Hans Drechsel

Karl Hans Drechsel (* 21. März 1904 in Dresden; † 29. Dezember 1946 im Speziallager Ketschendorf) war ein deutscher Kommunalpolitiker der NSDAP. Er war Oberbürgermeister der Stadt Meißen.

Leben

Von Ostern 1918 bis 1924 besuchte Hans Drechsel die Fürsten- und Landesschule Meißen, wobei er eine der Freistellen der Stadt Dresden belegte.[1] Bereits während der Schulzeit publizierte er als Obersekundaner erste eigene Artikel, so auch einen kritischen Beitrag über seine Schule im Januar-Heft 1922 der Sportzeitung Sieg, der u. a. zu seinem vorzeitigen Abgang von dieser Schule führte. Nach dem Abitur an der Kreuzschule in Dresden arbeitete er zunächst bis 1927 als kaufmännischer Angestellter. Er studierte dann bis 1931 als Werkstudent Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten Leipzig und Tübingen.[2]

Von 1924 bis 1926 gehörte Hans Drechsel dem Wikingbund an. Er trat 1930 der NSDAP und der SA bei.[3] In Leipzig wurde er 1930 Kreisredner, 1932 Gauredner und 1933 Kreisschulungsleiter der NSDAP und war 1933 Mitglied der dortigen Stadtverwaltung. 1934 wurde er Bürgermeister in Markranstädt. Im November 1935 berief ihn der sächsische Reichsstatthalter Martin Mutschmann zum Oberbürgermeister von Meißen.[2] Als solcher war er am 2. Oktober 1936 an der Gründung des Heimatwerkes Sachsen in Dresden beteiligt, dessen Vorsitz Arthur Graefe übernahm.[4] Gleichzeitig war Drechsel auch als NSDAP-Kreisleiter in Meißen aktiv. In dieser Funktion hielt er u. a. am 31. Juli 1936, bekleidet mit einem weißen Sportdress, auf dem Marktplatz in Meißen eine Rede, als hier der Staffelläufer das olympische Feuer auf dem Weg nach Berlin dem nächsten Läufer übergab.[5]

Nach der deutschen Besetzung Polens im Zweiten Weltkrieg wurde Hans Drechsel noch im September 1939 Stadthauptmann von Piotrków (deutsch: Petrikau), das durch deutsche Luftangriffe stark zerstört worden war. Die Kreishauptleute verteilten den knappen Wohnraum um, indem sie für die jüdische Bevölkerung ein Ghetto schufen. Drechsel zwang zunächst 10.000 Juden in 182 Häuser mit 4.178 Räumen. Im März lebten, verursacht durch weitere Vertreibungen aus dem Umland, bereits 12.397 Menschen im Ghetto in Petrikau.[6] Im Oktober 1940 wurde er zum Stadthauptmann von Kielce ernannt.[3] Bereits im darauffolgenden Jahr erließ er eine Verordnung zur Einrichtung eines separaten Wohnviertels für Juden in Kielce, wohin diese alle bis zum Stichtag 5. April 1941 zwangsweise umziehen mussten. Am besagten Tag erklärte Drechsel dieses Wohnviertel zum Seuchenschutzgebiet, das streng von der Polizei überwacht wurde.[7] Ab Jahresmitte 1941 war Drechsel in Personalunion Kreishauptmann von Kielce.[3]

Anfang 1945 kam er wegen eines Dienststrafverfahrens in Haft.[3] Im April 1945 kehrte Drechsel nach Meißen zurück, ohne sein Amt als Oberbürgermeister wieder zu übernehmen. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges gelangte er in sowjetische Internierungshaft, in der er Ende 1946 im Speziallager Ketschendorf verstarb.

Familie

Hans Drechsel war verheiratet mit der Arzttochter Charlotte Emilie (Lotti), geborene Thiele. Das Paar hatte einen Sohn.[8]

Literatur

  • Rainer H. Thierfelder: Zeitpunkte. Menschen, Ereignisse und Gedanken zur eigenen Herkunft. 2014, S. 253ff.
  • Markus Roth: Herrenmenschen : die deutschen Kreishauptleute im besetzten Polen; Karrierewege, Herrschaftspraxis und Nachgeschichte. Wallstein, Göttingen 2009, ISBN 978-3-8353-0477-2.
  • Jonas Flöter: Eliten-Bildung in Sachsen und Preußen. Die Fürsten- und Landesschulen Grimma, Meißen, Joachimsthal und Pforta (1868–1933). (= Beiträge zur Historischen Bildungsforschung. 38). Böhlau, Köln 2009, ISBN 978-3-412-20319-1, S. 470ff.
  • Wolfgang Curilla: Der Judenmord in Polen und die deutsche Ordnungspolizei 1939–1945. Schöningh, Paderborn 2011, ISBN 978-3-506-77043-1, S. 526 f.

Einzelnachweise

  1. Jahresberichte der Fürsten- und Landesschule Meißen, 1918, S. 24 und S. 30.
  2. a b Jonas Flöter: Eliten-Bildung in Sachsen und Preußen. Die Fürsten- und Landesschulen Grimma, Meißen, Joachimsthal und Pforta (1868–1933). Köln 2009, S. 470f.
  3. a b c d Bundesarchiv, Institut für Zeitgeschichte, Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und Lehrstuhl für Geschichte Ostmitteleuropas an der Freien Universität Berlin: Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945: Polen September 1939 – Juli 1941, Band 4, Bearb. von Klaus-Peter Friedrich. 2011, ISBN 978-3-486-58525-4, S. 520, Fn. 4
  4. Elvira Werner: Mundart im Erzgebirge. 1999, S. 46.
  5. Diethard Hensel: Erster olympischer Fackel-Staffel-Lauf. Deutschland 31. Juli 1936. 2007, S. 88.
  6. Markus Roth: Herrenmenschen. 2009, S. 180.
  7. Wolfgang Curilla: Der Judenmord in Polen und die deutsche Ordnungspolizei 1939–1945. Paderborn 2011, S. 526.
  8. Rainer H. Thierfelder: Zeitpunkte. Menschen, Ereignisse und Gedanken zur eigenen Herkunft. 2014, S. 253f, 258f.