Backhaus


Ein Backhaus, auch Gemeindebackhaus (in manchen Gegenden Deutschlands „Backes“, englisch bakehouse, französisch four, spanisch horno, in der Schweiz auch Ofenhaus; im Süddeutschen auch Backhäusle,[1] -hiesle oder -hüsle),[2] stand ehemals in nahezu jedem Ort, da unverzichtbar; je nach Größe des Dorfes gab es auch zwei,[3] abgelegene Gehöfte oder Mühlen hatten eigene kleine Backhäuser.
Meist waren dies einfache Zweckbauten mit ein oder zwei eingebauten Backöfen; sie standen im Ortskern, aber aufgrund der Brandgefahr in der Regel etwas abseits von der nächsten Bebauung. Einen Sonderfall als zweigeschossige Bauten bilden die Backhäuser in Bad Endbach, bei denen im Obergeschoss Räume für Bürgermeister und Gemeindevertretung liegen.
Der flachgewölbte Ofen aus Tuffsteinen wurde mit Holz befeuert, die Asche entfernt, und anschließend mit den Teigrohlingen belegt. Sauerteig-Brotteige wurde zu Hause zu Laiben geformt und zum Backhaus getragen, wo sie gebacken wurde. In manchen Gegenden brachte man den zu Hause vorbereiteten und von feuchten Tüchern bedeckten Teig mit und formte ihn erst im Backhaus zu Laiben. Die Reihenfolge, wer wann backen konnte, wurde eine Woche zuvor z. B. ausgelost.[4]
Geschichte und aktuelle Entwicklung


Das Garen von Speisen wie auch das Backen von Brot war ehemals grundsätzlich Frauensache; ursprünglich wurde der Teig auf heiße Steine gelegt und nach kurzer Zeit gewendet. Später hatte nahezu jedes Haus eine offene Feuerstelle, wo ein Kochkessel aufgehängt werden konnte und – getrennt davon und meist im Hof – einen in der Regel gewölbten Backofen, in dem der Brotteig auf heiße Steine gelegt wurde und gleichzeitig Oberhitze empfing. Mit der Entwicklung von Städten wurde diese Praxis allmählich aufgegeben und es entstanden die ersten Bäckereien.
Der Ursprung gemeinschaftlich genutzter Backhäuser liegt im Dunkeln; wahrscheinlich gab es sie bereits in der Antike. Im mittelalterlichen Europa sind sie im 14. Jahrhundert nachgewiesen; ihre flächendeckende Verbreitung begann jedoch erst im 17. Jahrhundert, als in mehreren Territorien des Heiligen Römischen Reichs Hausbacköfen wegen der Brandgefahr und des höheren Holzverbrauchs hoheitlich untersagt wurden. Ein weiterer Grund für die Errichtung der Backhäuser bestand darin, die Feuergefahr durch Backen in Einzelhaushalten zu vermindern, dies galt vor allem für Regionen, in denen die tendenziell besonders feuergefährdeten Fachwerk- oder Holzhäuser mit Strohdächern üblich waren.
Neben dem eigentlichen Ofenraum gibt es mancherorts auch Nebenräume, in denen die vor- oder nachbereitenden Arbeiten durchgeführt werden konnten. Die Reihenfolge des Backens wurde jedes Mal durch Lose neu bestimmt, da zum Anheizen des kalten Ofens viel Holz verbraucht wird, während die folgenden Nutzer von der Resthitze profitieren können. Der letzte Nutzende musste den Ofen reinigen.
Manche Backhäuser waren stattliche Häuser, die auch für andere Zwecke benutzt wurden, so lag mitunter der Raum für den Schulunterricht im ersten Stock des Backhauses oder dort traf sich der Bürgermeister mit dem Gemeinderat.
Kleine private Backhäuser zur Selbstversorgung gab es ferner auf abgelegenen Gehöften, Mühlen oder Weingütern, teilweise auch mehrere in einem Dorf.
In ländlichen Regionen waren Backhäuser bis in die 1960er Jahre verbreitet; in größeren Orten mit eigenen Bäckern wurden viele vorher und auch noch später abgerissen. In jüngster Zeit werden die alten Dorfbackhäuser mancherorts zu touristischen oder dörflich-sozialen Zwecken genutzt, in denen einmal oder mehrmals jährlich z. B. „Backhausfeste“ stattfinden: Einwohner backen Brot und andere regionale Backwaren, Touristen backen unter Anleitung selbst.
Soziale Bedeutung
Die meist wöchentlich stattfindenden Backtage stellten mit ihrer festgelegten Backzeit ein wichtiges, den Zusammenhalt und die Gemeinschaft förderndes Ereignis dar. Beim Warten auf das fertige Brot (seltener auch Kuchen, insbesondere auch Blechkuchen) wurden Neuigkeiten ausgetauscht; oft gab es Sitzbänke im Raum vor dem Ofen. Üblich war auch der Austausch von Backwaren unter den Benutzerinnen und Naturaldarlehen. So konnte man, wenn das Brot ausging, sich Brotlaibe leihen und die entsprechende Menge am Backtag in Broten zurückzahlen.
Am Rathaus Schöneberg in Berlin z. B. soll neuerdings ein mobiler Ofen Leute zusammenbringen: Neben der Möglichkeit, selbst Mitgebrachtes an festen Terminen zu backen, ist er sowohl sozialer Treffpunkt als auch Lernort.[5]
Konstruktion und Funktion
Der Bau der regelmäßig mit einem Rauchabzug ausgestatteten und völlig unterschiedlich gestalteten und konstruierten Backhäuser wurde zum Teil von spezialisierten Handwerkern übernommen, die in Einzelfällen sogar Zünfte bildeten.
