Die Judenbuche

Die Judenbuche – Ein Sittengemälde aus dem gebirgichten Westfalen ist eine Novelle von Annette von Droste-Hülshoff, die erstmals 1842 im Cotta’schen Morgenblatt für gebildete Leser erschien. Die Handlung spielt in dem entlegenen westfälischen „Dorf B.“ in einem deutschen Kleinstaat des 18. Jahrhunderts, noch vor der Zeit der großen Umwälzungen, die die Französische Revolution für Europa mit sich brachte. Die Novelle handelt von einem unaufgeklärten Mord, erläutert dessen Vor- und Nachgeschichte und wird nicht nur als Kriminalgeschichte, sondern vor allem als Milieustudie verstanden.

Annette von Droste-Hülshoff, 1838

Handlung

Friedrich Mergels Werdegang scheint schon vor seiner Geburt festzustehen: In seiner Familie herrschen „viel Unordnung und böse Wirtschaft“. Seine Mutter Margreth hat spät geheiratet, und das weniger aus Liebe, sondern um sich der schwierigen Aufgabe zu stellen. Sein Vater Hermann Mergel, ein starker Alkoholiker, nahm Margreth Semmler zur Frau, nachdem ihm seine erste Braut in der Hochzeitsnacht davongelaufen und später gestorben war. Auch Margreth hat unter seinen allwöchentlichen Trinkgelagen und anschließenden Handgreiflichkeiten zu leiden, obwohl sie dies vor der Dorfgemeinschaft zu verbergen versucht.

Als Friedrich neun Jahre alt ist, kommt sein Vater in einer stürmischen Winternacht ums Leben, als er betrunken im Wald einschläft und erfriert. Dadurch sinkt Friedrichs ohnehin geringes soziales Ansehen im Dorf noch tiefer. Er hütet fortan die Kühe. Wenige Jahre später adoptiert ihn sein Onkel Simon, stellt ihn bei sich ein und verhilft ihm mit obskuren Geschäften zu etwas Geld und Ansehen. Friedrich macht Bekanntschaft mit dem Schweinehirten Johannes Niemand, einem möglicherweise unehelichen Sohn Simons und verängstigten Jungen, der Friedrich äußerlich auffallend ähnlich sieht und den dieser, selbstbewusst geworden, bald wie seinen Diener behandelt.

Holzdiebstähle durch die sogenannten Blaukittel nehmen immer mehr zu. Daher verstärken die Förster ihre Kontrollen, können aber die Diebe nicht auf frischer Tat ertappen. Als dies eines Nachts dem Oberförster Brandis zu gelingen scheint, wird er von den Blaukitteln mit einer Axt erschlagen. Friedrich fühlt sich, obwohl er in der Untersuchung durch den Amtsschreiber ein einwandfreies Alibi nachweisen kann, mitschuldig an Brandis’ Tod, hat er doch in jener Nacht Schmiere gestanden, die Blaukittel durch einen Pfiff vor der Ankunft des Försters gewarnt und diesen dann in einen Hinterhalt geschickt. Sein Onkel drängt ihn durch das Verdrehen der Zehn Gebote zum Absehen von der Beichte:

„Denk an die zehn Gebote: du sollst kein Zeugnis ablegen gegen deinen Nächsten.« – »Kein falsches!« – »Nein, gar keines; du bist schlecht unterrichtet; wer einen andern in der Beichte anklagt, der empfängt das Sakrament unwürdig.“

Annette von Droste-Hülshoff, Die Judenbuche Kapitel 5

Im Oktober 1760 wird Friedrich auf einer Hochzeitsfeier von dem Juden Aaron bloßgestellt, der ihn lauthals „vor allen Leuten um den Betrag von zehn Talern für eine schon um Ostern gelieferte Uhr“ mahnt. Aarons Leiche wird wenig später im Brederwald unter einer Buche aufgefunden. Sofort gerät Friedrich in Verdacht. Als man sein Haus umzingelt, um ihn festzunehmen, ist er zusammen mit Johannes Niemand bereits entflohen. Der Verdacht wird später zwar durch das Geständnis eines Dritten entkräftet, es bleibt jedoch ungeklärt, ob sich dessen Aussage tatsächlich auf den Mord an Aaron bezieht. Friedrich und Johannes bleiben verschwunden.

