Die Reise zum Loch im Meer
Der folgende Artikel ist ein Satire-Artikel. Es kann sein, dass er nicht ganz ernst gemeinte Aussagen enthält. Es kann aber auch sein, dass der Artikel irgendeine tiefgründige Botschaft vermitteln möchte.
Kapitel 6: Master of Clouds
Auf Ozeanien gibt es einen Berg, der sich im Mondreich befindet, der von den Einwohnern der König der Wolken genannt wird. Alle anderen Völker kennen ihn unter der Bezeichnung Master of Clouds, was natürlich genau das gleiche bedeutet, aber einfach nur schöner und geheimnisvoller klingt. Es ist ein riesiger kristallener Berg, der aus den Tiefen des ozeanischen Meeres bis in die Wolken reicht. Nie sieht man seine Spitze, sie ist immer von Wolken verdeckt.
An den Hängen dieses Berges wächst kein Grün, keine Vegetation kann sich auf dem glatten Untergrund halten. Auch Tiere sucht der Betrachter dort vergebens. Doch trotz all dieser eher toten Eigenschaften wird der Berg als Spender des Lebens verehrt.
Kaum einer weiß, dass er auch ein recht lebendiges inneres Besitz.
Die Frage nach dem ICH BIN ist eines der größten ungeklärten Rätsel in der Natur des Seins. Generationen von Wissenschaftlern haben sich gefragt, wo eigentlich dieser Gedanke herkommt. Einige etwas experimentierfreudigere haben sogar Experimente an ihren eigenen Körper durch geführt, um die Frage zu beantworten.
Die herrausragenste Persönlichkeit in diesem Kreis ist nach heutigem Erkenntnisstand wohl Professor Dr. Master Brain, der an der Universität von Technokratia seinen gelehrigen Schülern seine Theorien offenbart. Der als Samuel Heinrich Gehirn geborene und in der DDR aufgewachsene Wissenschaftler hat sich in den letzten Jahren seines natürlichen Lebens nach und nach vom Ballast vieler bis dahin dem Sein zugesprochenen Dinge entledigt. Anfangs waren es noch normale Dinge:
- nach einem Verkehrsunfall trennte er sich von 2 Beinen.
- nach einem Chemieunfall in Bitterfeld vermisste er die Hälfte seines Gesichts und alle Finger der rechten Hand.
Er stellte jedoch fest, dass diese Verluste sein Sein in keinster Weise benachteiligte. Um die Sache zu beschleunigen unterzog er sich kybernetischer Veränderungen. Nach und nach tauschte er biologische Komponenten gegen mechanische aus, bis er nur noch ein in einer Nährlösung schwimmendes Gehirn war.
Die Geschichte wäre wahrscheinlich an dieser Stelle eigentlich zu Ende gewesen, weil sich die DDR zu dieser Zeit selbst von ihrem WIR SIND Bewustsein trennte und die kybernetische Forschungsabteilung in einem alten Bunker der Russen vollkommen in Vergessenheit geriet.
1300 Jahre später setze die Forschung jedoch wieder an, allerdings anders, als sich S.H. Gehirn sich das hätte vorstellen können. Sein Labor wurde Ziel einer archologischen Ausgrabung. Die Forscher, Experten auf dem Gebiet der Technik des ausgehenden 2. Jahrtausends, waren überrascht, in den verstaubten und dunklen Höhlungen ein noch recht aktives kybernetisches Wesen vor zu finden. Sie boten ihm an, eine Aufgabe in der für ihn neuen Welt zu übernehmen, die Beaufsichtigung eines Frachtschiffes (mehr Leistung traute man einem alten Gehirn nicht zu.). Herr Gehirn war dennoch begeistert. In den folgenden Jahren setze er seine Studien mit noch lebendem Plankton fort, was ihm weiter wichtig Erkenntnisse verschaffte. Einer der gravierensten Fehler seiner Forschungen in des war, dass er sein Gehirn, oder besser das Gehirn eines Wesen an sich als den Sitz des Seins verstand. Es liegt wohl an der Perspektive. Hätte er sich die Mühe gemacht, die Zellen seines Gehirns einzelnt zu befragen, hätte er die ultimative Antwort auf die Frage nach dem Sein erhalten. Aber sein Unterbewustsein war in der Frage ja schon vor Jahrtausenden zu einem schlüssigen Ergebnis gekommen: DU BIST, weil WIR SIND.
Jetzt fragen sich natürlich die geschätzten Leser, was dies alles mit dem Master of Clouds und der erzählten Geschichte zutun haben soll.
Nun, im Master of Clouds lebte WIR SIND. Diese einzelligen Wesen bevölkern die Hohlräume des Berges schon seit Anbeginn der 2. Schöpfung (eigene Mythologie). Sie hatten sich nie mit dem Konzept auseinander gesetzt, das zu der Entwicklung höherem Leben führt. Keine Gruppe der Zellen war je auf die Idee gekommen, für sie so unnützliche Spezialisierungen vorzunehmen, die in ihrer Folge zu Sehnerven, Tastsinnen oder einem Gehör geworden wären. Das hatte dann auch dazu geführt, oder besser, es hatte nicht dazu geführt, das aus dem einfachen und logischen WIR SIND, das unbefriedigende ICH BIN geworden wäre.
Und trotz allem war oder waren WIR SIND recht neugierig, was den außerhalb seiner oder ihrer Hemisphäre so los sei. Zu diesem Zweck saugten sie von unten alles an, was nur ging. Untersuchten es eingehend, aßen, was verdaulich war und schmissen es oben aus dem Berg wieder raus. Um es ganz genau zunehmen, WIR SIND Neugier beschreckte sich ausschließlich auf .
Bew Undert hielt sich krampfhaft am Steuerrad der Flying Dutchman fest, die sich in einem wirbelnden Zustand in mitten dieses lebendigen Innern befand. Umgeben von Wasser, Luft und allem, was dem Schlund des Loches im Meer nicht entkommen konnte, wurde sie immer höher oder tiefer hindurch gezogen, einem unbekannten Ausgang entgegen. Am Ende des Schlundes sah er Licht. Mit einer letzen gischtenden Woge wurde die Flying Dutchman hoch in den Himmel Ozeaniens geschleudert. Das Letzte, was Bew Undert sah, bevor er das Bewusstsein verlor, war ein Meer aus Wolken.
WIR SIND war überrascht. Zum ersten Mal hatte das, was bei anderen Wesen wohl als Mund zu bezeichnen wäre etwas angesogen, das er nicht essen, das er nicht durchdringen und das auch sonst keine wirklich angenehme Substanz war. Natürlich wusste WIR SIND, wo er war. Er war im Inneren von etwas, das keine wirklich angenehme Substanz war. Er wusste auch, dass 90% von dem, was sie ansaugten, nutzlose Substanz war, aber noch nie war diese so groß und doch so beweglich. Sollte es etwa noch andere WIR SIND außer ihnen geben?
Diese Frage löste in WIR SIND heftigste Debatten aus, die WIR SIND bis in die grundfeste ihres (seines) Glaubens erschütterten.