Zwischenlager (Kerntechnik)

Ein Zwischenlager im Zusammenhang mit der Kernenergie ist ein vorübergehender Aufbewahrungsort für abgebrannte Brennelemente und/oder radioaktive Abfälle. Eine internationale Übersicht über Zwischenlageranlagen befindet sich im Artikel Liste kerntechnischer Anlagen unter Zwischenlager.

Zweck eines Brennelement-Zwischenlagers

Wenn Brennelemente keinen Nutzen mehr für die Energieerzeugung in Kernkraftwerken haben, werden sie aus dem Reaktor entladen und in ein Zwischenlager gebracht. Dort werden sie mehrere Jahrzehnte aufbewahrt, bis die Nachzerfallswärme so weit abgeklungen ist, dass die Brennelemente in einem Endlager gespeichert werden können.

Strategien der Lagerung

Kernbrennstoffzyklus mit offenem und geschlossenem Kreislauf. Vereinfachte Darstellung für LWR-KKWs.

Im Falle eines offenen Brennstoffzyklus wird auch von einer direkten Endlagerung gesprochen. Für den Fall eines geschlossenen Brennstoffkreislaufs, durchlaufen Kernbrennstoffe einen oder mehrere Zyklen der Wiederaufarbeitung. Häufig dienen Zwischenlager als Übergangslösung, bis ein geeignetes Konzept für die finale Speicherung (Endlagerung) gefunden wurde.

Deutschland verfügt neben der ehemaligen Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe (WAK) über keine eigene, kommerzielle Wiederaufarbeitungsanlage. Die Brennelemente aus den deutschen Kernkraftwerken wurden daher in Frankreich und England wiederaufgearbeitet. Diese Brennelemente werden von der BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung zurück nach Deutschland zur Zwischenlagerung transportiert.[1]

Organisation in Deutschland

Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) ist die zuständige Fachbehörde für Zwischenlagerung. Mit der nuklearen Sicherheit und auch Lagerung beschäftigt sich ebenfalls das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV).[2] Die Entsorgungskommission (ESK) berät das BMUV, auch zu Fragen der Zwischenlagerung.[3]

Die BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung ist für die Zwischenlager Ahaus und Gorleben sowie seit 2019 für alle Zwischenlager an Kernkraftwerken zuständig.[4] Die beiden Lager wurden vor der Übertragung an den Staat 27 Jahre von der GNS Gesellschaft für Nuklear-Service verwaltet.[5]

Mit der Endlagerung befasst sich u. a. die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe.[6]

Typen von Brennelement-Zwischenlagern

Es gibt zwei Grundtypen von Zwischenlagern für abgebrannte Brennelemente:

  • Nasslager (Abklingbecken, Abklinganlage): Hier befinden sich die verbrauchten Brennelemente in einem Wasserbecken. Das Wasser dient einerseits zur Kühlung der Brennelemente und andererseits zur Abschirmung der Strahlung, es muss aktiv – mit dem entsprechenden Energieverbrauch – gekühlt und gereinigt werden.[7]
  • Trockenlager: Hier werden die Brennelemente in Transportbehältern (zum Beispiel vom Castor-Typ) eingelagert und durch Umluft gekühlt.[7] Weltweit ist ein Trend zum verstärkten Einsatz der Trockenlagerung feststellbar, da diese keine aktiven Kühlsysteme benötigen und auch unter freiem Himmel errichtet werden können (z. B. USA). Beim Trockenlager wird der sichere Einschluss des radioaktiven Inventars vom hermetisch dichten Behälter gewährleistet, in die die Brennelemente trocken eingestellt werden. Die Halle und deren Anlagen übernehmen zusätzliche Sicherheits- und Schutzfunktionen (z. B. Überwachung der Behälter auf Dichtheit, Zugangskontrolle, Schutz gegen Einwirkungen von außen usw.). Nur wenige Zwischenlager verfügen über eine so genannte Heiße Zelle, das ist ein Raum, in dem ein Defekt der Behälterdichtung repariert werden könnte.

