Activa
Der folgende Artikel ist ein Satire-Artikel. Es kann sein, dass er nicht ganz ernst gemeinte Aussagen enthält. Es kann aber auch sein, dass der Artikel irgendeine tiefgründige Botschaft vermitteln möchte.
Activa ist nach Analogkäse und Gen-Gemüse die neueste Innovation in der Lebensmittelindustrie. Laut Hersteller handelt es sich um einen "Biokatalysator, der einzelne Fleischreste zu standardisierten Fleischprodukten transferieren kann. Selbstverständlich in hoher Qualität und garantiert ohne Nebenwirkungen". Für Verbraucherschützer hingegen wirkt dieser Fleischkleber wie ein weiteres Teufelswerk der gewinnorientierten Industrie.
Inhaltsverzeichnis
Allgemeines
Die Inspiration für dieses Verfahren stammt vermutlich aus der Milchwirtschaft. Hier werden aus menschlichen Fäkalien probiotische Bakterien gewonnen, in Molkereierzeugnisse eingeschleust und als „Unterstützung für die Darmflora“ vermarktet. Auch wenn die Effekte für die Konsumenten eher bescheiden ausfallen, den Produzenten bringt es dennoch Umsätze in Millionenhöhe. Das ließ man sich in der Fleischindustrie nicht zweimal sagen und die Unternehmen suchten daher nach einer Möglichkeit "Aus Abfall Geld zu machen" – nur sollte man diesen Tonfall gegenüber der Öffentlichkeit tunlichst vermeiden.
Fleischreste, die nicht mehr zum Verzehr freigegeben werden konnten, sei es als Nebenprodukte bestimmter Schnitttechniken in Metzgereien oder weil sie aus anderen Gründen nicht mehr verkäuflich waren, sollten nun gewinnbringend aus den Kühllagern verschwinden. Doch die Suche nach einer geeigneten Lösung war sehr schwierig. In Sozialmärkten, die nur von Beihilfeempfängern betreten werden, erkannte man kein Potenzial. Die Abfälle zu Mehl verarbeiten und diese an Kühen zu verfüttern führte in der Vergangenheit zu BSE. Und das Mittel „Anabolika“, das ursprünglich zur Schweinemast konzipiert wurde, ist bereits ein Monopolist in der Bodybuilding-Szene. Die Antwort fand man schlussendlich im Recycling, denn altes zu neuem transferieren (oder zumindest als solches zu verkaufen) sollte heute keine Kunst mehr sein.
Verarbeitung
Im asiatischen Raum hat sich diese Form der Wiederverwertung bereits Ende der 1980er Jahre durchgesetzt und ist dort im Lebensmittelhandel zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Ein Patent gibt es dafür auch schon und zwar mit dem höchst anspruchsvollen Namen „Activa“. Das passt gut in die moderne Zeit, denn momentan wird der Begriff „aktiv“ fast überall verwendet, sogar bei Staubtüchern oder auch bei Waschlotionen.
Alles, was für Activa benötigt wird, ist ein Enzym namens Transglutaminase, der Trägerstoff Maltodextrin und ein zweckkonformes Schweineprotein als geheime Zutat. Hat man diese Bestandteile kräftig vermischt, entsteht daraus ein weißes „Biopräparat“, das nur darauf wartet, in der Industrie seinen Dienst zu verrichten.
Die genaueren Prozesse von diesem Verfahren hatte man lange Zeit der Allgemeinheit vorenthalten. Daher haben sich vor kurzem deutsche Reporter als europäische Investoren bzw. Geschäftskunden ausgegeben, um beim japanischen Hersteller mehr Eindrücke zu gewinnen. Anscheinend fielen die Manager auf diese Maskerade herein, denn nur so konnte man hinter das Erfolgsrezept kommen. Hier kann man nun "exklusive" Bilder der Verarbeitung betrachten.
