Wu Shaoxiang wurde 1957 in der Provinz Jiangxi geboren. Von 1969 bis 1978 durfte er die Schule nicht besuchen und arbeitete als Bauer, Maurer und Flößer. Er studierte von 1978 bis 1982 Bildhauerei am Jingdezhen Ceramic Institute, anschließend bei Zhen Ke an der China Central Academy of Arts and Design in Peking.[1]
Ende der achtziger Jahre war er Mitglied der chinesischen Avantgardebewegung „New Wave Art“.[2][3] Der Sinn hinter dieser neuen Gruppe war eine Überprüfung der Tradition angesichts des immer stärker werdenden Einflusses der westlichen Kultur in China und die Durchführung mutiger Experimente, um die chinesische Kunst in die moderne Welt zu führen.[4] 1988 organisierte das chinesische Nationalmuseum seine erste große Personale und im selben Jahr konnte er als erster moderner chinesischer Künstler seine Skulptur „Meditation“ im öffentlichen Raum in Europa platzieren.[5] 1987 graduierte er an der China Central Academy of Arts and Design in Peking und lehrte an selbiger Akademie, bis er 1989 als Verfechter der Demokratiebewegung seine Heimat verlassen musste. Am 6. Juni 1989, zwei Tage nach dem Massaker auf dem „Platz des Himmlischen Friedens“, konnte er mit Hilfe der österreichischen Botschaft China verlassen. Wu Shaoxiang ließ sich in Österreich mit seiner Frau Jiang Shuo, die ebenso Bildhauerin ist, und ihrem Sohn nieder. 1991 schuf er „Apple“, seine erste Skulptur, die vollständig aus Münzen besteht. Sie wurde 1995 ins Guinness-Buch der Rekorde aufgenommen und befindet sich heute in der Österreichischen Nationalbank. Wu Shaoxiang erlangte 1993 die österreichische Staatsbürgerschaft und veröffentlichte im selben Jahr ein Buch über seine, seit seiner Ankunft in Europa hergestellten Skulpturen. Wu Shaoxiang stellte in dieser Zeit in Europa und Asien aus. 1996 baute Wu Shaoxiang mit seiner Frau Jiang Shuo ein neues Atelier in Ebental (Kärnten) und schrieb seine Autobiographie „Im Schatten der Sonne“.[6][7] 2006 richtete Wu Shaoxiang ein Studio in Peking ein und veröffentlichte das Buch „Art of Sculpture“, das zum Lehrbuch für alle chinesischen Universitäten wird.[8] Wu Shaoxiang ist ab 2008 Gastprofessor an der Akademie der bildenden Künste der Fu Dan University in Shanghai. Aufgrund seiner steigenden Beliebtheit erfolgte 2012 die Eröffnung eines Ateliers in Berlin. Ab 2017 ist er Gastprofessor an der Tianjin Academy of Fine Arts. Alternierend lebt Wu Shaoxiang heute in Österreich, Berlin und Peking.