Zwischenlager für hochradioaktive Abfälle

Brennelemente-Zwischenlager Grafenrheinfeld (BZR)
Brennelemente-Zwischenlager Isar (BZI)
Brennelemente-Zwischenlager Gundremmingen (BZM)

Deutschland

In Deutschland schreibt das Atomgesetz (AtG) vor, dass die aus dem Reaktor entladenen abgebrannten Brennelemente am Standort der Kernkraftwerke zwischengelagert werden müssen (§ 9a Abs. 2 AtG). Transporte zu Wiederaufarbeitungsanlagen, die bis zuletzt von vielen Kernkraftwerken durchgeführt wurden, sind seit dem 1. Juli 2005 nicht mehr zulässig. Alle Zwischenlager sind als Trockenlager konzipiert.

In jedem Zwischenlager gibt es einen Empfangsbereich, in dem ankommende Behälter vom Transportfahrzeug entladen und kontrolliert werden. Von dort findet dann der Transport zum eigentlichen Lagerbereich oder in den Wartungsraum statt. Der Lagerbereich ist aus Strahlenschutz- und Zugangskontrollgründen noch einmal mit schweren Stahltoren abgeschottet. Er ist vollständig oder zumindest in einem größeren Bereich um die Behälter als Kontrollbereich ausgewiesen. Jedes Zwischenlager besitzt einen 130-t-Kran zum Bewegen der Behälter. Beim Behältertransport ist der Kran mechanisch so begrenzt, dass die Behälter nicht höher als 25 cm über den Hallenboden gehoben werden können.

Im Wartungsbereich können kleinere Ausbesserungsarbeiten und Kontrollen am Behälter ausgeführt werden. Dazu ist dieser mit einer Wartungsbühne ausgerüstet, die am Behälter hochgefahren werden kann. Bei den Standortzwischenlagern wird bei Primärdeckeldefekten das Konzept des Aufschweißens eines Fügedeckels verfolgt, bei dem der Primärdeckel nicht geöffnet wird, sondern ein weiterer Deckel aufgeschweißt wird. Sollten Brennelemente in einen anderen Behälter umgeladen werden, ist ein Transport in eine andere Einrichtung (meist das naheliegende Kernkraftwerk) erforderlich.

In den Standortzwischenlagern findet die Lagerung der Behälter in der Regel in sogenannten Achter-Verbänden (2×4) statt, das heißt jeweils acht Behälter stehen mit geringeren Abständen (ca. 1 m) zusammen. Zum nächsten Verbund sind dann rund 3 m Platz. Muss ein Behälter einer Vierer-Reihe in den Wartungsbereich gebracht werden, so müssen die davor stehenden Behälter auf gesonderte Abstellpositionen im Empfangsbereich verbracht werden, da ein Herausholen der Behälter durch die Gasse zwischen den Verbänden nicht möglich ist.

Brennelemente-Zwischenlager Ahaus (BZA)

Darüber hinaus gibt es drei zentrale Trockenlager fern von Kernkraftwerksstandorten. Eines davon ist das Brennelemente-Zwischenlager Gorleben. Laut Genehmigung können dort neben den Brennelementen auch verglaste hochradioaktive Abfälle aus der Wiederaufarbeitung gelagert werden. Im westmünsterländischen Zwischenlager Ahaus sollen künftig mittelaktive Abfälle aus der Wiederaufarbeitung und weiterer radioaktiver Abfall gelagert werden.