Eine Delegation der Juden der Gegend kauft die Buche, unter der Aaron gefunden wurde, und ritzt mit hebräischen Schriftzeichen in die Rinde den Satz „Wenn du dich diesem Orte nahest, so wird es dir ergehen, wie du mir getan hast.“ Von da an wird diese Buche von den Dorfbewohnern „die Judenbuche“ genannt. Achtundzwanzig Jahre später, am Heiligen Abend des Jahres 1788, kehrt ein Mann in das Dorf B. zurück, der sich als Johannes Niemand ausgibt. Margreth Mergel, die seit der Flucht ihres Sohnes in „völliger Geistesdumpfheit“ dahinvegetierte, und ihr Bruder Simon sind zu diesem Zeitpunkt bereits verarmt gestorben. Der Zurückgekehrte kann beim Gutsherrn des Dorfes unterkommen und verbringt seine alten Tage mit Botengängen und dem Schnitzen von Holzlöffeln. Neun Monate später kehrt er eines Tages nicht mehr aus dem Brederwald zurück. Als man die Suche nach ihm schon eingestellt hat, findet der junge Brandis, Sohn des erschlagenen Oberförsters, den Vermissten erhängt in der Judenbuche. Der Gutsherr untersucht die Leiche und entdeckt eine alte Halsnarbe, die den Toten als Friedrich Mergel identifiziert. Ohne geistlichen Beistand wird er auf dem Schindanger verscharrt.

Figuren

Friedrich Mergel (Hauptfigur)

Friedrich entwickelt sich von einem verstörten, zurückgezogenen Kind zu einem sehr hochmütigen und stolzen, aber auch leicht erregbaren und gewaltbereiten Mann. Er arbeitet sich durch Holzdiebstahl und dunkle Geschäfte zu einer wohlhabenden Person hoch und nimmt so einen gewissen Rang in der Welt der Dorfbewohner ein. Seine Rolle als „Dorfelegant“ verteidigt er oft mit Fäusten. Ihm ist sein Äußeres wichtiger als sein Inneres. Um seinen Ruf aufrechtzuerhalten, nutzt er teilweise auch unlautere Mittel wie das Prahlen mit einer noch nicht bezahlten Silberuhr. Trotzdem bescheinigt ihm die Autorin eine „nicht unedle Natur“ und schreibt seine Fehler teilweise dem Onkel zu. Trotz allem ist Friedrich sehr verletzlich und hat (nach einer Falschaussage) ein schlechtes Gewissen. Er kann es auch nicht ertragen, wenn andere schlecht über seinen verstorbenen Vater sprechen.

Margreth Mergel

Friedrichs Mutter ist anfangs eine selbstbewusste Frau, die erst nach und nach am Leben und an den Vorurteilen ihrer Umwelt zerbricht. Als sie Friedrichs Vater heiratet, glaubt sie noch, dass eine Frau, die von ihrem Mann schlecht behandelt wird, daran selber schuld sei. Sie erkennt jedoch bald, dass es nicht so einfach ist, ihren Mann zu ändern. Durch den frühen Tod Hermanns und den Verlust Friedrichs, der in die Dienste seines Onkels eintritt, ist Margreth mit der Landwirtschaft überfordert. Nachdem Friedrich unter Mordverdacht geflohen ist, wird sie zu einem Pflegefall. Bis zu ihrem Tode kapselt sie sich von der Gesellschaft ab.

Simon Semmler

Margreth Mergels Bruder, also Friedrichs Oheim, „adoptiert“ Friedrich nach dem Tod seines Vaters. Er wird mit Fischaugen, einem Hechtgesicht und rötlichem Stoppelhaar beschrieben. Auf den Jungen übt er einen negativen Einfluss aus, indem er ihn auf die schiefe Bahn führt und immer wieder mit dem Tod seines Vaters Hermann konfrontiert, um ihn dadurch einzuschüchtern. Simon gehört zu einer Bande Holzdiebe und ist daher recht vermögend. Sein zwielichtiger wirtschaftlicher Erfolg hält jedoch nicht lange an. Er stirbt verarmt. Vieles spricht dafür, dass er es war, der den Förster Brandis mit einer Axt erschlagen hat.

Johannes Niemand

Johannes ist Simons unehelicher Sohn und sieht Friedrich so ähnlich, dass selbst dessen Mutter die beiden einmal miteinander verwechselt. Im Gegensatz zu Friedrich ist Johannes sehr schüchtern, leichtgläubig und willenlos. Johannes versinnbildlicht Friedrichs wahren Zustand als sozialer Niemand. Sein Nachname rührt daher, dass sein Vater ihn nie als seinen Sohn anerkannt hat. So wie Friedrich als Laufbursche seines Onkels völlig abhängig von diesem ist, so wird Johannes allmählich immer abhängiger von Friedrich.