1. Schritt: Nachdem sie sich in einem Versuchsraum begeben, müssen die Wissenschaftler das Verfahren in einem „repräsentativen Rahmen“ durchführen. Sie nehmen dafür ein dünnes Wurstblatt, das vom Fleisch eines Wales stammt. Dieser, so versicherte man die Reporter ganz nebenbei, wurde nur auf „natürlichem Wege“ gefangen – das MSC-Siegel auf der Verpackung sollte der Beweis dafür sein. Aber zurück zum Experiment: Die Japaner legen das Wurststück vorsichtig in einen dafür vorgesehenen Behälter und zerschneiden es fachgerecht.
2. Schritt: Die Angestellten versuchen nun, mit Pinzetten das weiße Pulver auf die Stücke zu geben. Denn kein Körnchen zuviel darf für diesen Zweck verbraucht werden, schließlich kostet die Herstellung einen Haufen Geld. Nach der Prozedur wird der Behälter verschlossen, in einem Spezialofen gestellt und bei exakt 45° Celsius für eine Stunde darin aufbewahrt. Zur Tarnung wird das Präparat in einem Salztiegel gestellt. So sorgt man dafür, dass keine Industriespione den wahren Lagerort ausfindig machen. 3. Schritt: Die Mitarbeiter öffnen den Ofen und stellen den Behälter auf den Experimentiertisch. Beim Abnehmen des Deckels entweicht ein schwarzer Dampf samt diabolischem Gestank und das unvorhergesehene Resultat wird Wirklichkeit. Die Enzyme haben die einzelnen Teile „aktiv“ zusammengefügt und das Wurstblatt ist wieder zu einem ganzen Stück geworden. Das konnten die Reporter beim Dreh fast nicht realisieren. Dem Kameramann fiel sogar die Kamera aus der Hand, so perplex war er.Das ist es also, das Konzept von Activa. Eine Art „Kleister“ für jene Fleischabfälle, die nun u.a. zu schmackhaften Steaks und Koteletts recycelt werden sollten. Na, wenn das mal nicht gewinnbringend einzusetzen ist!
Vertrieb und Vermarktung
Um den europäischen Markt mit dem Produkt zu beglücken, errichtete der Hersteller vor einigen Jahren still und heimlich eine Zentrale mit Sitz in Deutschland, was die Fleischindustrie natürlich begrüßte und es entstand ein Branchenverband, bei dem auch der Handel ordentlich mitmischte. Die Konsumenten konnten sowieso keinen Verdacht schöpfen, wenn sie den verklebten Brei in der Annahme kauften, dass es sich hier um ein „ganzes“ Stück handelt.Produzenten von Fertiggerichten wurden als erste Zielgruppe mit dem verkleisterten Fleisch beliefert. „Gute“ und vor allem günstige Rohstoffe sind wohl die wichtigsten Faktoren bei der Herstellung. Den Abnehmern z.B. Altersheimen, dem Roten Kreuz und diversen sozialen Organisationen ist es sowieso egal, was sich in den Alu-Schalen befindet. Aufgrund ihres verkümmerten Geschmackssinnes würden Rentner und ältere Patienten die (chemischen) Bestandteile nicht mehr herausschmecken und sich daher auch nicht beschweren (warum dann extra für Senioren „milde Gerichte“ hergestellt werden, wird wohl immer ein Rätsel bleiben).
Da die Metzgereien zwar wenig Abfälle zum Verschreddern, jedoch eine hohe Verkaufsmenge zu verbuchen hatten, entstand die Befürchtung, dass das Finanzamt eine enorme Quote auf das Produkt kassieren werde. Diskrete Verteilungsaktionen waren erforderlich. Manchen Unterstufen-Schulen wurden daher Kostproben inkl. Werbematerial und Imagefilme über die Lebensmittelverarbeitung zur Verfügung gestellt. Den Aspiranten der Sonderschulen versicherte man hoch und heilig, dass die Kühe sogenannte “Büffel-Akademien“ besuchten. Sowohl Schüler, Eltern als auch Lehrer glaubten diesen Unfug, denn Sponsoren würden doch nie zu deren eigenen Gunsten schwindeln.
