St. Johannis (Memel)

St. Johannis

Die Kirche St. Johannis (litauisch Šv. Jono bažnyčia; auch Deutsche Kirche, Stadtkirche) war eine evangelische Kirche in Memel (Klaipėda) in Ostpreußen und Litauen von 1258 bis 1944. Es gab verschiedene Kirchengebäude an mehreren Standorten.

Geschichte

Siegel des Komturs von Memel 1409, mit Türmen bzw. Kuppel von St. Johannis, St. Marien und St. Jakobus (von links nach rechts)
Memel vor 1686, mit St. Johannis (ganz links)

Am 27. Juli 1258 wurde die Kirche St. Johannis von Burkhard von Hornhausen zur Pfarrkirche ernannt. Sie wurde der etwas älteren Nikolaikirche als Tochterkirche unterstellt. Der erste Standort ist unbekannt. Es wird vermutet, dass sie in der Vorburg der Ordensburg Memel gelegen haben könnte und später weiter östlich verlegt wurde. Die Johanniskirche war für die deutschen Bewohner der Burg und der Stadt Memel, die Nikolaikirche für die prußischen und kurischen Bevölkerung zuständig.

Um 1525 wurde sie wie alle Kirchen im Herzogtum Preußen evangelisch. 1540 brannte die Kirche nieder und wurde danach wieder aufgebaut. Von 1630 wurde ein erneuter Neubau überliefert. Nach der Zerstörung von 1678 wurde die Kirche von 1696 bis 1706 an einem neuen Standort in der späteren Marktstraße neu erbaut.

Beim Stadtbrandt von 1854 wurde die Kirche erheblich beschädigt und danach nach Plänen von Friedrich August Stüler wieder aufgebaut. Die Herstellung der Giebel und Türmchen über den Seitenschiffen soll von Friedrich Wilhelm IV. persönlich veranlasst worden sein. Ab 1858 war sie Stadtkirche für alle Bewohner Memels, unabhängig von ihrer Sprache, die Nikolaikirche wurde Landkirche für die umliegenden Dörfer.

Auch nachdem die Stadt Memel seit 1919 zum neuen litauischen Staat gehörte, blieb die Kirchengemeinde überwiegend deutsch.

1944/45 wurde die Kirche zerstört und danach die Ruine abgetragen. Im Jahre 2012 wurde der Grundstein für den bisher nicht begonnenen Wiederaufbau der Kirche gesetzt. Die heutige evangelisch-lutherische Gemeinde nutzt ein ehemaliges Wohnhaus in der Turgaus gatve 24 in der Nähe der ehemaligen Kirche.

Standort der Kirche mit dem heutigen Kirchengebäude im Hintergrund
Grundstein der Kirche, im Hintergrund die Grundrisshecke und hinten links die Glocke

Von 2002 bis 2012 fanden archäologische Ausgrabungen am Standort der Kirche des 16. und 17. Jahrhunderts statt, bei denen ein Friedhof mit zahlreichen Gräbern freigelegt wurde.

Architektur und Ausstattung

Altar

Das Kirchengebäude von 1859 war eine dreischiffig gewölbte Hallenkirche. Die Giebel und Türmchen über den Seitenschiffen soll von König Friedrich Wilhelm IV. persönlich veranlasst worden sein.

Er stiftete auch das Altargemälde von Friedrich August Bouterwek Christus auf dem Ölberge. Die kostbaren Holzskulpturen auf beiden Seiten des Altars stellten Jesus Christus und Mose dar und stammten von Jakob Alberty.[1] Die Vollendung des 75 m hohen Turmes wurde erst durch das Vermächtnis eines Bürgers ermöglicht. An der Außenseite des Turmes erinnerte eine Terracottafigur an den in Memel geborenen Dichter Simon Dach.

Pfarrer

Die Johanneskirche gehörte seit der Reformation bis 1919 zur evangelischen Kirchenprovinz Ostpreußen, danach zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Litauen.

  • 1529: Stentzel[A 1]
  • 1536: Wolfgang (oder Wolff) Krautmüller
  • 1567: Zacharias Krautmüller
  • 1579: Adam Hübner
  • 1591: Michael Peseritius (oder Peserick)[A 2]
  • 1595: Magister Joachim Neresius[A 3]
  • 1621–1647: Magister Matthäus Cörber[A 4]
  • 1647–1673: Christoph Praetorius[A 5]
  • 1673–1696 Magister Christoph Schultz[A 6]
  • 1696–1712: Magister Jacob Concius[A 7]
  • 1712–1741: D. Johann Arnold Pauli[2][A 8]
  • 1741–1783: Christian Nicolaus Wolff[A 9]
  • 1783–1798: Andreas Leppach[A 10]
  • 1798–1831: Victor Sprengel[A 11]
  • 1831: Carl August Rättig
  • 1832: August Wilhelm Eduard Siehr[A 12]
  • 1861: Wilhelm Harbrucker
  • 1900–1911: Friedrich Wilhelm Hermann Oloff[A 13]
  • 1911: Friedrich Brausch[A 14]
  • Otto Obereigner
  • 1938–1944/45: Konsistorialrat Ernst Ribbat[A 15]
  • Erich Riedesel
  • Alfred Blaesner

