Wow!-Signal

Bild 1: Scan des namensgebenden Dokuments von Jerry R. Ehman

Das Wow!-Signal war ein Schmalband-Radiosignal, das der Astrophysiker Jerry R. Ehman im Rahmen eines SETI-Projekts am „Big Ear“-Radioteleskop der Ohio State University am 15. August 1977 aus Richtung des Sternbildes Schütze aufzeichnete. Das Signal gilt bis heute als vielversprechendster Anwärter für eine außerirdische Botschaft.

Das Signal

Frequenz und Stärke

Das Signal war mit dem 30-fachen der Standardabweichung signifikant stärker als das Hintergrundrauschen. Die Bandbreite betrug weniger als 10 kHz.[1] Zwei verschiedene Werte seiner Frequenz wurden angegeben, 1420,356 MHz (J. D. Kraus, alter Wert) und 1420,456 MHz (J. R. Ehman, revidierter Wert), jedoch beide sehr nahe der Frequenz von 1420,405 MHz, die vom Hyperfeinstruktur-Übergang des neutralen Wasserstoffs (Wasserstofflinie) im Universum erzeugt wird. Der Unterschied dieser beiden Werte erklärt sich durch einen Fehler im System, der erst nach dem Signal entdeckt und berichtigt wurde. Auch wurden zwei mögliche Äquatorialkoordinaten angegeben: R.A. = 19h22m22s ± 5s oder 19h25m12s ± 5s, sowie beide Dek. = −27°03′ ± 20′ (in der Epoche B1950.0). Diese Region liegt im Sternbild Schütze, etwa 2,5 Grad Süd der Gruppe Chi Sagittarii. Tau Sagittarii ist der nächste sichtbare Stern.

Verblüfft, wie schmalbandig das Signal war, und wie sehr das Intensitäts-Profil dem glich, das ein lokalisiertes Signal in der verwendeten Antenne erzeugen würde, umrandete Ehman auf dem Computerausdruck den Zeichencode „6EQUJ5“ (die empfangenen Intensitäten wurden aufsteigend codiert mit den Zahlen 1 bis 9, über 9 hinaus mit den Buchstaben A bis Z, „Z“ → höchste Intensität) der Intensitätsvariation mit dem Stift und schrieb den Kommentar Wow!“ an den Seitenrand. Dieser Kommentar wurde zum Namen des Signals.[2]

Da das „Big Ear“-Radioteleskop auf den Himmel fixiert war und sich daher mit der Erdrotation mitbewegte, wäre ein interstellares Signal im Gegensatz zu einem erdgebundenen oder sonnensystemgebundenen Signal dabei vermutlich zuerst in seiner Intensität angestiegen, hätte nach 36 Sekunden seinen Höhepunkt erreicht und sich danach wieder abgeschwächt. Da das Signal exakt dieser Schablone entsprach, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich tatsächlich um ein interstellares Signal handelt, extrem hoch. Allerdings wurde damals ein weiteres Empfangsfenster exakt drei Minuten nach jenem ersten Fenster nachgeführt und hätte das Signal entsprechend drei Minuten nachher ebenfalls empfangen müssen; dies war jedoch nicht der Fall.

Es wurde spekuliert, ob interstellare Oszillation eines schwächeren, kontinuierlichen Signals (ein Effekt ähnlich dem atmosphärischen Funkeln der Sterne) eine mögliche Erklärung ist (obwohl diese einen künstlichen Ursprung des Signals nicht widerlegen würde). Jedoch konnte das Signal mit dem wesentlich empfindlicheren Very Large Array ebenfalls nicht festgestellt werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Signal unterhalb der Empfindlichkeit des Very Large Array vom „Big Ear“-Radioteleskop wegen interstellarer Szintillation empfangen wird, ist mit weniger als 10−40 extrem gering.

Es ist unwahrscheinlich, jedoch möglich, dass das Signal terrestrischen Ursprungs ist oder von einem Objekt innerhalb des Sonnensystems stammt. Das Signal wurde 72 Sekunden lang gemessen und wiederholte sich offenbar nicht; alle späteren Nachforschungen – durch Ehman selbst und durch andere – konnten es nicht mehr ausfindig machen. Die Natur des Signals bleibt deshalb ungeklärt, und bislang können lediglich einige Möglichkeiten ausgeschlossen werden.