Aaron, der Jude

Aaron ist ein jüdischer Geschäftsmann aus dem Nachbardorf S. Während einer Hochzeitsfeier sorgt er für einen Eklat, als er in der Öffentlichkeit von Friedrich Mergel die ausstehende Zahlung für eine Taschenuhr eintreiben will. Die Dorfbevölkerung lacht ihn daraufhin aus und verspottet ihn („Packt den Juden! Wiegt ihn gegen ein Schwein!“). Später wird Aaron ermordet an der „Judenbuche“ aufgefunden.

Förster Brandis

Der Förster Brandis vertritt die Obrigkeit und bemüht sich vergeblich, der Holzdiebe habhaft zu werden. Dabei lässt er sich gelegentlich zu unbedachten Äußerungen hinreißen, entschuldigt sich jedoch, wenn er merkt, dass er zu weit gegangen ist.

Hermann Mergel (Friedrichs Vater)

Einerseits ist Hermann ein liebevoller Vater, andererseits treibt ihn sein Alkoholismus an den Wochenenden zum maßlosen Trinken und zu Gewalttätigkeiten. Sein Drang, zur Flasche zu greifen, ist letztlich auch der Grund für seinen Unfalltod, der ihn in den Augen der Dorfbewohner zum „Gespenst des Brederholzes“ macht.

Interpretation

Recht und Gerechtigkeit

Die geltenden Gesetze sind einfach und teilweise unzulänglich. Neben dem offiziellen Rechtssystem hat sich ein zweites Recht gebildet: das der öffentlichen Meinung, der Gewohnheit und entstandenen Verjährung. Gutsbesitzer wie Volk handeln frei nach ihrem Empfinden, nur den Unterlegenen sind bisweilen die geschriebenen Gesetze wichtig. Alle Dorfbewohner sind fromm, fast alle sind aber auch in irgendeiner Form am Holz- und Wilddiebstahl beteiligt. Ein Beispiel sind Margreth Mergel und ihr Bruder: Während Margreth äußerst fromm ist, aber das Bestehlen von Juden für ebenso akzeptabel hält wie Wilderei und Holzdiebstahl, hat Simon als Inbegriff des Bösen doch noch einen Funken von Gewissen und Frömmigkeit in sich, auch wenn er Letztere nur vortäuscht.

Man kann das Herrschen dieses Gewohnheitsrechts als ein Zeichen der Rückständigkeit des Dorfes interpretieren, die die Autorin am Anfang des Buches anspricht. Bezeichnenderweise wird diese Rückständigkeit 1789 beendet: Etwa zwei Monate nach Ausbruch der Französischen Revolution wird der echte Schuldige bestraft, zuvor können Adel und Volk über Recht und Gerechtigkeit entscheiden. Die Autorin heißt die ältere Form der „Gerechtigkeit“ weder gut, noch verurteilt sie sie.

Bemerkenswert ist, dass die Natur in der Novelle stets als Richter und Zeuge auftritt. Die Verbindung zwischen den Taten der Dorfbewohner und der sie umgebenden Natur zeigt, dass die Menschen dann, wenn sie ihr „inneres Rechtsgefühl“ verlieren, auch ihre Gemeinsamkeit mit der Natur zerstören, die durch die göttliche Seinsordnung festgelegt ist.

Alle negativen Ereignisse der Novelle geschehen in der Nähe der Buche im Brederwald, und zwar immer nachts oder während der Dämmerung, nie am Tage. So wird der Brederwald zu einer Art „magischem Raum“, die Buche zum „Dingsymbol für ein Geschehen des Unheils“ (B. v. Wiese). „Der sachlich-nüchterne, durch genaue Zeitangaben äußerst distanzierte Berichtstil lässt die ständige Bedrohung des Menschen […] durch die Macht des Dunklen und Irrealen noch unheimlicher hervortreten“.[1]

Judenfeindlichkeit

Zu den zahlreichen sozialen Vorurteilen, die Annette von Droste-Hülshoffs „Sittengemälde“ thematisiert und die als „geheime Seelendiebe“ auch Friedrich Mergel schon in seiner Kindheit prägen wie „jedes Wort, das unvergessen / In junge Brust die zähen Wurzeln trieb“,[2] gehört besonders die Judenfeindlichkeit im Dorf B.:

