Yves Le Trocquer

Yves Le Trocquer
Le Trocquer 1894
Yves Le Trocquer und Charles de Lasteyrie[1] beim Verlassen des Élysée-Palastes

Yves Le Trocquer (* 4. Oktober 1877 in Pontrieux; † 21. Februar 1938 in Paris) war ein französischer Politiker und Ingenieur. Er war von 1920 bis 1924 in mehreren Regierungen Minister für öffentliche Arbeiten.

Leben

Le Trocquer besuchte das Collège Stanislas in Paris, wurde 1894 zum Concours général zugelassen und erhielt die erste Belobigung (1er accessit) in Physik und Chemie.[2] Er trat 1895 in die École polytechnique ein und folgte damit dem Beispiel seines Vaters, der als Marineoffizier (Leutnant zur See und Ritter der Ehrenlegion) im Dienst gestorben war. Yves Le Trocquer wurde Ingenieur bei der Straßenbaubehörde (Ponts et Chaussées).[3]

Zunächst war er für die Arbeiten an den Häfen von Nantes und Saint-Nazaire zuständig, dann für das Département Seine, wo er sich als Techniker und Verwalter auszeichnete. Im Jahr 1910 wurde er technischer Direktor im Kabinett des Ministers für öffentliche Arbeiten Louis Puech[4], ein Amt, das er bis Januar 1912 innehatte. 1914 wurde er in das Kabinett von Jean-Victor Augagneur berufen, als dieser Minister für das öffentliche Unterrichtswesen und später für die Marine war (Juni 1914 bis Oktober 1915). Im November 1917 übernahm er die Leitung des Kabinetts von Jean Cels-Couybes[5], dem Unterstaatssekretär für die Marine.[3]

Kaum war er auf der Liste der Alliance démocratique 1919 zum Abgeordneten des Départements Côtes-du-Nord gewählt worden, trat er als Unterstaatssekretär für Finanzen in die Regierung ein, wo er für die Liquidierung der Lagerbestände zuständig war. Im Januar 1920 wurde er von Alexandre Millerand zum Minister für öffentliche Arbeiten ernannt, ein Ressort, das er mehr als vier Jahre lang in sieben Regierungen innehatte, was in dieser Zeit der Instabilität der Regierungen sehr selten vorkam.[3]

Le Trocquer erkannte, dass Frankreich bei weitem weniger Kohlevorräte besaß als es benötigte; er sprach von 70 Millionen Tonnen bei einer Produktion von 20 Millionen.[6] Er schlug daher vor, statt Geld Kohle als Reparationen zu verlangen.[7] 1923 war er an der Besetzung des Ruhrgebiets und der Sanierung der Bergwerke im Saargebiet beteiligt.[3] Le Trocquer entwickelte das Konzept der „grünen Kohle“, um die Wasserkraft für die bretonische Industrie nutzbar zu machen. Er setzte sich 1923 für den Bau des Staudamms von Guerlédan[A 1] ein und versuchte mit weniger Erfolg, ein Kraftwerk an der Rance zu entwickeln.[8] Nach seinem Ausscheiden aus dem Kabinett interessierte sich Le Trocquer weiterhin für die Frage der Reparationen und nahm an einer Untersuchungskommission zu diesem Thema teil.[3]

Das französische Komitee der Europäischen Zollunion (UDE, Union douanière européenne) wurde am 28. Januar 1927 unter der Leitung von Charles Gide und Yves Le Trocquer gegründet.[9][10]

1928 war Le Trocquet Vorsitzender des deutsch-französischen Verbindungsausschusses der französischen Parlamentarier, dem auch Aristide Briand und Joseph Paul-Boncour angehörten. Nach intensiver Lobbyarbeit gelang es dem Ausschuss, Deutschland 1929 zur Einsetzung eines entsprechenden Ausschusses unter dem Vorsitz von Joseph Wirth zu bewegen. Le Troquer schrieb in der linken Zeitschrift La Volonté, dass die Annäherung an Deutschland ein Schritt zur Einigung Europas sei.[11]

Am 24. November 1928 wurde das Föderale Komitee für Europäische Zusammenarbeit unter dem Vorsitz von Émile Borel gegründet. Präsident des französischen Komitees war Yves Le Troquer.[9][3]

Er wurde 1924 und 1928 als Abgeordneter wiedergewählt, saß im Mitte-Rechts-Lager und wechselte 1929 in den Senat. Er starb während seiner Amtszeit im Jahr 1938 im Alter von 61 Jahren.[3] Er war Offizier der Ehrenlegion[12] Begraben ist er in Passy.