Interpretation des Papier-Ausdrucks

Die horizontalen Zeilen in Bild 1 stellen die Empfangsfeldstärken in Intervallen von 12 Sekunden dar. Hierbei wurde etwa 10 Sekunden lang empfangen, der Computer benötigte etwa 2 Sekunden für die Verarbeitung. Die vertikalen Spalten stellen die Empfangsfeldstärken in den einzelnen Empfangskanälen dar. Es gab 50 Kanäle von je 10 kHz Bandbreite. Jedes Zeichen auf dem Ausdruck repräsentiert die Empfangsfeldstärke in einem bestimmten 10-kHz-Kanal und einem bestimmten 12-Sekunden-Intervall. Zur Codierung wurde die geglättete Feldstärke relativ zum Rauschen in Einheiten der Standardabweichung herangezogen. Dieser Wert wurde durch ein alphanumerisches Zeichen dargestellt. Ein Leerzeichen bedeutete, dass das derzeitige Signal weniger als 1 Standardabweichung über dem Rauschen lag. Werte von 1 bis 9 gaben an, dass das Signal über 1 bis 9 Standardabweichungen über dem Rauschen lag. Noch stärkere Signale (Faktor 10 bis 35 über dem Rauschen) wurden durch die Buchstaben A bis Z dargestellt. Der Buchstabe U entspricht dem Intervall 30–31.[3] Üblicherweise sollte der Ausdruck viele Leerstellen aufweisen, mit gelegentlichen niedrigen Zahlen.

Das Muster „6EQUJ5“ in einer vertikalen Spalte zeigt einen starken, schmalbandigen Anstieg der Empfangsfeldstärke. Die maximale Feldstärke lag dabei 30 Standardabweichungen über dem Rauschen.

Veränderung über die Zeit

Bild 2: Verlauf der Empfangsstärke über die Zeit

Bild 2 zeigt die Zeichen als Kurve, also den Verlauf der Empfangsstärke über der Zeit. Die eigentliche Stärke des Signals könnte konstant gewesen sein, durch die feste Montage der Antenne und durch die Drehung der Erde wurde die Empfangskeule am Signal vorbeigedreht. So musste sich eine Veränderung von sehr schwach über stark zu sehr schwach ergeben, ähnlich einer Glockenkurve.[4]

„Horizontale“ Information

Die nachfolgende Erklärung befasst sich mit den vertikalen Spalten in Bild 1, speziell mit der Spalte mit der kodierten Folge der Signalstärken.

Horizontal, von links nach rechts, sind in Bild 1 nebeneinander 20 Spalten. Diese repräsentieren 20 Kanäle, in denen gleichzeitig Signale eingingen.

Die Bandbreite jedes Kanals war 10 kHz. In Bild 1 finden sich im Rest der Kanäle keine starken Signale, nur das allgemeine schwache Rauschen.

Modulation, Inhalt möglich?

Jerry Ehman diskutiert in seinem Aufsatz The Big Ear Wow! Signal ausführlich Details.[5] In einem Kapitel des Dokuments diskutiert er die Frage, ob es möglich ist, dass das Signal Modulation, also Inhalt, enthielt.[6]

„Die Antwort von Dr. Ehman war: ‚Ja, das ist möglich.‘ Aber damals war der Empfänger nicht genügend leistungsfähig. Auch der damalige Computer war es nicht. Beim damaligen Stand der Technik hätte man bereits einen wesentlich schmalbandigeren Empfänger einsetzen können, nämlich mit einer Bandbreite von höchstens 0,5 kHz, und einen zweiten Computer für die Analyse. Falls das Signal eine Modulation enthielt, etwa eine ähnliche, wie wir sie in unserer Arecibo-Botschaft verwendeten, konnten wir den Inhalt wegen unseres zu einfachen, breitbandigen Empfängers nicht feststellen.“

Mögliche Erklärungen

Im Rahmen der Fernsehdokumentation Die Aliens – Mythos und Wahrheit (ZDF, 2010) erklärte Harald Lesch, dass das Wow!-Signal alle Kennzeichen eines interstellaren Kommunikationsversuchs zeigte, es aber auch ein gigantischer Ausbruch eines Pulsars gewesen sein könnte.[7]

Antonio Paris, Astronomieprofessor am St. Petersburg College in Florida, vermutet dagegen, dass das Signal natürlichen Ursprungs war und von einem vorüberziehenden Kometen innerhalb des Sonnensystems gestammt haben könnte. Laut Paris könnte das Teleskop seinerzeit die Spur einer Wasserstoffwolke eines solchen Kometen registriert haben. Diese Wasserstoffwolken entstehen, wenn sich ein Komet der Sonne nähert. Mögliche Kandidaten für dieses Ereignis seien die erst 2006 bzw. 2008 entdeckten Kometen 266P/Christensen und 335P/Gibbs.[8][9][10] Am 25. Januar 2017 bot sich mit der erneuten Passage von 266P/Christensen eine Überprüfung seiner Theorie an. Im Ergebnis dieser Beobachtung sowie vergleichender Untersuchungen an anderen 1420-MHz-Quellen kamen Paris und sein Team zu dem Schluss, dass die Wolke des Kometen die Quelle für das Wow!-Signal gewesen sei.[11] Diese Hypothese wird von führenden Astronomen abgelehnt und gilt als widerlegt.

