Wolfgang Herrmann (Bibliothekar)

Wolfgang Herrmann (* 14. März 1904 in Alsleben (Saale); † April 1945 bei Brünn) war ein deutscher Bibliothekar und Nationalsozialist, dessen „schwarze Listen“ die Vorlage für die Bücherverbrennungen der „Aktion wider den undeutschen Geist“ 1933 in Deutschland lieferten.

Leben

Bereits als Schüler wurde Herrmann Mitglied des Deutschvölkischen Jugendbundes. Er studierte ab 1922 Neuere Geschichte in München und wurde 1928 promoviert. 1929 arbeitete Herrmann in der Volksbibliothek in Breslau und engagierte sich für eine Büchereipolitik im nationalsozialistischen Sinne.[1]

1931 wechselte er an die Stadtbücherei Stettin, wo er aber schon im Oktober desselben Jahres entlassen wurde. Ebenfalls 1931 beantragte er die Aufnahme in die NSDAP, wo er mit dem Flügel um die Brüder Gregor und Otto Strasser sympathisierte. Im Jahr 1933 leitete der damals 29-Jährige die Zentralstelle für das deutsche Bibliothekswesen in Berlin. Im April 1934 wurde Herrmann Bibliotheksdirektor in Königsberg.

1936 wurde Herrmann hauptamtlicher Politischer Leiter innerhalb der NSDAP.[2]

Herrmann starb im April 1945 in der Nähe von Brünn.

Die Entstehung der Schwarzen Liste

Im April 1933 trat in Berlin auf Initiative von Oberbürgermeister Heinrich Sahm ein „Ausschuss zur Neuordnung der Berliner Stadt- und Volksbüchereien“ zusammen, dem der 29-jährige Herrmann zusammen mit Max Wieser und Hans Engelhardt angehörte. Herrmann hatte bereits in den vorherigen Jahren an Verzeichnissen auszusondernder Literatur gearbeitet, die er jetzt in den neu gegründeten Ausschuss einbrachte. Diese ersten Listen Herrmanns hatten zunächst nur die Funktion, die indizierten Werke für die Ausleihe in Büchereien zu sperren. In diesen ersten Listen empfahl Herrmann auch Hitler – ein deutsches Verhängnis von Ernst Niekisch und Adolf Hitler, Wilhelm der Dritte von Weigand von Miltenberg (Pseudonym des Herbert Blank)[3].

Ferner äußerte er sich geringschätzend über Hitlers Mein Kampf, weshalb kurz nach den Bücherverbrennungen gegen ihn durch die NSDAP-Parteipresse agitiert wurde. Ein von ihm selbst am 12. Dezember 1936 deswegen eingeleitetes Parteigerichtsverfahren wurde aufgrund einer Verfügung Hitlers vom 27. April 1938 eingestellt.[2]

Anfang des Jahres 1933 wandte sich auch die Deutsche Studentenschaft (DSt) an Herrmann mit der Bitte, seine Liste zur Organisation der Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933 zur Verfügung zu stellen. Diese „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ bildete die Grundlage für die nationalsozialistische Bücherverbrennung.[4]

Die NS-Forschung der letzten drei Jahrzehnte hat belegt, dass weder die Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933 noch die von Wolfgang Herrmann erstellte Schwarze Liste direkt vom „Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda“ in Auftrag gegeben oder gelenkt worden waren.[5]

Die Organisation der Bücherverbrennung lag weitgehend in der Hand der Deutschen Studentenschaft (die durchaus vom Reichsministerium unterstützt wurde), und ebenso war Herrmanns Schwarze Liste aus Eigeninitiative des überzeugten nationalsozialistischen Bibliothekars entstanden; erst in den folgenden Jahren übernahmen Goebbels und sein Ministerium – nach längeren Machtkämpfen mit Alfred Rosenberg – die alleinige Lenkung der Schrifttumspolitik.[6]

Schwarze Liste und Bücherverbrennung

Auf Basis seiner „schwarzen Listen“ erstellte Herrmann weitere Autorenlisten, die er dann ab dem 26. April 1933 sukzessive an die deutsche Studentenschaft für deren „Aktion wider den undeutschen Geist“ übermittelte. Am 26. März 1933 erschien eine erste „Liste verbrennungswürdiger Bücher“ in der „Berliner Nachtausgabe“. Sie war vorläufig und unvollständig und wurde bald durch einen gründlicheren Index ersetzt. Unter Zuhilfenahme dieser Listen wurden die Universitäts- und Institutsbibliotheken durchsucht und ab dem 6. Mai 1933 Buchhandlungen und Leihbüchereien von studentischen Stoßtrupps heimgesucht und des sogenannten „schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ beraubt. Die öffentlichen Stadt- und Volksbüchereien wurden dazu angehalten, ihre Bestände selbst zu „säubern“ und die ausgesonderten Bücher den Studentenschaften für die öffentlichen Bücherverbrennungen am 10. Mai zu übergeben.

