Albumblatt Neuenhof 1858
(Beschreibung)
Von Eisenach aus an dem Dorfe Stedtfeld vorüber, fliest die Hörsel eine Stunde westwärts, drängt sich zwischen den hart zusammenstossenden Felsenufern durch, und ergiesst sich bei dem Dorfe Hörsel in die Werra; die Eisenbahnbrücke über-
schreitet beide Gewässer unmittelbar hintereinander. Hier öffnet sich von West nach Ost weit und fruchtbar das Werrathal, rings umgeben von bewaldeten Bergen, welche auf dem rechten Werraufer der erzreichen Formation des Zechsteins angehören. In
jüngster Zeit wird der Kupferschiefer derselben aufs Neue bergmännisch ausgebeutet. In mannigfachen Windungen strömt die Werra durch den Grund, unmittelbar vorbei unter Dorf und Schloss Neuenhof, dessen benachbarter Felsenkeller von den Bewohnern Eisenachs gern besucht wird, denn der Blick von der Höhe hinab auf das von schöngezeichneten Bergen umrahmte Thal ist reizend.
Schloss Neuenhof liegt auf einer massigen Anhöhe, welche weiter zurück das Dorf gleichen Namens trägt: ein schöner wohlunterhaltener englischer Garten mit stattlichen Baumgruppen und lieblichen Blumenbeeten schliesst den Herrensitz von drei Seiten ein. Das Haus oder die Kemenate, wie dasselbe seit Jahrhunderten genannt wird, ist ein langgestrecktes einstöckiges Gebäude, dessen zierlich von Schlinggewächsen umrankter und von einer Veranda umgebener Eckpavillon in unserem Bilde auf der
rechten Seite sichtbar ist. Durch den offenen Schlosshof vom Herrenhause geschieden, versteckt in einer Fülle dichter Gebüsche und hoher Bäume, steht zunächst die Kirche mit ihrem viereckigen altergrauen Thurm und den modernen flachbogigen
Fenstern. So ist von derselben auf der Abbildung auch nur die Thurmspitze sichtbar. Daran stösst der enge grüne Kirchhof und diesem gegenüber Renterei, Schule und Pfarrhaus, sämmtlich Schöpfungen des letzten Besitzers. So erscheint Schloss Neuenhof von der Nordseite als eine zierliche Vereinigung von bescheidenen aber eleganten Gebäuden: gegen Westen schaut es von seiner Höhe über die gelbe Werra hinweg nach dein bewaldeten Gipfel des Kühlforstberges und nach der im Thale sich hinziehenden Eisenbahn. Weiter rückwärts an der Landstrasse liegen die Wirthschaftsgebäude, die Brauerei u. s. w., wie denn Neuenhof durch die Vortrefflichkeit seiner landwirthschaftlichen Einrichtungen bekannt ist.
Die verwickelte und bisher nicht bekannte Geschichte dieses Rittergutes, welche die Herren Major und Kämmerer Albert Reichsfreiherr von Boineburg-Lengsfeld auf Weilar und Prof. W. Rein in Eisenach aus Urkunden und bändereichen Akten ermittelt
haben, ist für die spezielle Familiengeschichte nicht ohne Interesse. Die erste urkundliche Erwähnung fällt in das Jahr 1405, in welchem der Ritter Johann v. Stein zum Liebenstein und dessen Bruder Wetzel die Kemenate und das Dorf „zu dem
Neuenhof gelegen unter der Brandenbergk", welches sie von der Familie von Nesselröden empfangen hatten, mit Bewilligung des Abts von Hersfeld als Lehnsherrn an Helwig von Ruckus (d. i. Roggenhausen) für 300 Gulden verkauften. Die einzige
Tochter des letztgenannten, Gertrud, vermählte sich 1434 an Georg von Reckrodt, welcher 1441 von Hersfeld mit Neuenhof belehnt wurde. Aus dieser Ehe stammten vier Söhne, von denen zwei Neuenhof erbten, Hermann und Georg Berlt von Reckrodt. Die Hermann'sche Hälfte zerfiel bald wieder in zwei Theile, eben so die Georg Berlt'sche, so dass das Ganze aus vier Theilen bestand, 1553.
Nur ein Viertel blieb dem Reckrodt'schen Mannesstamm, aus welchem folgende Besitzer in gerader Linie genannt werden: Adolf, Hermann, Caspar Adolf (†1627), Jobst († 1656), Adolf Heinrich († 1677), Adam Ludwig († 1703). Mit diesem erlosch der Brandenburg-Neuenhofsche Zweig dieses Geschlechts. Des letzten Schwester
und Erbin Sophie Juliane († 1733) brachte ihren Antheil von Neuenhof 1705 ihrem
Gatten zu, Adolf Hermann Riedesel Freiherrn zu Eisenbach, Herz. Sachs.-Eisenach.
Hofmarschall und 20. Erbmarschall der Landgrafschaft Hessen (1685—1735).
Das zweite Viertel fiel an Hermanns drei Enkelinnen, Margarethe verm. von Kreutzburg, Agnes verm. von Boyneburgk, Dorothea verm. von Reineck. Der Sohn der mittleren, Melchior Rudolf von Boyneburgk in Gerstungen fand sich mit den Andern 1605 ab und verkaufte dann 1606 das Viertel an seinen Schwiegersohn Philipp Wilhelm von Cornberg; dessen Sohn Reinhard wieder an die Herren von Grothausen, diese an Hans Leopold von Geyso in Völkershausen 1702, welcher gleichzeitig auch
das folgende Viertel an sich brachte.
Georgs Hälfte erbte dessen Tochter Christine, verm. von Heerda, durch deren Enkel Hans Ernst und Paul Eduard von Heerda († 1637) 2 Theile entstanden, welche Viertel des Ganzen bildeten. Paul Eduards Erbtochter Sabine verm. von Buttler
vererbte ihr Viertel, welches wir das dritte nennen, an ihren Sohn Eitel Moritz von B. dieser an Friedrich Moritz v. B., dieser an Hans Wilhelm von B., von welchem es der genannte Hans Leopold von Geyso 1702 kaufte, aber schon 1707 seine beiden
Viertel an Adolf Hermann Riedesel für 7000 Thaler veräusserte.
Das letzte Viertel verschenkte Jost Christoph, der Sohn von Hans Ernst von Heerda, 1655 an Dr. jur. Rödiger zu Eisenach, dessen Nachkommen es 1777 an Riedesels verkauften, so dass das Ganze nun wieder einem Herrn gehörte.
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