Bevor Wu Shaoxiang 1989 China verließ, war er bereits in chinesischen Kunstkreisen bekannt. Im Rahmen der New-Wave-Art-Bewegung war er einer der Avantgarde-Künstler, die die zeitgenössischen Impulse der globalen Kunstwelt aufspürten und die chinesische Kunst internationalisierten. Wu war in seinen skulpturalen Arbeiten ein leidenschaftlicher Befürworter moderner Konzepte. Seine weiblichen abstrakten Körperskulpturen aus dieser Zeit lösten sich vom konventionellen und konservativen Stil. Diese Arbeiten schlugen ein neues Kapitel in der modernen chinesischen Kunstgeschichte auf.[9] Wus Inspirationen waren damals sowohl Brâncuși und Arp als auch Duchamp mit seinen ironischen Skulpturen. Mit allen diesen Zutaten vermittelten seine Skulpturen eine eher obskure, aber tiefgründige Botschaft, die in den Achtzigerjahren von seinen Kollegen noch nicht wirklich geschätzt wurde.[10] Ihnen war plakative Gesellschaftskritik oder Überlegungen, wie sie die moderne Kunstsprache dekonstruieren könnten, wichtiger.[10]
Nach dem 4. Juni 1989 (Tian’anmen-Massaker) zog Wu mit seiner Familie nach Österreich. Als ein chinesischer Künstler, der zu Beginn in einem fremden Land kämpfte und Zeuge der Globalisierung der Welt und ihrer Auswirkungen auf die Welt der Kunst war, stand Wu unausweichlich vor einem Scheideweg. Als Postmodernist musste er seine „Tradition“ dekonstruieren oder die „Tradition“ seiner künstlerischen Erziehung neu interpretieren. Wu wählte die bekannte historische Meisterwerke der westlichen Kunst aus, um die Themen seiner metaphorischen Botschaften auszudrücken. Wu kommentierte sein Ausgangsmaterial – Münzen und später Banknoten – mit den folgenden Worten: „Erfindungen können Menschen von körperlichen Einschränkungen befreien, führen aber auch zu unerwarteten neuen Einschränkungen. Währung ist so: Sie wurde erfunden, um den Warenaustausch zu erleichtern, aber sie kam zurück, um das Verhalten und den Verstand der Menschen am Ende zu dominieren. Münzen als eine Art normales Material wie Stein, Holz oder Metall können zur Herstellung von Skulpturen verwendet werden.“ Die Idee des „Geldes“, veranschaulicht durch die von ihm verwendeten Münzen und Banknoten, ist in seinem Kopf unvereinbar mit dem tatsächlichen Wert der Kunst. Die genaue Interpretation seiner Werke ist jedoch immer noch unklar und unscharf. In der Geschichte der Skulptur ist er der Erste, der Münzen exklusiv und beharrlich zur Herstellung von Skulpturen verwendet. Wus Werke gehen über die traditionelle Definition von Skulptur hinaus. Das in seiner Kunst verwendete Rohmaterial ist nicht nur ein wesentlicher Bestandteil seiner Arbeitssubstanz, sondern auch eine Kunstform in sich.[11]
The Four Feelings, China Association of letters and Arts, Peking, China, 1987
The See of Knowledge, Central University of Finance, Peking, China, 1987
Masks, Beijing International Hotel, Peking, China, 1987
Bath, The Central Academy of Arts and Design, Peking, China, 1987
The Flags of Hong Kong, 1994, Hong Kong Dollar-Münzen, 70 × 313 × 9 cm, Hong Kong Art Museum SammlungSpring, Bin River Park, Beijing City Government, Peking, China, 1986
Literatur
Gao Minglu (2010). Wu Shaoxiang Works. Shuimu Art Space, Peking.
Linda Ma (2016). Invisible Hand. Linda Gallery, Peking.
Linda Ma (2014). Wu Shaoxiang & Jiang Shuo. Linda Gallery, Peking.
Xu Liang (2016). Wu Shaoxiang, Collected Works. Today Art Museum Publishing House LTD, Peking.
↑Linda Gallery 林大藝术中心: Wu Shaoxiang 吴少湘 (b. 1957). In: Linda Gallery 林大藝术中心. Archiviert vom Original am 30. Januar 2019; abgerufen am 29. Januar 2019 (englisch).Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/lindagallery.net
↑Linda Gallery 林大藝术中心: Wu Shaoxiang 吴少湘 (b. 1957). In: Linda Gallery 林大藝术中心. Archiviert vom Original am 30. Januar 2019; abgerufen am 29. Januar 2019 (englisch).Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/lindagallery.net
↑Gao Minglu: “Particular Time, Specific Space, My Truth”. In: Antinomies of Art and Culture. Duke University Press, 2008, ISBN 978-0-8223-8933-0, S.133–164, doi:10.1215/9780822389330-011.
↑Unsichtbare Hand – Ausstellung von Jiang Shuo und Wu Shaoxiang. In: de.china.com. Archiviert vom Original am 29. Januar 2019; abgerufen am 29. Januar 2019.Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/de.china.com