Franz Sebastian Voillard

Voillards Gießerwappen
Die sechs Glocken der evangelischen Peterskirche in Nürnberg

Franz Sebastian Voillard (auch Franziskus Sebastian Voillard, Franziscus Voillard, Franciscus Voillard; geb. vor 1638; gest. nach 1690) war ein aus Lothringen stammender Glockengießer des 17. Jahrhunderts in Frankfurt (Oder), dessen nachweisbare Tätigkeit zwischen 1638 und 1683 liegt.

Leben

Die genauen Lebensdaten Voillards sind nicht bekannt. Er gehörte zu den zahlreichen französischen Gießern, die in der Zeit nach dem dreißigjährigen Krieg, meist als wandernde Meister, den erheblichen Bedarf an neuen Glocken deckten.[1] Diese Wandergießer gossen ihre Glocken am Auftragsort und kehrten im Winterhalbjahr zu ihren Familien zurück. Franz Sebastian Voillard ließ sich aber nachweislich in Frankfurt (Oder) nieder und erwarb dort das Bürgerrecht. 1683 wohnt er in der Junkerstraße 13. Voillard wurde der Hauptmeister des Frankfurter Glockengusses.

Gestaltung der Glocken

Die Glocken der lothringischen Tradition lassen sich allein schon durch ihre reiche Gestaltung von denen der einheimischen Glockengießer unterscheiden. Die meisten der Glocken Voillards sind aber auch signiert. Auf der Mittelglocke der Oberkirche St. Nikolai in Cottbus lautet die Inschrift: Franziscus Voillard natione Gallus civis Frakof. me fecit. Charakteristisch als Glockenschmuck sind die Darstellung der Kreuzigung mit Maria unter dem Kreuz und einem Engel am Fuß des Kreuzes und die Darstellung Marias als Himmelskönigin auf der Mondsichel mit Krone, Zepter und Weltkugel, außerdem das Gießerwappen mit den Buchstaben F und V. Naturblattabdrücke sind offenbar ein weiterer charakteristischer Teil des voillardschen Gestaltungsschemas. Dem Meister wurde der Guss ganzer Geläute und auch sehr großer Glocken anvertraut. Seinem Wappen fehlt das Geschützrohr als Zeichen für den von den Gießern dieser Zeit oft auch vorgenommenen Stückguß (Kanonenguß).[2] Von seinen 50 nachweisbaren Glocken haben circa ein Dutzend die Zerstörungen und Einschmelzungen der Kriege überlebt.[3]

