Wolfgang Unzicker
Wolfgang Unzicker, Bad Liebenzell 1995 | |
Verband | Deutschland |
Geboren | 26. Juni 1925 Pirmasens |
Gestorben | 20. April 2006 Albufeira |
Titel | Internationaler Meister (1950) Großmeister (1954) |
Beste Elo‑Zahl | 2545 (Juli 1971) |
Wolfgang Unzicker (* 26. Juni 1925[1] in Pirmasens; † 20. April 2006 in Albufeira) war ein deutscher Schachmeister.
Leben
Wolfgang Unzicker war der Sohn des Studienprofessors Eugen Unzicker (1884–1976), der in den 1920er Jahren Schachturniere organisierte und Lehrer am Theresien-Gymnasium in München war, das auch der Sohn bis zum Abitur 1944 besuchte. Von seinem Vater erlernte Unzicker im Sommer 1935 das Schachspiel. Er machte schnell Fortschritte und wurde 1939 zu einer von Willi Schlage geleiteten Talentsichtung nach Fürstenwalde/Spree eingeladen, bei der er unter anderem Klaus Junge kennenlernte. Unzicker durchlief den Reichsarbeitsdienst und die Grundausbildung der Wehrmacht, wurde 1944 jedoch wegen einer Herzschwäche ausgemustert. 1948 begann er ein Jurastudium an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Von Beruf Jurist, hat Wolfgang Unzicker Schach nie als Profi betrieben. Er arbeitete zunächst als Beamter in der Regierung von Oberbayern, ab 1971 als Richter und später Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht München. Für die Teilnahme an Schachturnieren nahm er jeweils Urlaub.
In den 1950er und 1960er Jahren war er einer der stärksten deutschen Spieler. Markant war sein verblüffendes Gedächtnis. In internationalen Turnieren belegte er mehrfach erste Plätze, etwa 1948 in Luzern, 1949 in Heidelberg[2], 1950 in Travemünde, 1950/51 in Hastings, 1951/52 in Luzern, 1954 im Zonenturnier München, 1965 in Soci, 1967 in Maribor und 1967 in Krems. 1966 wurde er beim Piatigorsky-Cup, einem der historischen Superturniere, in Santa Monica Vierter und platzierte sich damit vor dem damaligen Weltmeister Tigran Petrosjan, Samuel Reshevsky, Miguel Najdorf, Borislav Ivkov und Johannes Hendrikus Donner. Auch in späteren Jahren konnte er seine Spielstärke lange auf hohem Niveau konservieren und erreichte Turniersiege in Amsterdam 1980 (IBM-II), Almada 1988, Daugavpils 1990 (geteilt mit Alexei Schirow) und Amsterdam 1994. Seine beste Elo-Einzelleistung erzielte er bei einem Turnier in Südafrika 1979, bei dem er hinter dem damaligen Vizeweltmeister Viktor Kortschnoi den zweiten Platz belegte.
Im Jahre 1950 wurde er Internationaler Meister. Den Titel eines Schachgroßmeisters errang er 1954.[3]
Zwischen 1948 und 1965 gewann er sechs Mal die Deutsche Meisterschaft, nämlich 1948 in Essen (Westdeutsche Meister)[4], 1950 in Bad Pyrmont (BRD-Meister), 1953 in Berlin (BRD-Meister)[5], 1953 in Leipzig (gesamtdeutscher Meister), 1959 in Nürnberg und 1963[6] in Bad Pyrmont.
Im Jahr 1956 verlor er in Hamburg einen Freundschaftswettkampf gegen Paul Keres mit 6:2 (+0 =4 −4). Dieses Match ist insofern bemerkenswert, als in allen acht Partien die Spanische Eröffnung gespielt wurde. 1958 wurde er Internationaler Schiedsrichter für Schachkomposition für Studien.[7]
Anlässlich seines 80. Geburtstages wurde im Rahmen der Chess Classics Mainz 2005 ein doppelrundiges Schnellschachturnier zu seinen Ehren ausgerichtet, in dem er zum Abschluss seiner Karriere nochmals auf Anatoli Karpow, Viktor Kortschnoi und Boris Spasski traf.
Unzickers beste Elo-Zahl war 2545 im Juli 1971, vor Einführung der Elo-Zahlen betrug seine beste historische Elo-Zahl 2686 im Juli 1960.
Unzicker starb während einer Urlaubsreise in Portugal an Herzversagen.