Die teils mit besonders feuerfestem Backofenstein ausgekleideten Öfen wurden mit lokal verfügbarem Heizmaterial beheizt, meist Reisig z. B. von Baumkronen (Buchen, Eichen, Baumschnitt von Obstbäume) als Abfall beim Fällen der Bäume, auch Astholz. Vor dem Einbringen der Backware wurde angeheizt; die entstandene Glut wurde vor dem Beschicken entfernt.
Beispiele
Deutschland
- Backhäuser in Bad Endbach, Landkreis Marburg-Biedenkopf
- Backhaus Beinstein, Waiblingen, Rems-Murr-Kreis
- Gemeindebackhaus Biberach, Heilbronn
- Backhaus Bockhorst, Versmold, Kreis Gütersloh
- Backhaus Bremthal, Eppstein, Main-Taunus-Kreis
- Gemeindebackhaus Brücken, Mömbris, Landkreis Aschaffenburg
- Backhaus Dachtel, Aidlingen, Landkreis Böblingen
- Backhaus Dirmstein Landkreis Bad Dürkheim
- Backhaus Eismannsberg, Altdorf bei Nürnberg
- Backhaus Emmershausen, Weilrod, Hochtaunuskreis
- Backhaus Gessel, Syke, Landkreis Diepholz
- Backhaus Giesel, Landkreis Fulda
- Backhaus Grönwohld, Kreis Stormarn
- Backhaus und Winzerhaus der Hoflößnitz, Radebeul-Oberlößnitz, Landkreis Meißen
- Backhaus Irresheim, Nörvenich, Kreis Düren
- Backhaus Laufdorf, Schöffergrund, Lahn-Dill-Kreis
- Backhaus Alfstraße 32, Lübeck
- Mögginger Backhüsle, Möggingen (Radolfzell)[2]
- Backofen Niedersteinbach, Mömbris, Landkreis Aschaffenburg
- Backhaus Seißen, Alb-Donau-Kreis
- Gemeindebackhaus Sontheim, Heilbronn
- Backhaus Stetten im Remstal, Rems-Murr-Kreis
- Backhaus Vagen, Feldkirchen-Westerham, Landkreis Rosenheim
- Wetzlar: Backhaus des Ober- und des Unterdorfes
- Backes Wülscheid Bad Honnef, Rhein-Sieg-Kreis
Belgien
- Backhaus (Recht), Recht, Ortsteil der belgischen Stadtgemeinde Sankt Vith, Provinz Lüttich
Schweiz
Siehe auch
Weblinks
- brotbub.de: Zu Besuch im Backhüsle – dem Kleinwalsertaler Backverein
- regionalgeschichte.net: Backhaus (Unter anderem zu den verschiedenen Dialektbezeichnungen in Rheinland-Pfalz)
Einzelnachweise
- ↑ Das Backhäusle. Abgerufen am 25. Oktober 2025 (deutsch).
- ↑ a b Willkommen - Mögginger Backhüsle e.V. Abgerufen am 25. Oktober 2025.
- ↑ Hans G.Peter, Armin Peter: „Vom Getreide auf dem Feld zum täglichen Brot auf dem Tisch“, Eine Dokumentation: Aussaat, Ernte, Dreschen, Mehl mahlen, Brot backen im Backhaus. Hrsg. Arbeitskreis für Heimatgeschichte Ballersbach, Selbstverlag, 2023
- ↑ Horst W. Müller: Wommelshausen 1336–1986 – Ein Dorfbuch. Hrsg. Heimat- und Verschönerungsverein Wommelshausen e. V. Bad Endbach. 2. Auflage. Marburg 1995, Seiten 186 und 187
- ↑ Nachbarschafts-Backen in Schöneberg. 24. Oktober 2025, abgerufen am 25. Oktober 2025.
Auf dieser Seite verwendete Medien
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Backhaus in Bad Endbach-Wommelshausen-Hütte
Autor/Urheber: Monster4711, Lizenz: CC0
Baudenkmal in Syke Gessel Backhaus
(c) Alltagskulturen im Rheinland, CC BY 3.0
Brotbacken im Gemeindebackhaus
Löhndorf 1970 – 42 min Aufnahme/Schnitt/Kommentar: Gabriel Simons
Mehrere Familien nutzen gleichzeitig das Gemeindebackhaus zum Brotbacken. Nach dem Auslosen der Backfolge bereitet die erste Backgemeinschaft den Teig zu und heizt den Ofen ein. Während die Brotlaibe im Ofen sind, ist die nächste Familie bei ihren Backarbeiten. Zu
Hause wird das Brot auf einem Gestell versorgt, der Sauerteig für den nächsten Backtag aufbewahrt.Autor/Urheber: H2OMy, Lizenz: CC BY-SA 3.0 de
Backhaus in Bottenhorn
(c) Foto: Eckhard Henkel / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0 DE
Backhaus in Gönnern, Landkreis Marburg-Biedenkopf, Deutschland – erbaut 1712, Blickrichtung Westen
Autor/Urheber:
Otto Ubbelohde † 1922
, Lizenz: CC-0 1.0Mit Brotlaiben und Blechiuchen auf dem Weg zum Backhaus
Autor/Urheber: Joachim Köhler, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Old House for Baking of the Village Neckarsulm-Dahenfeld (built: 1838)