Weblinks

Commons: St. Johannis (Memel) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Alberty, Jakob. In: Ulrich Thieme, Felix Becker (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 1: Aa–Antonio de Miraguel. Wilhelm Engelmann, Leipzig 1907, S. 226 (Textarchiv – Internet Archive).
  2. Arnold Pauli (Memento desOriginals vom 9. Januar 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/lorenz.st

Anmerkungen

  1. Als ehemaliger Ordenspriester war Stentzel zuerst Pfarrer in Sehesten, Kreis Sensburg. Da er der polnischen Sprache nicht mächtig war, wurde er im November 1529 nach Memel versetzt.
  2. Peseritius kam aus Bartenstein, zuerst Diakonus der Stadtkirche, dann seit November 1589 Diakonus im Löbenicht zu Königsberg, ging 1591 als Pfarrer und zugleich als erster Erzpriester nach Memel und starb 1595. Die Memeler Inspektion (Superintendentur) erstreckte sich bis Ruß, Schakuhnen und Karkeln.
  3. Neresius aus Stolp in Pommern, war in Königsberg seit 1583 Pedell, seit 1586 Subinspektor der Alumnen und 1587 dort Magister geworden. 1589 wurde er Diakonus der Stadtkirche und 1595 Pfarrer und Erzpriester. Er starb am 10. März 1621.
  4. Cörber aus Iglau/Mähren, +1647. Wurde 1603 Pfarrer in Powunden, 1614 Diakonus in Memel, 1621 Erzpriester in Memel.
  5. Christoph Praetorius war Vater von Matthäus Prätorius, geb. 1601 in Schwedt, gest. 21. August 1673. Er war 4 Jahre Feldprediger der schwedischen Truppen während deren Besetzung der Stadt Memel, erwarb sich in dieser Zeit das Zutrauen und die Achtung der Memeler Bürger, die ihn 1631 zum Diaconus wählten. Er heiratete die Tochter Cörbers und wurde 1647 sein Nachfolger
  6. Schultz geb. 5. April 1636 Königsberg, gest. 13. Mai 1696. Wurde 1657 in Rostock Magister, 1659 Diakon.
  7. Concius * 25. Juli 1667 Königsberg; † 30. Juli 1712. Magister in Dorpat.
  8. Pauli * 21. Februar 1682 Johannisburg; † 13.3.1741.1703 Rektor in Johannisburg, 1705 Feldprediger bei Feldmarschall von Steinau, 1708 Hofprediger des russ. Fürsten Menczikoff, tätig bei der luth. Gemeinde St. Petersburg, 1712 theol. Doktorgrad in Frankfurt/Oder und Erzpriester in Memel
  9. Wolff * 29. Oktober 1714 Altbrandenburg; † 7. März 1783. 1739 Kadettenprediger zu Berlin und Vize-Feldprobst.
  10. Leppach * 5. Dezember 1737 Marggrabowa; † 18. März 1798. War 11 Jahre Feldprediger, dann Adjunkt von Wolff.
  11. Sprengel * 1763 Vorpommern; † 1. April 1831. Seit 1790 Feldprediger. Ab 1798 Pfarrer und Superintendent in Memel.
  12. Siehr * 7. August 1798 Tilsit; † 15. Juni 1855 Bad Ems. Wurde 1832 Superintendent.
  13. Oloff *1837, Pfarrer und Superintendent
  14. Brausch *1860. 1886 Pfarrer in Rautenberg, 1896 in Kinten, ab 1911 Pfarrer und Superintendent in Memel.
  15. Ribbat * 1882 Ragnit; † 11. August 1962 Berga. War zuvor Pfarrer in Prökuls, Kairinn, Saugen und an der Jakobuskirche Memel.

Koordinaten: 55° 42′ 34,5″ N, 21° 8′ 12,1″ O

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Komtursiegel Memel (1409).jpg
Das Komtursiegel von 1409 symbolisiert die drei ältesten Memeler Kirchen: Stadtkirche St. Johannis (links), Burgkapelle St. Marien (Mitte), Landkirche St. Nikolai (rechts). St. Marien hatte keinen Turm, sondern nur eine Kuppel. Beachtenswert ist, dass das Siegel auch die Lage der Marienkirche tief unten am Haff zeigt, während die beiden anderen Kirchen weiter landeinwärts dargestellt werden.
StJohannesMemelGrundstein.JPG
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Grundstein der Johanneskirche von Memel, im Hintergrund die Grundrisshecke und hinten links die Glocke
Sv Jono banzycios vieta-Klaipedoje2016.JPG
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