  • Friedrichs Mutter belehrt ihren Sohn schon früh, dass die Juden „alle Schelme“ und Betrüger seien, und spricht von Aaron als „dem verfluchten Juden“.
  • Ebenso offen zeigen später auch einige angetrunkene Teilnehmer der Hochzeitsgesellschaft, auf der Aaron von Friedrich sein Geld zurückverlangt und ihn damit vor allen Gästen kompromittiert, ihren Antisemitismus, indem sie den Gläubiger verspotten und bedrohen.
  • Aarons Witwe wird respektlos als „die Judenfrau“ apostrophiert, die sich am Ende getröstet und einen anderen Mann genommen habe.
  • Von einem der Glaubensgenossen Aarons, die sich nach dessen Tod für die Aufklärung des Verbrechens und Gerechtigkeit einsetzen, heißt es an anderer Stelle, er werde „gemeinhin der Wucherjoel“ genannt.
  • Selbst der die Obrigkeit und das Recht repräsentierende Gutsherr sagt von einem anderen Juden, dem „Lumpenmoises“, der ebenfalls zunächst als Mörder Aarons in Frage kommt und nach einem Geständnis Selbstmord begeht, „der Hund von einem Juden“ habe sich „an seinem Strumpfband erhängt.“

Historische Hintergründe

Literaturmuseum Bökerhof

Als Kind war Annette von Droste-Hülshoff regelmäßig bei ihren Verwandten mütterlicherseits auf Schloss Bökerhof in der ostwestfälischen Ortschaft Bökendorf, einem unmittelbaren Nachbarort des Dorfes Bellersen, zu Besuch. Dort erfuhr sie von einer wahren Begebenheit, die ihr Onkel August von Haxthausen unter dem Titel Geschichte eines Algierer Sklaven nach Gerichtsakten aufgezeichnet und 1818 veröffentlicht hatte:

Im Kleinstaat Hochstift Paderborn hatte Hermann Georg (oder Johannes) Winckelhan (getauft am 22. August 1764) im Jahr 1782 von dem jüdischen Händler Soistmann Berend (oder auch Soestmann-Behrens) Stoff für ein Hemd erhalten, jedoch nicht bezahlt. In einem deshalb 1783 stattfindenden Prozess unter der Leitung des Lichtenauer Drosten Werner Adolph von Haxthausen (Droste war ein Amt der niederen Gerichtsbarkeit im Hochstift) wurde Winckelhan zur Zahlung verurteilt, woraufhin dieser gegen Soistmann Berend Morddrohungen aussprach. Am selben Abend sah ein Förster sowohl Winckelhan, mit einem Knüppel bewaffnet, als auch kurz darauf Soistmann Berend in den Wald gehen. Zwei Tage später wurde Soistmann Berend von seiner Frau an einer Buche im Wald erschlagen aufgefunden; in die Buche ritzte die jüdische Gemeinschaft des Ortes anschließend ein Zeichen in hebräischer Schrift ein. Um seiner Verhaftung zu entkommen, floh Winckelhan ins Ausland, wo er in Gefangenschaft geriet und versklavt wurde. Erst nach fast 25 Jahren kehrte er in seinen Heimatort zurück. Nachdem von einer weiteren Strafverfolgung aufgrund seines erlittenen Leides während der Versklavung abgesehen worden war, gestand er den Mord. Er lebte fortan als Tagelöhner und Bettler und erhängte sich 1806 an der Buche, an der Soistmann Berend erschlagen aufgefunden worden war. Der Baum wurde zwei Jahre später gefällt. Winckelhan wurde trotz des Selbstmords auf Bitte des Drosten am 18. September 1806 in Bellersen katholisch beigesetzt.[3]

Annette von Droste-Hülshoff setzte diese Begebenheit literarisch um und entwickelte dazu eine Vorgeschichte, mit der es ihr gelang, „das Geschehen als Folge einer Störung der menschlichen Gemeinschaft darzustellen“ (Kindler). Das sich durch eine Folge ungewöhnlicher Ereignisse bald verdichtende und gegen Ende zuspitzende Schicksal Friedrich Mergels enthüllt das Verhängnisvolle der Situation der Gesellschaft.

Der Judenbaum im Reinhardswald

Ehemalige Gedenktafel, die im Reinhardswald an den Judenbaum erinnerte. Sie ist inzwischen durch eine Info-Stele ersetzt worden.

