Schriftsteller
Der folgende Artikel ist ein Satire-Artikel. Es kann sein, dass er nicht ganz ernst gemeinte Aussagen enthält. Es kann aber auch sein, dass der Artikel irgendeine tiefgründige Botschaft vermitteln möchte.
Inhaltsverzeichnis
Ein Schriftsteller sein
Inhaltlich gilt es, vordergründig zwischen einem auf Eigen- und einem auf Fremdwahrnehmung basierendem Urteil "X ist ein Schriftsteller" zu unterscheiden.Selbstbezeichnung "Schriftsteller"
Wenn jemand von sich sagt, er sei Schriftsteller, dann bedeutet es, dass der Betreffende sich für jemanden hält, der sich auf die Kunst versteht, etwas schreiben zu können, das dafür geeignet und/oder gedacht ist, dass es andere lesen. Zudem sucht der vermeintliche Literat diese Meinung, in Gestalt von sprachlichen Ausdrücken, schriftlich zu bekräftigen.
Hier kann einiges im Argen liegen. Wie in jedem Berufsfeld ist auch das Literatentum nicht davor gefeit, Opfer von Scharlatanerie, Handwerkspfusch und dergleichen zu werden.
Die Selbstbezeichnung "Schriftsteller" wird des Öfteren vernünftigerweise als Inkognito-Selbst-Diagnose "Größenwahn" interpretiert werden müssen.
Schriftsteller als "Titel"
Wenn man von jemandem sagt, er sei Schriftsteller und dieses Urteil nicht nur auf die Selbstbezeichnung des Betreffenden rekurriert, dann ist gemeint, derjenige halte sich nicht nur zu etwas in der Lage, sondern sei es tatsächlich. Selbstverfreilich sind auch hier die Grenzen fließend - das Urteil behält seinen Charakter - und der Senf, den selbsternannte Literaturkritiker gerne kredenzen, ist nur mit Vorsicht und einer Prise Argwohn zu genießen.
Ein Schriftsteller werden
Um ein Schriftsteller zu werden, muss man etwas schreiben, das andere dann lesen. Wer nur im privaten Kämmerchen flötet, mag schreiben, er mag auch in seinem Sinne Schriften erstellen, ein Schriftsteller ist er um dessenthalben aber noch nicht.
Das Hindernis
Es bleibt nur eins, man muss schreiben, was gefällt und/oder interessiert. Wer etwas schreiben will, das auch gelesen werden soll, der kann nicht einfach ins Blaue hinein Schwarzes auf weißem Grund erzeugen, er muss sich im Vorhinein Gedanken machen, wie das zu vollbringende Werk gestaltet sein müsse, damit es von Anfang an über die erste Zeile hinaus, geeignet ist zu fesseln. Alkohol, in anderen Fällen durchaus das akkurate Mittel, nützt hier leider nicht viel. Der Kuss der Muse ereilt selten denjenigen, der durch seine Fahne besticht. Das Ergebnis ist des Öfteren der weit bekannte Buchstabensalat. Davon zeugt z. B. eindrucksvoll Johann Wolfgang von Goethes Schauspiel "Götz von Berlichingen", das Werk, das unter Einfluss unzähliger Liter Wein entstand und dessen Kernaussage "Leck mich im Arsch" war.
Diese erste Hürde auf dem Weg in das Land der Schriften ist für viele bereits unüberwindlich. War der Wunsch nach kreativer Selbstverwirklichung der Vater des Gedankens, ein Schriftsteller zu werden, so erstickt mit der Einsicht in die fundamentalen Zusammenhänge des Literatentums die anfängliche unweigerlich im Trübsinn der gesellschaftlichen Zwänge. Der Spaß bleibt auf der , die Sätze werden zäh. Der Einstieg in die Ernsthaftigkeit ist nicht selten das Ende der Fahnenstange.