Natürlich gibt es noch weitere Abnehmer und Kunden, die entweder direkt oder indirekt Activa in irgendeiner Form verarbeiten und verkaufen. Aber da sich das Ganze in den Kühlregalen der Supermärkte abspielt, wird wenig an die Öffentlichkeit dringen. Geheimnisvoll und doch verkaufsstark, so sollte die Wirtschaft funktionieren.
Kontroverse oder auch „Der steinige Weg zur Legalität“
Als Konsumentenschützer Wind von der Sache bekamen und diesbezüglich Nachforschungen anstellten, musste das zwielichtige Branchenbündnis dieses Problem beseitigen. Marketingstrategen wurden in dunkle Räume eingesperrt und durften, wie bei der Papstwahl, erst nach einer Lösung wieder freigelassen werden.
So kam man schließlich auf die glorreiche Idee, offiziell Interessensgemeinschaften zu gründen und dadurch abersinnige Gütesiegel zu konzipieren. Ein grinsendes Schwein, eine freudige Ziege oder ein glückliches Kalb mit der Aufschrift „Alles ÖKO, alles OK“ soll die Käufer vorerst vom Zutatenverzeichnis ablenken.
Aber die „Fleischlobby“ zeigte sich gnädig kooperativ (man wolltet ja das Zeug weiterhin verkaufen) und vereinbarte im Herbst 2011 mit den Vertretern der Regierung und diversen Verbraucherorganisationen ein geheimes Treffen. Schlussendlich kam man auf den zufriedenstellenden Konsens, dass die Bestandteile von Activa nicht als Zutat deklariert werden müssen und deswegen im Zutatenverzeichnis nicht mehr zu erscheinen haben. Hingegen sollten die irreführenden Logos (wie oben erwähnt) entfernt werden. Die Begriffe „Stabilisatoren“ und „Verarbeitungshilfsstoff“ durfen weiterhin bleiben, unter der Vorraussetzung, dass sie fett markiert werden. "Wenn die Verbraucher nicht lesen können, was auf den Verpackungen draufsteht, sind sie halt selber schuld. Das wäre in etwa so, als wenn man bei roter Ampel über die Straße geht.", meinte ein Sprecher bei der Präsentation des Ergebnisses. Und nachdem die anderen EU-Staaten Deutschland wie immer als meinungsführendes Land betrachten, wurde dort auf ähnliche Weise eine Vereinbarung getroffen.
Ein weiteres Mal ist die Geschichte für alle Beteiligten wieder gut ausgegangen - Mit Ausnahme der Konsumenten, aber die sind mittlerweile an so manche fragwürden Speisen gewöhnt.
Der guten Ordnung halber werden hier nun weitere Ereignisse und nutzlose Fakten der Kontroverse chronologisch aufgezählt. Wobei es wieder einmal Nörgler geben wird, die meinen, dass die dargestellten Fragmente mit einer lyrischen "Prise Activa“ behandelt werden sollten.
- Bei Bekanntwerden des sagenumwogenen Präparates wurde in einigen Medien und seien sie auch noch so für Qualität berüchtigt, von „Mogelfleisch“, „Kleberbuletten“ und sogar von „Frankensteinkoteletts“ berichtet.
- Da es genügend „Geistesriesen“ unter der Bevölkerung gab, läuteten ständig die Telefone im Gesundheitsministerium. Die Mitarbeiter mussten sich wichtigen Fragen wie „Schmeckt mein Fleisch nun nach Uhu-Klebstoff? oder „Macht mich mein Schnitzel nun zu einem Zombie?" stellen. Neben der Informationsknappheit sorgte auch der Personalmangel für lange Wartezeiten in der Telefonwarteschleife. Das lag weniger am Burnout mancher Beamter, als vielmehr an Einsparungen in der Verwaltung (obwohl alles bekanntlich "effizienter" wird...).
