Zivilmacht

Zivilmacht bezeichnet eine von Hanns W. Maull[1] geprägte sozialkonstruktivistische Theorie der internationalen Beziehungen und zugleich ein außenpolitisches Rollenkonzept von Staaten (vor allem Deutschland und Japan) in den internationalen Beziehungen.

Die Globalisierung und die immer stärkere Abhängigkeit von Staaten fördern bei Zivilmächten die Verrechtlichung und Institutionalisierung der internationalen Beziehungen, die dort in Strategien zur "Stabilisierung der internationalen Umwelt" umgesetzt werden. Eine "idealtypische Zivilmacht" trägt aktiv zur Zivilisierung der internationalen Beziehungen bei und strebt danach, die gewaltsame Durchsetzung von Regeln (Politik durch Macht) durch die Internationalisierung sozial akzeptierter Normen (Politik durch Legitimität) zu ersetzen.

Eine Zivilmacht hält sich militärisch zurück und bevorzugt stattdessen zivile Konfliktbearbeitungsstrategien.

Nach Maull wird Deutschland im Kontext der internationalen Beziehungen als „idealtypische Zivilmacht“ beschrieben. Ein militärischer Einsatz erfolgt nur im Falle einer Selbstverteidigung (z. B. Atalanta-Mission vor Somalia) oder kollektiv legitimierter Zwangsmaßnahmen (z. B. Teilnahme am UN-Einsatz ISAF in Afghanistan).

Kirste beschreibt die Zivilisierung der Internationalen Beziehungen im Idealtypus mit drei spezifischen Zielen:

  1. Gestaltungswille (Bereitschaft und Fähigkeit internationale Beziehungen durch die Initiierung multilateralen Handelns zu zivilisieren)
  2. Autonomieverzicht (Bereitschaft durch den Transfer von Souveränität an internationale Institutionen als Unterstützer kollektiver Sicherheitsarrangements aufzutreten)
  3. Interessensunabhängige Normdurchsetzung (Bereitschaft zur Realisierung einer zivilisierten internationalen Ordnung auch wenn dies gegen kurzfristige "nationale Interessen" verstößt)[2]

Literatur

  • Hanns W. Maull: Deutschland als Zivilmacht. In: Siegmar Schmidt, Gunther Hellmann, Reinhard Wolf (Hrsg.): Handbuch zur deutschen Außenpolitik. 1. Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-531-13652-3 (Online als pdf auf Springer Link [abgerufen am 7. März 2013]).
  • Bernhard Stahl: Die deutsche Außenpolitik in der Libyen-Krise – der Erklärungsbeitrag der diskursgebundenen Identitätstheorie. Paper für das Panel „Die Welt als Erzählung“ der DVPW-Tagung der Sektion „Internationale Politik“ in München, 6–7. Oktober 2011. 10. Juni 2011, S. 33.
  • Christian Hacke: Deutschland und der Libyen-Konflikt: Zivilmacht ohne Zivilcourage – Essay. Bundeszentrale für politische Bildung, 21. September 2011, abgerufen am 7. März 2013.

Einzelnachweise

  1. Klaus Peter Zeitler: Deutschlands Rolle bei der völkerrechtlichen Anerkennung der Republik Kroatien unter besonderer Berücksichtigung des deutschen Außenministers Genscher. Tectum Verlag, 2000, S. 177.
  2. Sebastian Harnisch: Deutsche Außenpolitik nach der Wende : Zivilmacht am Ende ? Beitrag für den 21. DVPW-Kongress in Halle, 1.-5. Oktober 2000, pdf (online auf: deutsche-aussenpolitik.de) (Memento des Originals vom 14. Oktober 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.deutsche-aussenpolitik.de