Die Prüfung
Wer nun mit der ersten Einsicht bereits aufgibt, der hat verloren. Aber nicht, weil er es nicht vermocht hat, die ungeschriebenen Gesetze der Schriftstellerei zu beherzigen, sondern weil er das Wesen derselben verkannt hat. Eine zu erstellende Schrift, die den Hobbyautor zum Schriftsteller macht, sieht nach einem Korsett aus, aber eigentlich ist sie nur der zaghafte Versuch des kommenden Meisterwerks, zu kommunizieren. Tief im erdrückenden Zwang ist die Quelle der Freiheit verborgen, inmitten des unwegsamen Dschungels der erdrückenden Regeln, wartet die Kreativität nur darauf hervorzubrechen. Ob es dem angehenden Schriftsteller nun gelingt, das Wesen der Schrift zu erkennen, die Wirrnisse zu überwinden und sich vom Strudel mitreißen zu lassen, davon hängt es ab, ob und wie weit er auf dem subtilen Weg der Schriftstellerei vorankommen wird.
Der Steller stellt sich der zweifachen Doppelstellung der Schrift
Wie weiter oben erwähnt, ist derjenige, welcher Schriften erstellt, deswegen noch lange kein Schriftsteller. Auch wenn der Glaube weit verbreitet ist, ein Schriftsteller erstelle Schriften, so ist die Wahrheit doch ein wenig subtiler. Schriften werden gestellt, nicht erstellt, deswegen ist der Name ihrer Paten auch nicht -ersteller, sondern -steller. Was nun heißt das in concreto? Der angehende Literat muss sich zu allererst aus seiner Lethargie lösen und von dem Aberglauben verabschieden, er wäre kreativ und das Zuschreibende würde auf seinem Mist wachsen. Ein leeres Buch füllt sich dann - und nur dann - sinnvoll mit meisterlichen Zeilen, wenn sich der angehende Schriftsteller der Aufgabe stellt, die sich ihm stellt - er muss die Schrift zweifach-doppelt stellen. Absolut sinnlos füllt es sich stets mit unverständlichen Wortgeschwülsten bei Norbert Sternmut dem unbekannten Wortsteller und Fallensetzer.
Die Jagd
"Schläft ein Lied in allen Dingen..." wurde einst gedichtet und der betreffende literarische Erguss mit einer Sehnsucht in die Natur verwechselt. In Wahrheit enthält der bekannte Passus einen ersten Hinweis auf das geheime Wesen der Schrift selbst. Das Lied, das da schlafen soll, ist die Geschichte, die jedes Ding erzählen könnte, es aber nicht tut. Die Welt ist eitel, die verborgene Geschichte enthüllt sich nicht mir nichts, dir nichts. Sie muss gejagt und in die Enge getrieben werden, man muss sie bis an einen Ort verfolgen, wo sie nicht mehr aus kann - man muss sie stellen. Gelingt dieses Unterfangen, dann wird sie sich unterwerfen. Im Angesicht ihres Bezwingers gibt sie sich ihm auf und stellt sich schließlich selbst.
Die Hilfe
Ist es einem gelungen, bis hierhin in die mächtigen Mysterien der Schriftstellerei einzudringen, hat man ihr Wesen unterworfen, so liegt sie nun offen vor einem da. Aber was da liegt, soll stehen lernen. Nichts nützt es, sich in seiner Größe selbst zu bewundern, noch wird eine der Jagd Tiefes erbringen. Der Punkt ist erreicht, an dem sich der Schriftsteller wahrhaftig verwirklichen kann. Er muss sich herablassen, die nun vor ihm liegende Schrift berühren und sie wieder auf den Boden stellen. Dann erst kann das Wunder geschehen. Die ersten Stellen der Schrift kommen nun wie von selbst zu Papier, und aus ehemals leeren Seiten werden Ausdrücke der Klarheit und Brillanz "...und die Welt hebt an zu singen..." - dieses war das Zauberwort.
Die neue Entdeckung der Welt
Von nun an ist der Hobbyautor ein wahrhafter Schriftsteller. Seine Beschreibungen sind zu Papier gewordenes Leben, seine Ideen der Abdruck einer phantastischen Welt und jene Welt selbst der Spiegel der Dinge, ein fleisch- und steingewordenener Garten nie gekannter, betörender Lust. Der Schriftsteller hat seine Muse gefunden.