Quellregion

Im November 2020 identifizierte ein Amateurastronom in der Quellregion des Signals basierend auf den öffentlich verfügbaren Daten das wahrscheinlichste Quellsternsystem (2MASS 19281982-2640123), von dem bekannt ist, dass es möglicherweise einen sonnenähnlichen Stern enthält.[12][13][14]

Big-Ear-Radioteleskop

Das Ohio State University Radio Observatorium, kurz auch nur The Big Ear (deutsch: Das große Ohr) genannt, war ein Radioteleskop auf dem Gelände der Ohio Wesleyan University und war bis 1995 Teil eines SETI-Suchprogramms der Ohio State University.[15] Am Big Ear wurde von 1973 bis 1995 das bisher längste SETI-Suchprogramm durchgeführt. Nach fast 40 Betriebsjahren wurde das Teleskop 1998 demontiert, das Gelände verkauft und danach als Golfplatz genutzt.[16]

Siehe auch

Literatur

  • Robert H. Gray: The Elusive Wow: Searching for Extraterrestrial Intelligence. Palmer Square Press, Chicago 2012, ISBN 0-9839584-4-0
  • Jerry R. Ehmann: “Wow!” – A Tantalizing Candidate. In: H. Paul Shuch: Searching for extraterrestrial intelligence – SETI past, present, and future. Springer, Berlin 2011, ISBN 978-3-642-13195-0, S. 47–63.

Weblinks

Commons: Wow!-Signal – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. The signal was very strong (30 sigmas or thirty times the background), and it was narrowbanded (width of 10 kilohertz or less) because it appeared in only one channel.” in: David W. Swift: SETI pioneers – scientists talk about their search for extraterrestrial intelligence. University of Arizona Press, Tucson 1990, ISBN 0-8165-1119-5, S. 13–15, 244
  2. Historisches SETI-Signal ohne Kosmogramm. Telepolis; abgerufen am 15. August 2017.
  3. Jerry R. Ehman: The Computer Printout. In: The Big Ear Wow! Signal. What We Know and Don’t Know About It After 20 Years. 3. Februar 1998, abgerufen am 16. August 2017 (englisch).
  4. Jerry Ehman: Explanation of the Code „6EQUJ5“ On the Wow! Computer Printout. Abgerufen am 1. Januar 2010 (englisch).
  5. Jerry R. Ehman: The Big Ear Wow! Signal. What We Know and Don’t Know About It After 20 Years. Big Ear Radio Observatory, 1. September 1997, abgerufen am 6. Juni 2011 (englisch).
  6. Jerry R. Ehman: The Big Ear Wow! Signal. What We Know and Don’t Know About It After 20 Years. Big Ear Radio Observatory, 1. September 1997, S. 21–23, abgerufen am 6. Juni 2011 (englisch).
  7. Video Die Aliens – Mythos und Wahrheit in der ZDFmediathek, abgerufen am 11. Februar 2014. (offline)
  8. Antonio Paris, Evan Davies: Hydrogen Clouds from Comets 266/P Christensen and P/2008 Y2 (Gibbs) are Candidates for the Source of the 1977 “WOW” Signal. (PDF; 888 kB) In: Journal of the Washington Academy of Sciences, 100, 2015.
  9. Jesse Emspak: Famous Wow! signal might have been from comets, not aliens. newscientist.com, 11. Januar 2016, abgerufen am 13. Januar 2016 (englisch).
  10. Thomas Trösch: Weltall: Woher stammt das Wow-Signal? In: golem.de. 12. Januar 2016, abgerufen am 13. Januar 2016.
  11. Antonio Paris: Hydrogen line observations of cometary spectra at 1420 MHz. (PDF; 1,9 MB) In: Journal of the Washington Academy of Sciences, 102, 1. April 2017, Nr. 2; abgerufen am 6. Juni 2017.
  12. Bob Yirka: Amateur astronomer Alberto Caballero finds possible source of Wow! signal (en). In: phys.org. 
  13. Sun-like star identified as the potential source of the Wow! Signal (en). In: Astronomy.com. 
  14. Alberto Caballero: An approximation to determine the source of the WOW! Signal. 30. November 2020.
  15. About the Big Ear Radio Telescope bigear.org, abgerufen am 20. November 2010
  16. Fernando J. Ballesteros: E. T. talk: how will we communicate with intelligent life on other worlds? Springer, New York 2010, ISBN 978-1-4419-6088-7, S. 78

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Autor/Urheber: Maxrossomachin, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Plot of signal-to-noise ratio of the Wow! signal vs time.
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Scan einer farbigen Kopie des originalen Computerausdruck vom Wow! Signal