Am 16. Mai 1933 wurde Herrmanns Schwarze Liste nachträglich als erste amtliche Schwarze Liste verbotener Bücher für Preußen im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel publiziert.

Siehe auch

Literatur

  • Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 237.
  • In jenen Tagen … Schriftsteller zwischen Reichstagsbrand und Bücherverbrennung. Eine Dokumentation. Gustav Kiepenheuer Verlag, Leipzig und Weimar 1983.
  • Siegfried Schliebs: Verboten, verbrannt verfolgt … Wolfgang Herrmann und seine „Schwarze Liste. Schöne Literatur“ vom Mai 1933 - Der Fall des Volksbibliothekars Dr. Wolfgang Hermann. In: Hermann Haarmann, Walter Huder, Klaus Siebenhaar (Hrsg.): „Das war ein Vorspiel nur …“ - Bücherverbrennung Deutschland 1933: Voraussetzungen und Folgen. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung der Akademie der Künste (Berlin) 1983. Medusa Verlagsgesellschaft, Berlin/Wien 1983, ISBN 3-88602-076-2, S. 442–444.
  • Gerhard Sauder (Hrsg.): Die Bücherverbrennung. Zum 10. Mai 1933. Carl Hanser, München und Wien 1983, S. 103ff.
  • Ulrich Walberer (Hrsg.): 10. Mai 1933. Bücherverbrennung in Deutschland und die Folgen. S. Fischer, Frankfurt a. M. 1983.
  • Volker Weidermann: Das Buch der verbrannten Bücher. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008, ISBN 978-3-462-03962-7, S. 17–20

Einzelnachweise

  1. Siegfried Schliebs: Der Fall des Volksbibliothekars Wolfgang Herrmann. In: Akademie der Künste (Hrsg.): Das war ein Vorspiel nur …: Bücherverbrennung Deutschland 1933. Voraussetzungen und Folgen. Medusa-Verlagsgesellschaft, Berlin/Wien, 1983, ISBN 3-88602-076-2, S. 442ff.
  2. a b Weidermann 2008, Einleitung (PDF; 51 kB).
  3. Lebensdaten 1899 - 1958, Anhänger des Strasser-Flügels in der NSDAP, hatte vor 1933 dieses ironische Buch über Hitler verfasst. Nach 1945 beim NWDR, solange, bis seine Vergangenheit bekannt wurde. Üblicherweise wird geschrieben, er sei 1939 - 1945 in einem KZ inhaftiert gewesen. Joseph Wulf, Kultur im Dritten Reich: Literatur und Dichtung, Ullstein, Frankfurt 1989 ISBN 3550070608 S. 456–459, druckt zwei Berichte des Blank aus dem Winter 1933 im Wortlaut ab, ferner 2 Briefe, die er als Zensor für Hans Hinkel verfasst hat, indem er den Kulturbund Deutscher Juden kontrollierte. Blank wurde am oder nach dem 30. Juni 1934 inhaftiert, beim sog. Röhm-Putsch. Hinkel schrieb Ende 1932 ziemlich negativ über den Charakter Blanks, die Quelle lag Wulf vor.
  4. Anselm Faust: Die Hochschulen und der „undeutsche Geist“. Die Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 und ihre Vorgeschichte. In: Akademie der Künste (Hrsg.): Das war ein Vorspiel nur …: Bücherverbrennung Deutschland 1933. Voraussetzungen und Folgen. Medusa-Verlagsgesellschaft, Berlin/Wien, 1983, ISBN 3-88602-076-2, S. 31–50, hier S. 39.
  5. Anselm Faust: Die Hochschulen und der „undeutsche Geist“. Die Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 und ihre Vorgeschichte. In: Akademie der Künste (Hrsg.): Das war ein Vorspiel nur …: Bücherverbrennung Deutschland 1933. Voraussetzungen und Folgen. Medusa-Verlagsgesellschaft, Berlin/Wien, 1983, ISBN 3-88602-076-2, S. 31–50, hier S. 38.
    Gerhard Sauder: Vorbereitung der „Aktion wider den undeutschen Geist“. In: Gerhard Sauder (Hrsg.): Die Bücherverbrennung: zum 10. Mai 193. Hanser, München/Wien, 1983, ISBN 3-446-13802-1, S. 69–102.
  6. Birgit Ebbert: Bücherverbrennung 1933. Auf shoa.de.