Übersicht der Glocken

OrtGebäudeFotoJahrØ in mmGewicht in kgNominalGlockenzier und
Inschriften
BloischdorfDorfkirche St. Josef
Glocke Bloischdorf
1663565
oder
567
100e2Haube Strahlenkranz auf der Oberplatte, Stufe zur Unterplatte, auf der Unterplatte je ein Blattabdruck visavis Hals zwei umlaufende Stege, dazwischen Rankefries, darunter drei Stege mit Schriftbändern, Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger, NICOL VON SEIDLITZ INHABER DES GUTHS PLASDORFF, Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger, HANS HARBURT VON MANDESLOW EINGEPFARTER ANNO 1663, zwischen zwei Rundstegen ein Schuppenband Flanke Avers: Relief Kruzifix mit Maria am Fuße des Kreuzes, Revers: Maria mit Kind, Gießersiegel, darüber Engelskopf mit untergeschlagenen Flügeln, links F, rechts V, darunter Stern, Engelskopf, links H, rechts B Wolm vier Doppelstege begleiten einen Ring Schlagring feiner Steg
CottbusOberkirche St. Nikolai167116452880e1 −3Stadtwappen, Kreuzigungsgruppe und Madonna mit Kind
CottbusOberkirche St. Nikolai167114802070des2 +2Mondsichelmadonna, Kreuzigungsgruppe
CottbusStadthaus Erich-Kästner-Platz 1, ehemalige Stundenglocke vom Turm des Alten Rathauses Cottbus, 1945 schwer beschädigt[4]
Stundenglocke des Alten Rathauses Cottbus
1671Inschrift: JUDITH XIII CONFIRMA ME DOMINE DEUS ISRAEL ET RESPICE IN HAC HORA AD OPERA MANUUM MEARUM * ANNO DOMINI MDCLXXI DIE GUTTE DES HERREN IST ALLE MORGEN NEW IN KLAG LIEDER IEREM III CAP
LieberoseStadtkirche1653856[5]
NürnbergPeterskirche1653725239c2[6]
PeitzStadtkirche1663[7]
HerrenbergStiftskirche Glockenmuseum1659930528b1 −1ANNO 1659 DIE I OCTOB FUSA EST CAMPANA AD DIE TER OPI MAX GLORIAM B(eatae) V(irginis) M(ariae) & S IOANNIS BAPT HONOREM SUB PAROCHO MARTINO FRAN MORHOLTZ D(e) HEREDITARIA ILL BARBARA KITZLITZIN NATA ZEDLETZIN ECCL TUTORIBUS MARTINO BRUNTZEL & GEORGI REO(r?)SE FRANCISCUS VOILLARDI ME FECIT[8]
Frankfurt (Oder)Nikolaikirche1673[9]
Frankfurt (Oder)Nikolaikirche1674[9]
Schmiedeberg (Angermünde)Dorfkirche1661[9]
BarnewitzDorfkirche1662[10]
WürselenSt. Willibrord1659[11]
Karby (Morsø Kommune)Kirche16381010En l’an 1638 sous le gouverneur George Seefeld et M. Christian Hans evesque et M. George Nicola curé en l’eglise Karebye m’ont faict fondre par M. George Hans de Aarhus et Francois Voillardde en France. Margeillier(!): IPM[12]
Karby (Morsø Kommune)Kirche1638820I Aar 1638 under Jørgen Seefeld Lensmand oc Tomes Kaas til Ørndrup, M. Christen Hansen Biscop, M. Jørgen Nielsen Sognpræst til Karby er denne Klocke støbt til Karby Kiercke af M. Jørgen Hansen i Aarhus och M. Frantz Voillard aff Franckerig. Kierckeverge IP og MA[12]
Schmiedeberg (Angermünde), Glocke hing früher in Breesen - Großkirschbaum (Oststernberg).Kirche1661680166Glockenzier: Über der vierreihigen Schrift Lilienfries, unter ihr schmale Girlande mit vier gleichen Jünglingsfiguren in Rankenwerk; am langen Feld große Kreuzigung mit Maria und Magdalena, Maria auf der Mondsichel mit Krone, Zepter und Weltkugel, Gießerwappen mit den Buchstaben F. V., auf der anderen Seite der dazu gehörige Engelskopf mit untergeschlagenen Flügeln, einzelne Buchstaben neben den Reliefs FBV - FG - HP - FV, ganz oben an der Glocke befinden sich 9 Abdrücke echter Blätter, davon 6 paarweise; in der Schrift als Richtungsweiser zwei Unterarme in Stulpenhandschuhen mit ausgestreckten Zeige- und Mittelfingern. Inschrift in römischen Buchstaben: Herr Johann Friedrich Freiherr von Loben C. B. Geheibter Rat Commendator zu Lagow, H(err) Peter Ernst Ludewig Hauptman, H(err) Bartholomeus Schmit Hans Seischner Schnitze, Michael Schmekke (?) Kirchenvorsteher in Kirschenbaume Ano 1661 Franciscus Voillard me fecit.[13]

Literatur

  • Felix Wolf: Die Glocken der Provinz Brandenburg und ihre Gießer, Der Zirkel Architekturverlag, Berlin 1920.
  • Hans-Georg Eichler: Glockengießer in Städten des ehem. Regierungsbezirkes und heutigen Bezirkes Frankfurt/Oder. Ein Beitrag zur Denkmalpflege, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 31, 1980/81.

Einzelnachweise

  1. Felix Wolf: Die Glocken der Provinz Brandenburg und ihre Gießer. Zirkel Architekturverlag GmbH, Berlin 1920, S. 29.
  2. Hans-Georg Eichler: Glockengießer in Städten des ehem. Regierungsbezirkes und heutigen Bezirkes Frankfurt/Oder. Ein Beitrag zur Denkmalpflege. In: Eckart Henning, Werner Vogel (Hrsg.): Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte. Band 31, Nr. 1980/81. Berlin 1980, S. 111.
  3. Klaus Hammer: Der Wandergießer Franciscus Voillard und die Zeichenglocke. In: Bausteine 41. Informationen des Vereins zur Erhaltung der Stiftskirche Herrenberg e.V. Nr. 41, 2014, S. 3 (foerderverein-stiftskirche-herrenberg.de [PDF; 2,6 MB]).
  4. Damals war's: Glocke stürzte beim Brand 1945 ab. In: Der Märkische Bote. Abgerufen am 10. Juni 2019.
  5. Michael Schulz: Lieberoser Kirchenglocke auf dem Weg nach Bayern. In: lr-online.de. 17. September 2009, abgerufen am 22. Mai 2019.
  6. Nürnberg (N) Die sechs Glocken der evangelischen Peterskirche (Turmaufnahme) - YouTube. In: youtube.com. Abgerufen am 22. Mai 2019.
  7. Peitz, Markt 1 a - Deutsche Digitale Bibliothek. In: deutsche-digitale-bibliothek.de. Abgerufen am 22. Mai 2019.
  8. Zeichenglocke. In: glockenmuseum-stiftskirche-herrenberg.de. Abgerufen am 22. Mai 2019.
  9. a b c HIDAweb BLDAM Brandenburg: Suche. In: ns.gis-bldam-brandenburg.de. Abgerufen am 22. Mai 2019.
  10. Dorfkirche Barnewitz - Urlaub mit Boot und Rad im Havelland und Brandenburg nahe Berlin. In: westhavelland.de. Abgerufen am 22. Mai 2019.
  11. Norbert Jachtmann: Glocken in der Region Aachen-Land. (PDF; 3,17 MB) In: bistum-aachen.de. 23. November 2018, S. 217, abgerufen am 22. Mai 2019.
  12. a b Danmarks Kirker. Band XII, 1941, S. 833–846 (dänisch, natmus.dk [PDF; 2,8 MB]).
  13. Gerhard Küchler, Werner Vogel (Hrsg.): Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte. Band 17. Berlin 1966, S. 105 (hu-berlin.de [PDF; 14,4 MB]).

