eine jüdische Familie wird im Dritten Reich ihres Vermögens beraubt, ihrer Kunst, keiner überlebt, in: Der Spiegel Nr. 48, 24. November 2018, S. 126–129.
- Weinberg, Carl von, in: Werner Röder, Herbert A. Strauss (Hrsg.): Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933. Band 1: Politik, Wirtschaft, Öffentliches Leben. München : Saur 1980, S. 804f.
- Werner Plumpe: Weinberg, Carl von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 27, Duncker & Humblot, Berlin 2020, ISBN 978-3-428-11208-1, S. 625 f. (Digitalisat).
Weblinks
- Literatur von und über Carl von Weinberg im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Carl von Weinberg im Portal Frankfurt 1933 bis 1945
- Homepage der Carl-von-Weinberg-Schule
- Bild von May von Weinberg
- Carl von Weinberg bei wollheim-memorial.de
- May von Weinberg (1866-1927) einschließlich ihrer Porträtbüste vom Bildhauer Alexander Archipenko (1887-1967) auf frankfurterfrauenzimmer.de
Einzelnachweise
- ↑ Kai Drewes: Jüdischer Adel. Nobilitierungen von Juden im Europa des 19. Jahrhunderts. Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-593-39775-7, S. 394, Anm. 36.
- ↑ In memoriam May von Weinberg - geb. Ethel Mary Villers Forbes aus dem Hause des Earl of Granard Plymouth 1866 – Frankfurt/M 1937. In: Homepage. Lüder H. Niemeyer Kunsthandels-Kaufmann seit 1959, 24. Februar 2014, archiviert vom am 22. Februar 2015; abgerufen am 21. Februar 2015.
- ↑ a b Hermann Gille, P. Helmut Schlegel: Katholische Heilig-Kreuz-Kirche Frankfurt-Bornheim. Verlag Schnell und Steiner, Regensburg 2009, ISBN 978-3-7954-6808-8.
- ↑ Lina v. Schauroth. 1984, S. 10.
Personendaten | |
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NAME | Weinberg, Carl von |
ALTERNATIVNAMEN | Weinberg, Carl |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Kaufmann, Unternehmer und Mäzen |
GEBURTSDATUM | 14. September 1861 |
GEBURTSORT | Frankfurt am Main |
STERBEDATUM | 14. März 1943 |
STERBEORT | bei Florenz |
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Die Brüder Arthur und Carl von Weinberg beim Morgenritt auf dem Gestüt Waldfried in Frankfurt
- Arthur von Weinberg (links), (* 11. August 1860 in Frankfurt am Main; † 20. März 1943 in Theresienstadt)
- Carl von Weinberg (rechts), (* 14. September 1861 in Frankfurt am Main; † 14. März 1943 bei Florenz)
Der Verwaltungsrat der 1925 gegründeten IG Farben (ein leitender Ausschuss im Aufsichtsrat, von den Mitarbeitern „Rat der Götter“ genannt, 11 Mitglieder in 1926), zusammen mit dem Vorstandsvorsitzenden Carl Bosch (rechts vorne). 1926.
Vorn sitzend (von links):
- Carl Bosch, Vorstandsvorsitzender (Badische Anilin und Soda Fabrik Aktiengesellschaft), (* 27. August 1874 in Köln; † 26. April 1940 in Heidelberg)
- Carl Duisberg, Aufsichtsratsvorsitzender (Farbenfabriken vorm. Friedrich Bayer & Co. AG), (* 29. September 1861 in Barmen; † 19. März 1935 in Leverkusen)
Dahinter, sitzend (von links):
- Theodor Plieninger (Chemische Fabrik Griesheim-Elektron AG), (* 10. April 1856 Stuttgart, † 13. Januar 1930 Frankfurt am Main)
- Ernst von Simson (Actien-Gesellschaft für Anilin-Fabrication), (* 7. April 1876 in Berlin; † 7. Dezember 1941 in Oxford)
- Walther vom Rath (Farbwerke vorm. Meister Lucius & Brüning AG), (* 11. September 1857 in Amsterdam; † 2. Februar 1940 in Kronberg im Taunus)
- Wilhelm Ferdinand Kalle (Chemische Fabrik Kalle & Co.), (* 19. Februar 1870 in Biebrich am Rhein; † 7. September 1954 in Tutzing)
- Carl von Weinberg (Farbwerke Leopold Cassella & Co.), (* 14. September 1861 in Frankfurt am Main; † 14. März 1943 bei Florenz)
Dahinter, stehend (von links):
- Arthur von Weinberg (Farbwerke Leopold Cassella & Co.), (* 11. August 1860 in Frankfurt am Main; † 20. März 1943 in Theresienstadt)
- Carl Müller (Badische Anilin und Soda Fabrik Aktiengesellschaft), (* 28. August 1857 in Kaiserslautern, † 23. August 1931 in München)
- Edmund ter Meer (Chemische Fabriken vorm. Weiler-ter Meer AG), (* 31. Juli 1852 in Krefeld; † 5. November 1931 in Krefeld-Uerdingen)
- Adolf Haeuser (Farbwerke vorm. Meister Lucius & Brüning AG), (* 26. November 1857 in Weilburg; † 13. März 1938 in Frankfurt am Main)
- Franz Oppenheim (Actien-Gesellschaft für Anilin-Fabrication), (* 13. Juli 1852 in Charlottenburg; † 13. Februar 1929 in Kairo/Ägypten)
(c) Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main, Lizenz: CC-BY-SA 4.0 DE
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Carl von Weinberg (* 14. September 1861 in Frankfurt am Main; † 14. März 1943 bei Florenz)
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Hölzernes Kruzifix aus dem ehemaligen Besitz der Frau May von Carl von Weinberg in der Krypta der Heilig Kreuz-Kirche in Frankfurt am Main-Bornheim
Autor/Urheber: A. Köhler, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Nebbiensches Gartenhaus, klassizistischer Pavillon in der Bockenheimer Anlage, erbaut 1810. Der italienischer Renaissance-Brunnen aus Marmor stand ursprünglich in der Villa Waldfried des von den Nationalsozialisten verfolgten Frankfurter Unternehmers Carl von Weinberg
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Carl von Weinberg, a jewish undertaker and patron and sponsor of various social institutions in Frankfort, Germany. The statue is near the entrance of a playground in Frankfurt-Niederrad. It was made by Alexander Archipenko in 1961 in bronce.
Image self-made on march 12th. 2006 --Peng 13:29, 12 March 2006 (UTC)