- Sowohl der Hersteller als auch Handel und die Industrie produzierten Radiospots und annoncierten in Zeitungen, um die Bevölkerung von „höchster Wertschöpfung“, „natürlicher Vernetzung“ und von „hoher Stabilität“ im Fleisch zu informieren.
- Gleich darauf versammelten sich radikale Mitglieder der Grünen, die anscheinend sonst nichts zu tun hatten, vor dem Firmengebäude des Herstellers. Dort klebten sie aus Protest Fleischstücke mit Tesafilm zusammen und warfen sie gegen das Eingangstor. Aufgrund der Lebensmittelverschwendung wurden sie jedoch am Ende von der Polizei abgeführt.
- Manche Fernsehanstalten erkannten das Potenzial dieser Kontroverse und veranstalteten einige Talkshows zu dem Thema. Die Gästeliste bestand meistens aus einem Vertreter der Fleischindustrie, einem aus dem Handel, einem Aktivisten von Global2000, einer Sprecherin von einer Verbraucherschutzorganisation und dem obligatorischen "Wurstbürger". Letzteren brauchte man unbedingt als Repräsentanten des prekären Volks und für die Zuschauerquoten.
- Einige Zeit später der nächste mediale Streich: Gewöhnliche Chemiker, dargestellt als „Nahrungsmittelexperten“, verlautbarten, dass das Enzym Transglutaminase nicht gefährlich sei. Es käme in jedem Lebewesen vor und sorge für den Zusammenhalt aller Zellen im Körper. „Ansonsten würde man noch als Untoter oder als Leprakranker durch die Gegend laufen." (Gegen diesen Ausspruch protestierten wiederum Vereine von Leprakranken und organisierten rechtzeitig Kundgebungen. In der Angst, dass sich die Mitgliederzahlen noch "auflösen" würden)
- Andere Experten sprachen davon, dass Hackfleisch auch „nur“ aus Teilen zusammensetzt wird und dass sich heute keiner mehr darüber aufregt. Dass diese Teile eigentlich auch aus Rückständen bestehen und maschinell mit anderen Substanzen zusammengedrückt werden, wird aber gerne außer Acht gelassen.
- Ganz findige Journalisten beschafften sich seriöserweise Informationen von Google, indem sie einfach „Activa“ eingaben. Aber bis zu diesem Zeitpunkt wurde immer wieder ein ähnliches Produkt als Ergebnis herausgespuckt. Bei der Eingabe „Activa Fleisch“ sah die Sache schon anders aus. Es kamen Links zu einem Katzenfutter gezeigt und wie die Katzen dort hinein verarbeitet wurden. Na egal, jedenfalls erscheint beim zehnten Vorschlag die Seite des Herstellers, über den man nun viele Lügengeschichten erfinden konnte und der gab sogar stolz zu, dieses Produkt zu vertreiben - da hatte er es scheinbar auch nicht anders verdient.
Weitere Konzepte
Auch für die Milchwirtschaft wird bereits an einer eigenen Variation herumgeschraubt. Die Substanz soll neben Joghurt auch anderen Laktoseerzeugnissen beigemischt werden, um, im Gegensatz zu dem ähnlich klingendem Produkt, die Darmfauna zu stärken. Gerüchten zufolge zeigt das US-Militär bereits Interesse an dieser Innovation. Anscheinend sind Atombomben nicht mehr in Mode und so möchte die Rüstungsindustrie nun verstärkt auf biologische Waffen setzen.
Aber auch an die Unternehmen in der Fischverarbeitung wurde gedacht, und so wird ein eigenes Activa (als Konkurrenzprodukt zum Marktführer "Surimi") dafür sorgen, dass weniger frische Fische nicht mehr am Kopf zu stinken beginnen. Einige Wasserrestaurants begrüßen dieses Konzept und haben auch schon bei speziellen Zulieferern größere Bestellungen aufgenommen. Man darf auf die Ergebnisse gespannt sein.