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Glocke Bloischdorf Franz Voillard 2.jpg
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Glocke im Turm der Kirche St. Josef in Bloischdorf
Stundenglocke Altes Rathaus Cottbus.jpg
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Stundenglocke des alten Rathauses Cottbus, gegossen 1671, bis 1945 im Rathausturm, beim Brand des Rathauses Schwer beschädigt
Nürnberg (N) Die sechs Glocken der evangelischen Peterskirche (Turmaufnahme).webm
(c) glockenzeit, CC BY 3.0
Im Turm der Peterskirche im nach ihr benannten Nürnberger Stadtteil befindet sich ein sechsstimmiges Glockengeläute, welches auf zwei Glockenstuben verteilt ist. In der unteren Stube hängen übereinander die größte und drittgrößte Glocke, sie wurden genauso wie die Glocken 2 und 4 erst nach dem Zweiten Weltkrieg zur Wiederherstellung eines Geläutes angeschafft. Alle Kriege überstanden hat nur die Friedensglocke, sie stammt noch aus der Erbauungszeit der Kirche und musste den Turm nicht verlassen. Neben ihr befindet sich die historische Leihglocke aus Lauchstädt, welche ihren Weg nach dem Zweiten Weltkrieg in den Kirchturm von Sankt Peter fand und im Normalfall allerdings nicht mit den anderen Glocken gemeinsam geläutet wird. Insgesamt ergibt sich ein recht klangvolles und einzigartiges Gesamtgeläute der vier großen Euphonglocken und beiden Bronzeglocken. Lediglich die Klangabstrahlung nach außen lässt zu wünschen übrig, da die Glocken der unteren Stube wie anfangs im Video zu hören doch stark hervorstechen. Dies hängt sicher auch mit dem niedrigen Läutewinkel der kleinsten Glocken zusammen. Im Geschoss zwischen den Turmstuben mischt sich allerdings das gesamte Geläute erstaunlich gut.

Gl. 1 | Kommet | cis' | 1719 kg | 1480 mm | Czudnochowsky (1955) Gl. 2 | Glaubet | e' | 1018 kg | 1220 mm | Czundochowsky (1955) Gl. 3 | Betet | fis' | 645 kg | 1090 mm | Czundochowsky (1955) Gl. 4 | Dienet | gis' | 466 kg | 970 mm | Czudnochowsky (1955) Gl. 5 | Friede | h' | 292 kg | 795 mm | Rincker (1900) Gl. 6 | Leihglocke | c | 239 kg | 725 mm | Voillard (1653)

Bereits im 14. Jahrhundert wird über die Gemeinde Sankt Peter in Nürnberg berichtet, damals noch als "Siechkobel", also ein Haus für aussätzige Menschen. Im Jahr 1701 stand neben der damals bereits existierenden Peterskapelle und dem Seuchenhaus lediglich noch eine Wirtschaft. Etwas später wurde allerdings das Haus aufgelöst - nur noch die Kapelle durfte bestehen. In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde schließlich der Friedhof Sankt Peter eingeweiht. In den Jahren 1897 bis 1901 wurde die Peterskirche an heutigem Standort im neogotischen erbaut, um die zu klein gewordene Peterskapelle in der Nähe zu entlasten. Nach der Beschädigung des Turmes, Daches und der Orgel der Peterskirche im Zweiten Weltkrieg mussten diese wieder errichtet werden, im Großen und Ganzen blieb die Kirche glücklicherweise größtenteils verschont. Da im Gotteshaus viele Nachbildungen historischer Kunstwerke zu sehen sind, wirkt dieses heute noch um einiges älter als es eigentlich ist.

Vielen Dank an das Pfarrbüro und den Mesner der Peterskirche für die Ermöglichung der Aufnahme.

Aufnahme vom 06.08.2018 zu einem Sonderläuten am Vormittag
Glocke Bloischdorf Franz Voillard 3.jpg
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Glocke im Turm der Kirche St. Josef in Bloischdorf