Der Betrieb der folgenden Brennelemente-Zwischenlager ist seit 2019 auf die bundeseigene BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung mbH übergegangen:[8]

ZwischenlagerKürzelStellplätzeInbetriebnahmegenehmigt bis
Brennelemente-Zwischenlager AhausBZA42019922036
Brennelemente-Zwischenlager BiblisBZB13520062046
Brennelemente-Zwischenlager BrokdorfBZF10020072047
Brennelemente-Zwischenlager GorlebenBZG42019952034
Brennelemente-Zwischenlager GrafenrheinfeldBZR8820062046
Brennelemente-Zwischenlager GrohndeBZD10020062046
Brennelemente-Zwischenlager GundremmingenBZM19220062046
Brennelemente-Zwischenlager IsarBZI15220072047
Brennelemente-Zwischenlager KrümmelBZK6520062046
Brennelemente-Zwischenlager LingenBZL12520022042
Brennelemente-Zwischenlager NeckarwestheimBZN15120062046
Brennelemente-Zwischenlager PhilippsburgBZP15220072047
Brennelemente-Zwischenlager UnterweserBZU8020072047

Das Brennelemente-Zwischenlager in Brunsbüttel wird noch von der Kernkraftwerk Brunsbüttel GmbH und Co. oHG betrieben. Die BGZ wird den Betrieb übernehmen, sobald das BASE eine neue Genehmigung für dieses Zwischenlager erteilt hat.[9]

Schweiz

In der Schweiz existiert – als Trockenlager – unter dem Namen Zwilag ein zentrales Zwischenlager in Würenlingen für kerntechnische Abfälle. Für industrielle und medizinische radiologische Abfälle gibt es am gleichen Standort das Bundes-Zwischenlager, ebenfalls ein Trockenlager (Quelle: ENSI-Jahresberichte).

Zwischenlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle

Zwischenlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle gibt es an jedem Kernkraftwerk, an den Kernforschungszentren und sonstigen kerntechnischen Anlagen. So betreibt alleine die BGZ alleine an folgenden Standorten entsprechende Läger:[8]

ZwischenlagerKürzelStandortInbetriebnahme
Abfall-Zwischenlager AhausAZAdezentral2010
Abfall-Zwischenlager Biblis 1AZB 1Kernkraftwerk Biblis1982
Abfall-Zwischenlager Biblis 2AZB 1Kernkraftwerk Biblis2018
Abfall-Zwischenlager GorlebenAZGdezentral1984
Abfall-Zwischenlager GrafenrheinfeldAZRKernkraftwerk Grafenrheinfeld2021
Abfall-Zwischenlager NeckarwestheimAZNKernkraftwerk Neckarwestheim2022
Abfall-Zwischenlager ObrigheimAZOKernkraftwerk Obrigheim2008
Abfall-Zwischenlager PhilippsburgAZPKernkraftwerk Philippsburg2020
Abfall-Zwischenlager StadeAZSKernkraftwerk Stade2007
Abfall-Zwischenlager Unterweser 1AZU 1Kernkraftwerk Unterweser1981
Abfall-Zwischenlager Unterweser 2AZU 2Kernkraftwerk Unterweser2020
Abfall-Zwischenlager WürgassenAZWKernkraftwerk Würgassen2007

Der Übertrag der bereits bestehenden Läger erfolgte dabei nach dem Entsorgungsübergangsgesetz. Zusätzlich zu den genannten Lägern soll auch ein neues Lager am Standort des Kernkraftwerks Brunsbüttel nach Erfüllung der Genehmigungsauflagen an die BGZ übergehen.[8][10]

Radioaktive Abfälle von Kleinerzeugern aus Medizin, Industrie und Forschung werden meist an die von den Bundesländern per Gesetz einzurichtenden Landessammelstellen abgeliefert.