Nationalmannschaft
Unzicker nahm an den Schacholympiaden 1950, 1954, 1956, 1958, 1960, 1962, 1964, 1968, 1970, 1974, 1976, 1978 und 1982 teil. Am erfolgreichsten war er 1950, als er mit der Mannschaft den dritten Platz erreichte und das beste Einzelergebnis am Spitzenbrett erspielte. Mit der Mannschaft kam er 1964 erneut auf den dritten Platz.[8] An der Endrunde der Mannschaftseuropameisterschaft nahm Unzicker 1957, 1961, 1965, 1973 und 1977 teil und erreichte dabei 1961 das zweitbeste Ergebnis am ersten Brett.[9] Insgesamt hatte Unzicker 386 Einsätze in der bundesdeutschen Nationalmannschaft und ist damit Rekordnationalspieler.[10]
Vereine
Unzicker spielte jahrelang für den Münchener SC 1836, mit dem er in den 1950er und 1960er Jahren achtmal deutscher Mannschaftsmeister wurde. Nach Gründung der viergleisigen Bundesliga spielte er von 1974 bis 1976 und in der Saison 1977/78 in der Bundesliga. Nach Gründung der eingleisigen Bundesliga spielte er mit dem Münchener SC 1836 zunächst in der 2. Bundesliga, nach dem Aufstieg von 1982 bis 1987 in der 1. Bundesliga. In der Saison 1987/88 spielte er mit dem TB Erlangen in der 1. Bundesliga, von 1988 bis 1992 mit dem SC 1868 Bamberg und von 1994 bis 2000 mit dem PSV Duisburg. Sein letzter Verein war der SK Tarrasch München, mit dem er in der Saison 2004/05 in der Oberliga Bayern spielte.[11]
Familie
Unzicker war seit 1963 verheiratet mit der Aquarellmalerin Freia (* 1938) und hinterließ drei Söhne. Einer davon ist der Fachbuchautor Alexander Unzicker, Sohn Ferdinand (* 1971) ist promovierter Jurist und Schachspieler (1. und 2. Bundesliga mit Bayern München, höchste Elo 2337 von Mai bis Oktober 2013 sowie im März 2014). Sohn Stefan (* 1960) wurde von Wolfgang Unzicker adoptiert.
Publikationen
Über seine frühe Schachkarriere verfasste er 1962 ein Buch Vierzig eigene Partien. Zusammen mit Jacob Silbermann schrieb er 1975 eine Geschichte des Schachspiels.[12] 1975 veröffentlichte er das Lehrbuch Knaurs Neues Schachbuch – Für Anfänger und Fortgeschrittene, 1985 Schach für Kenner.
1994 erstellte er im Auftrag des Deutschen Schachbundes ein Rechtsgutachten[13], in dem er ein Urheberrecht der Spieler an den von ihnen gespielten Partien verneint. Das Gutachten war erforderlich geworden, weil Spieler wie Großmeister Robert Hübner sich gegen die Regelung sträubten, dass Partienotationen Eigentum des Turnierveranstalters sind.
Auszeichnungen
Im Jahre 1954 erhielt Unzicker das Silberne Lorbeerblatt; 1984 wurde er von der Stadt München mit der Stadt-Medaille ausgezeichnet. Im Jahre 1995 erhielt er das Bundesverdienstkreuz am Bande.
Literatur
- Gerhard Josten (Hrsg.): Wolfgang Unzicker (Anthologie). Verlag ChessCoach, St. Ingbert 2014, ISBN 978-3-944158-03-7.
- KARL. Das kulturelle Schachmagazin: Heft 2/2007, Schwerpunkt: Wolfgang Unzicker
Weblinks
- Nachspielbare Schachpartien von Wolfgang Unzicker auf 365Chess.com (englisch)
- Bilder und Partien
- Partieformulare und weitere Materialien über Wolfgang Unzicker
- Ausführlicher Nachruf bei Chessbase.de
- Literatur von und über Wolfgang Unzicker im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Einzelnachweise
- ↑ Hartmut Metz: Wolfgang Unzicker wird 80 In: de.chessbase.com. 26. Juni 2005, abgerufen am 23. Oktober 2019.
- ↑ Das Internationale Turnier 1949 in Heidelberg auf TeleSchach
- ↑ Willy Iclicki: FIDE Golden book 1924–2002. Euroadria, Slovenia, 2002, S. 74.
- ↑ Westdeutsche Meisterschaft 1948 in Essen auf TeleSchach (Kreuztabelle und Partien)
- ↑ Deutsche Schacheinzelmeisterschaft 1953 in Berlin auf TeleSchach (Kreuztabelle und Partien)
- ↑ Deutsche Schacheinzelmeisterschaft 1963 in Bad Pyrmont auf TeleSchach (Kreuztabelle und Partien)
- ↑ Internationale Schiedsrichter für Schachkomposition
- ↑ Wolfgang Unzickers Ergebnisse bei Schacholympiaden auf olimpbase.org (englisch)
- ↑ Wolfgang Unzickers Ergebnisse bei Mannschaftseuropameisterschaften auf olimpbase.org (englisch)
- ↑ Nachruf auf Chessbase
- ↑ Ergebnisse des SK Tarrasch München in der Oberliga Bayern 2004/05 beim Deutschen Schachbund
- ↑ ISBN 3-570-01335-9.
- ↑ Gibt es ein Urheberrecht an Schachpartien? (PDF-Datei; 71 kB), Gutachten vom 22. Januar 1994
Personendaten | |
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NAME | Unzicker, Wolfgang |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Schachspieler |
GEBURTSDATUM | 26. Juni 1925 |
GEBURTSORT | Pirmasens |
STERBEDATUM | 20. April 2006 |
STERBEORT | Albufeira |
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Wolfgang Unzicker, Senioren-Schachweltmeisterschaft 1995 in Bad Liebenzell, Photo von Gerhard Hund.
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Grabstein Wolfgang Unzicker am Westfriedhof in München
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Lajos Portisch (links), László Szabó und Wolfgang Unzicker (stehend), Europa-Mannschaftsmeisterschaft, Oberhausen 1961, Photo von Gerhard Hund.
(c) Deutsche Fotothek, CC BY-SA 3.0 de