Neben dem oben geschilderten Verbrechen an der Buche, in die hebräische Schriftzeichen eingeritzt worden waren, könnte Annette von Droste-Hülshoff zusätzlich vom so genannten Judenbaum im Reinhardswald inspiriert worden sein. Dies legte zumindest eine Gedenktafel nahe, die von 2003 bis 2020 am Standort des 1972 abgestorbenen Baumes aufgestellt war. Tatsächlich war an dieser Stelle am Heiligabend 1688 der jüdische Textilkaufmann Samuel von Schwartzkirchen Opfer eines Raubmordes geworden. Seitdem war die dort stehende Eiche (also keine Buche) als Judenbaum bekannt. Es ist davon auszugehen, dass die Schriftstellerin, die in jungen Jahren auch den Reinhardswald bereiste, durch ihren Umgang mit den Brüdern Grimm und deren Umfeld die Mordgeschichte kannte. Dafür, dass dies zumindest einen Einfluss auf ihre Novelle hatte, spricht, dass es zu dieser Zeit in den Dörfern des Reinhardswaldes einen Förster namens Friedrich Mergell und einen weiteren mit Namen Carl Friedrich Mergell gab. Die Ähnlichkeit mit dem Namen der Hauptperson der Judenbuche, Friedrich Mergel, kann kaum zufällig sein.

Tütelsches Kreuz

Tütelsches Kreuz mit dem Abdach

Der einzige Ort, der sich mit Sicherheit identifizieren lässt, ist das sogenannte Tütelsche Kreuz in Neuenheerse.

„So liefen wir bis Heerse; da war es noch dunkel, und wir versteckten uns hinter das große Kreuz am Kirchhofe, bis es etwas heller würde, weil wir uns vor den Steinbrüchen am Zellerfelde fürchteten, und wie wir eine Weile gesessen hatten, hörten wir mit einem Male über uns schnauben und stampfen und sahen lange Feuerstrahlen in der Luft gerade über dem Heerser Kirchturm. Wir sprangen auf und liefen, was wir konnten, in Gottes Namen gerade aus, und wie es dämmerte, waren wir wirklich auf dem rechten Wege nach P. (wahrscheinlich Paderborn, Anm.d.Verf.)“

Annette von Droste-Hülshoff[4]

Die Dichterin besuchte in ihrer Jugend dort öfter ihre Tante, die Stiftsdame Sophia Theresia von Haxthausen, und wohnte dann in deren Kurie, heute Asseburger Straße 3, die schräg gegenüber vom Kreuz lag.

Widmung der 20-DM-Note (4. Generation)

Vorderseite …
… und Rückseite des 20-DM-Scheins

Die 20-DM-Note der im Jahr 1989 erschienenen vierten und zugleich letzten Generation der DM-Banknoten zeigt ein Porträt der Annette von Droste-Hülshoff und war bis zur Einführung der Euro-Banknoten im Jahr 2002 in Umlauf. Die Gestaltung stammte (wie bei der gesamten Serie) von Reinhold Gerstetter, dem damaligen Chefgrafiker der Bundesdruckerei.

Wie bei diesen Banknoten üblich, waren Motive aus dem Arbeits- und Lebensumfeld der betreffenden Person dargestellt; so hier historische Gebäude ihres Sterbeortes Meersburg, eine Schreibfeder und (mit Bezug zur Novelle Die Judenbuche) eine Buche.

Verfilmung

Im Jahr 1980 erschien der Fernsehfilm Die Judenbuche von Rainer Horbelt (Regie und Drehbuch). Unter anderem spielten Roland Teubner (als Friedrich Mergel), Harry Raymon (als Aaron), Eberhard Feik (als Simon Semmler) und Diether Krebs (als Förster Brandis).[5]

Vertonungen

Walter Steffens schrieb auf ein Libretto von Peter Schütze seine Oper „Die Judenbuche“; die Uraufführung fand 1993 in Dortmund statt. Er lebte zu dieser Zeit in Detmold, heute in Marienmünster, also unmittelbar in der Gegend, in der die Novelle spielt.

Von der historischen Hintergrundfigur handelt Steffens’ „Kriminaloper für mobiles Musiktheater ‚Der Winkelhannes‘“, Uraufführung 2007/08. Libretto von Peter Schütze unter Mitarbeit von Volker Schrewe und Walter Steffens.