An allen Standorten werden die schwach- bis mittelradioaktiven Abfälle – je nach Genehmigung – in Fässern, Gussbehältern oder Containern zwischengelagert, bis Schacht Konrad als Endlager zur Verfügung steht. Die erforderliche Umrüstung sollte ursprünglich 2013 abgeschlossen werden, wird nun aber voraussichtlich erst 2029 fertiggestellt werden.[11][12]

Ein weiteres Zwischenlager ist das Zwischenlager Nord (ZLN) in Lubmin auf dem Gelände des stillgelegten Kraftwerks. Es war ursprünglich nur für Brennelemente aus den stillgelegten Kernkraftwerken in Rheinsberg und Greifswald vorgesehen. Im Dezember 2010 wurden jedoch auch Abfälle aus dem Forschungsreaktor Karlsruhe und dem Atomschiff Otto Hahn dort eingelagert. Diese kamen aus dem französischen Cadarache. Begründet wurde dies von der Bundesregierung damit, dass sie eine Rücknahmeverpflichtung gegenüber Frankreich habe und Lubmin das einzige Zwischenlager im Besitz der Bundesrepublik sei.

Literatur

Berichte, Reports und andere Veröffentlichungen

Fachartikel

  • Gerold Spykman: Dry storage of spent nuclear fuel and high active waste in Germany—Current situation and technical aspects on inventories integrity for a prolonged storage time. In: Nuclear Engineering and Technology. Band 50, Nr. 2, März 2018, S. 313–317, doi:10.1016/j.net.2018.01.009 (englisch).
  • Burkhard Heuel-Fabianek, Ralf Hille: Benchmarking of MCNP for calculating dose rates at an interim storage facility for nuclear waste. In: Radiation Protection Dosimetry. Band 115, Nr. 1–4, 20. Dezember 2005, S. 424–427, doi:10.1093/rpd/nci185 (englisch).

Fachbücher

  • Dennis Köhnke, Manuel Reichardt, Franziska Semper (Hrsg.): Zwischenlagerung hoch radioaktiver Abfälle: Randbedingungen und Lösungsansätze zu den aktuellen Herausforderungen (= Energie in Naturwissenschaft, Technik, Wirtschaft und Gesellschaft). Springer Fachmedien Wiesbaden, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-658-19039-2, doi:10.1007/978-3-658-19040-8.
  • Man-Sung Yim: Nuclear Waste Management: Science, Technology, and Policy (= Lecture Notes in Energy. Band 83). Springer Netherlands, Dordrecht 2022, ISBN 978-94-024-2104-0, doi:10.1007/978-94-024-2106-4 (englisch).

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Weblinks

Commons: Zwischenlager für radioaktiven Abfall – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Rücknahme radioaktiver Abfälle aus der Wiederaufarbeitung. BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung, abgerufen am 20. Oktober 2023 (deutsch).
  2. Bundesumweltministeriums: Nukleare Sicherheit. Abgerufen am 20. Oktober 2023.
  3. Die ESK | ENTSORGUNGSKOMMISSION. Entsorgungskommission, abgerufen am 20. Oktober 2023.
  4. Unser Auftrag. In: BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung mbH. Abgerufen am 19. Oktober 2023 (de-DE-formal).
  5. Interim Storage - GNS. Abgerufen am 19. Oktober 2023.
  6. BGR - Endlagerung radioaktiver Abfälle. Abgerufen am 19. Oktober 2023.
  7. a b deutschlandfunk.de: 200 Meter im Castor: Das Akw Grohnde in Niedersachsen. Abgerufen am 19. Oktober 2023.
  8. a b c Übersicht der Zwischenlager. Abgerufen am 7. November 2023 (de-DE-formal).
  9. BGZ ist neue Zwischenlager-Betreiberin. Abgerufen am 8. November 2023 (de-DE-formal).
  10. LasmA am KKB: Genehmigung für den Umgang mit radioaktiven Stoffen erteilt. Abgerufen am 7. November 2023.
  11. Neue Probleme mit dem Atommüll. In: Salzgitter-Zeitung. 24. September 2010, S. 22.
  12. Fertigstellung des Endlagers Konrad verzögert sich. 13. Juni 2023, abgerufen am 7. November 2023.

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Kernkraftwerk Gundremmingen mit Atommüll-Zwischenlager (weiße Halle im Vordergrund)