Zum schönen Turm (München)
Zum schönen Turm ist ein repräsentatives Geschäftshaus in München. Es befindet sich in der Kaufingerstraße im Zentrum der Stadt, direkt neben der Frauenkirche.[1] Fertiggestellt wurde es 1914 nach Plänen der Architekten Eugen Hönig & Karl Söldner für die jüdischen Eigentümer der Textilhandelsgesellschaft Bamberger & Hertz. Seit 1951 gehört es dem Herrenmodegeschäft Hirmer.
Name
Die Benennung verweist auf den Schönen Turm, einen Torturm der mittelalterlichen Stadtmauer Münchens, der im Jahr 1807 abgerissen wurde.[2]
„Der Schöne Turm. Erbaut 1157 vor dem heutigen Hirmer-Haus als Torturm der ältesten Stadtmauer Münchens. 1479 neu aufgebaut und mit Fresken geziert, die ihm den Namen ‚Schöner Turm‘ gaben. 1807 abgebrochen. Die Markierung am Boden zeigt seinen einstigen Standort.“
Architektur
Der ursprüngliche Figurenschmuck an der Außenfassade des Gebäudes im Münchner Stil stammte von dem deutschen Bildhauer Julius Seidler, wurde jedoch infolge der Schäden des Zweiten Weltkriegs sowie den sich anschließenden zahlreichen Umbaumaßnahmen am Geschäftshaus erst wieder in den 1980er Jahren vollständig rekonstruiert. Das Bauwerk ist in der Denkmalliste der Stadt München aufgeführt.[3]
Bamberger & Hertz
Das Textilkaufhaus im Schönen Turm in der Kaufingerstraße war eine von zahlreichen Filialen, die die Brüder Max, Siegfried „Fritz“, Ludwig und Gustav Bamberger – ausgehend von ihrem Stammhaus in Worms – ab 1909 im Deutschen Reich eröffnet hatten. Der in Frankfurt am Main wohnende Kaufmann Siegfried Bamberger (1885–1976) war für die Münchner Filiale zuständig. Während der NS-Diktatur gingen die Umsätze nach dem sogenannten Judenboykott vom 1. April 1933, bei dem SA-Leute die Schaufenster in der Kaufingerstraße beklebten und „Deutsche“ bedrängten, nicht bei Juden einzukaufen, erheblich zurück, auf ein Drittel.
Die Filiale in Saarbrücken wurde bereits im Jahr 1934 geschlossen, die Häuser in Köln, Frankfurt und Stuttgart bis 1938 „arisiert“ oder geschlossen. Die Filiale von Bamberger & Herz am Augustusplatz in Leipzig (Königsbau) wurde in der Reichspogromnacht 1938 in Brand gesetzt und die Eigentümer anschließend der Brandstiftung bezichtigt. Die Brüder Ludwig und Gustav Bamberger wurden von den Nationalsozialisten am 11. November 1938 in das KZ Buchenwald verschleppt und überlebten nicht.
1938 übernahm Abteilungsleiter Johannes Hirmer das Kaufhaus vom jüdischen Inhaber Siegfried Bamberger, noch vor Inkrafttreten der Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben. Hirmer änderte die Firma umgehend auf seinen Namen. Wie auch bei anderen arisierten Unternehmen stellte die amerikanische Militärregierung das Kaufhaus nach Kriegsende 1945 unter Treuhandverwaltung. 1949 kam es vor der Wiedergutmachungsbehörde I Oberbayern im Rückerstattungsverfahren zu einem Vergleich, der die vollständige Rückübertragung sämtlicher Vermögenswerte an Siegfried Bamberger beinhaltete.[4][5][6]
Hirmer-Stammhaus
Die Familie Hirmer erwarb zum 1. Januar 1951 die Anteile von Siegfried Bamberger, der als einziger der Brüder den Holocaust überlebt hatte und nicht mehr nach München zurückkehren wollte. 1962 wurde es als Hirmer-Stammhaus neueröffnet.[7][6] Hirmer bezeichnet sich heute als das weltgrößte Herrenmodegeschäft und ist Teil der Hirmer Gruppe.
Literatur
- Angelika Baumann (Hrsg.): Jüdisches Leben in München. Geschichtswettbewerb 1993/94. Buchendorfer, München 1995, ISBN 3-927984-38-8, S. 154.
- Die Kunst, Monatshefte für freie und angewandte Kunst, Bd. 34 (1916), S. 140–148.
- Wolfram Selig: „Arisierung“ in München. Die Vernichtung jüdischer Existenz 1937–1939. Metropol, Berlin 2004, ISBN 3-936411-33-6, S. 92 ff.
- Hans-Diether Dörfler (im Auftrag der Presseabteilung der Hirmer Office GmbH & Co. KG): Von Bamberger & Hertz zu Hirmer. Ein respektables Stück Wirtschaftsgeschichte (Kurzfassung). Hirmer GmbH & Co. KG, 2. Juni 2015, abgerufen am 14. Oktober 2015.
- Andrea Lorz: Die Leipziger Familie Bamberger und ihr Konfektionshaus Bamberger & Hertz. In: Leipziger Blätter, ISSN 0232-7244, Heft 31 (1997), S. 36–39. (OCLC 243425180)
Weblinks
- Geschichte des Geschäftshauses von 1914 – heute. Hirmer GmbH & Co. KG, abgerufen am 20. Dezember 2019.
Einzelnachweise
- ↑ Entstehungsgeschichte und kurze Unternehmensbeschreibung
- ↑ Haus zum Schönen Turm
- ↑ Denkmalliste
- ↑ Boykottaktion in der Kaufingerstraße 15 ( vom 6. November 2014 im Internet Archive)
- ↑ Arisierung – NS-Dokumentationszentrum München ( vom 6. November 2014 im Internet Archive)
- ↑ a b Hans-Diether Dörfler im Auftrag der Presseabteilung der Hirmer Office GmbH & Co. KG: Von Bamberger & Hertz zu HIRMER – Ein respektables Stück Wirtschaftsgeschichte. Hirmer GmbH & Co. KG, 1. Juni 2015, abgerufen am 20. Dezember 2019.
- ↑ Geschichte des Geschäftshauses von 1914 – heute. Hirmer GmbH & Co. KG, abgerufen am 20. Dezember 2019.
Koordinaten: 48° 8′ 17″ N, 11° 34′ 19″ O
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Autor/Urheber: Rufus46, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Kaufingerstraße 28; Geschäftshaus Zum Schönen Turm, jetzt Hirmer-Haus, stattlicher historisierender Eckbau, bez. 1914, von Eugen Hönig und Karl Söldner mit Bildhauerarbeiten von Julius Seidler; an der Ecke Modell des ehemals hier stehenden Schönen Turms.
Gedenktafel "Zum Schönen Turm"
München, Kaufingerstraße, Hirmer-Haus, Wandskulptur des armen Goldschmiedes, die an eine alte Sage aus dem Mittelalter erinnert.
Autor/Urheber: Usien, Lizenz: CC BY-SA 3.0
München, Kaufingerstrasse 28 (Hirmer - ein Bekleidungsgeschäft in der Münchner Fußgängerzone)