Im Jahr 2006 vertonte der luxemburgische Komponist Marco Pütz die Novelle im Auftrag des Jugendorchesters Havixbeck. Das Stück für Blasorchester wurde am 2. September 2006 uraufgeführt.

Die Gruppe Rimini Protokoll inszenierte im Sommer 2022 eine stark bearbeitete, zweistündige Fassung des Textes unter dem Titel „16 Szenen für einen Wald“ als Ton- und Videoinstallation auf acht Ansitzeinrichtungen im Wald von Burg Hülshoff,[6] veranstaltet vom dortigen Center for Literature Burg Hülshoff (CfL).[7]

Literatur

  • Ekkehart Mittelberg: Annette von Droste-Hülshoff, 'Die Judenbuche'. Text und Materialien. 3. Druck. Cornelsen, Berlin 2005, ISBN 3-464-52208-3, Inhalt.
  • Thomas Wortmann: Kapitalverbrechen und familiäre Vergehen. Zur Struktur der Verdoppelung in Droste-Hülshoffs „Judenbuche“. In: Redigierte Tradition. Literaturhistorische Positionierungen Annette von Droste-Hülshoffs. Hrsg. von Claudia Liebrand, Irmtraud Hnilica und Thomas Wortmann, Schöningh, Paderborn 2010, S. 311–337.
  • Wolfgang Braun: Bluttat mit literarischen Folgen: Der Standort von Annette von Droste-Hülshoffs „Judenbuche“. In: ders.: Geheime Orte in Ostwestfalen. Nicolai, Berlin 2015, ISBN 978-3-89479-928-1, S. 93–101.
  • Norbert Mecklenburg: Der Fall „Judenbuche“. Revision eines Fehlurteils. Aisthesis-Verlag, Bielefeld 2008, ISBN 978-3-89528-693-3.
  • Kindlers Literatur Lexikon, Band 12: Ja – Krc. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1974, S. 5047f.
  • Winfried Freund: Erläuterungen zu Annette von Droste-Hülshoff: Die Judenbuche, Textanalyse und Interpretation (Bd. 216), C. Bange Verlag, Hollfeld 2012, ISBN 978-3-8044-1990-2.
  • Konrad Schaum: Ironie und Ethik in Annette von Droste-Hülshoffs Judenbuche. Winter, Heidelberg 2004, ISBN 3-8253-1565-7, (Beiträge zur neueren Literaturgeschichte 3. Folge, 204).
  • Heinz Rölleke: Annette von Droste-Hülshoff, 'Die Judenbuche'. Interpretation. Mit Unterrichtshilfen von Hannelore Tute. 2., überarb. Auflage. Oldenbourg, München 2000, ISBN 3-637-01433-5.
  • Bernd Völkl: Die Judenbuche von Annette von Droste-Hülshoff: Lektüreschlüssel mit Inhaltsangabe, Interpretation, Prüfungsaufgaben mit Lösungen, Lernglossar. (Reclam Lektüreschlüssel XL). Philipp Reclam jun., Ditzingen 2018, ISBN 978-3-15-015481-6.
  • Horst-Dieter Krus: Mordsache Soistmann Berend. Zum historischen Hintergrund der Novelle „Die Judenbuche“ von Annette von Droste-Hülshoff. 2., verbesserte Auflage. Huxaria, Höxter 1997, ISBN 3-9805700-0-2, (Schriften der Droste-Gesellschaft 19).

Weblinks

Wikisource: Die Judenbuche – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Kindlers Literatur Lexikon, Band 12: Ja–Krc. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1974, S. 5047f.
  2. Vgl. Droste-Hülshoffs Prolog-Gedicht, mit dem sie ihre Erzählung einleitet.
  3. Martin Schlu: Die Judenbuche – Inhaltsangabe. In: martinschlu.de. Juni 2007, abgerufen am 6. Juli 2022.
  4. Kapitel 8, Die Judenbuche gutenberg.spiegel
  5. https://www.imdb.com/title/tt0080972/
  6. 16 Szenen für einen Wald, auf paderzeitung.de, abgerufen am 15. Januar 2023
  7. Anstoß für lebendige Debatten. Eine Installation der Künstlergruppe Rimini-Protokoll führt nach Burg Hülshoff, Geburtsort von Annette von Droste zu Hülshoff – und in den Wald. Die taz, 6. Oktober 2022/ abgerufen am 11. Januar 2022

Koordinaten: 51° 46′ 38,1″ N, 9° 11′ 29,7″ O

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