Am 4. Mai 1939 bewilligte der Generalrat von Côtes-du-Nord der Gemeinde Pontrieux 5.000 Francs für ein Denkmal für Le Troquer. Das Granitdenkmal für Le Troquer mit einem Bronzemedaillon seines Kopfes des Bildhauers Renaud wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in Anwesenheit des Abgeordneten René Pleven auf der Place Le Trocquet feierlich eingeweiht.[13]

Literatur

  • Laurence Badel: Un milieu libéral et européen. Igpde Cheff, 1999, ISBN 978-2-11-090083-8 (openedition.org).
  • Yves-Marie Evanno: De la Ruhr à Guerlédan : itinéraire d'un ingénieur devenu ministre, Yves Le Trocquer. En Envor, 2013 (enenvor.fr).
  • Conan Fischer: A Vision of Europe: Franco-German Relations during the Great Depression, 1929–1932. OUP Oxford, 2017, ISBN 978-0-19-166380-2 (google.de).
  • Peter Jackson: Beyond the Balance of Power: France and the Politics of National Security in the Era of the First World War. Cambridge University Press, 2013, ISBN 978-1-107-03994-0 (google.de).
  • Charles S. Maier: Recasting Bourgeois Europe: Stabilization in France, Germany, and Italy in the Decade after World War I. Princeton University Press, 2015, ISBN 978-1-4008-7370-8 (google.de).
Commons: Yves Le Trocquer – Sammlung von Bildern

Anmerkungen

  1. Siehe hierzu weiterführend fr:Lac de Guerlédan in der französischsprachigen Wikipédia

Einzelnachweise

  1. Charles de Lasteyrie du Saillant. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 2. Januar 2024 (französisch).
  2. Journal officiel de la République française, Lois et décrets vom 31. Juli 1894 auf Gallica
  3. a b c d e f g Yves Le Trocquer. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 2. Januar 2024 (französisch).
  4. Louis Puech. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 2. Januar 2024 (französisch).
  5. Jules Cels-Couybes. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 2. Januar 2024 (französisch).
  6. Maier 2015, S. 195 f.
  7. Jackson 2013, S. 401
  8. Evanno 2013
  9. a b Badel 1999
  10. Stanislas Jeannesson: Les européistes dans l’entre-deux-guerres : Vitalité de l’européisme. In: Toute l’Europe. 2. Mai 2023, abgerufen am 2. Januar 2024 (französisch).
  11. Fischer 2017, S. 44
  12. Le Trocquer. In: Base Léonore. Abgerufen am 2. Januar 2024 (französisch).
  13. Place Yves Le Trocquer. In: Pontrieux. Abgerufen am 2. Januar 2024 (französisch).
VorgängerAmtNachfolger

Albert-André Claveille
selbst
selbst
selbst
selbst
selbst
selbst
Minister für öffentliche Arbeiten
20.01. 1920 – 18.02. 1920
18.02. 1920 – 23.09. 1920
24.09. 1920 – 16.01. 1921
16.01. 1921 – 15.01. 1922
15.01. 1922 – 29.03. 1924
29.03. 1924 – 08.06. 1924
08.06. 1924 – 10.06. 1924

selbst
selbst
selbst
selbst
selbst
selbst
Pierre Laval

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Yves Le Trocquer and Charles de Lasteyrie leaving the Palais de l'Élysée.jpg
The ministers Yves Le Trocquer and Charles de Lasteyrie leaving the Palais de l'Élysée on 22 September 1922
Yves Le Trocquer.jpg
French politician Yves Le Trocquer (1877-1938)
Le Trocquer 1894.jpg
Yves Le Trocquer en 1894, détail d'une photo des élèves du Collège Stanislas. Pierre Petit photographe. Taille du cliché d'origine : 2,5 x 3 cm