Wolfgang Berghofer
Wolfgang Berghofer (* 25. Februar 1943 in Bautzen) ist ein ehemaliger FDJ-Funktionär und SED-Politiker. Von 1986 bis 1990 war er Oberbürgermeister von Dresden.
Leben
Als Kriegskind in der Oberlausitz geboren, wuchs Wolfgang Berghofer mit Mutter und Großeltern allein auf. Die Eltern ließen sich nach Kriegsende scheiden, die Mutter lebte dann meist vom Sohn getrennt in West-Berlin und blieb nach dem Mauerbau auch endgültig dort.
Berghofer absolvierte 1959 bis 1962 eine Ausbildung zum Maschinenbauer, arbeitete bis 1964 im Beruf und war bis 1967 Kreissportlehrer in Bautzen und stellvertretender Vorsitzender des DTSB, Kreisverband Bautzen. Er trat 1957 der FDJ und 1964 der SED bei. 1969/70 war er Student an der FDJ-Jugendhochschule „Wilhelm Pieck“ am Bogensee. Ab 1968 war er hauptamtlicher FDJ-Funktionär, seit 1970 beim Zentralrat der FDJ, wo er zunächst für die Westarbeit mitverantwortlich war, später wechselte er in die Organisation von Großveranstaltungen und war im Organisationskomitee X. Weltfestspiele 1973 in Berlin unter der Hauptabteilung Großveranstaltungen Abteilungsleiter „Tribunal“ sowie stellvertretender Leiter des Büros zur Vorbereitung der Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Havanna. 1978 erhielt er den Orden Banner der Arbeit.[1] Von 1971 bis 1981 war Berghofer als inoffizieller Mitarbeiter „Falk“ für das Ministerium für Staatssicherheit tätig.[2] Er war ab 1978 Abteilungsleiter im Zentralrat der FDJ. 1983 bis 1985 absolvierte er ein Fernstudium an der Universität Rostock zum Diplom-Historiker.
Von 1986 bis 1990 war er als Nachfolger von Gerhard Schill Oberbürgermeister von Dresden und Abgeordneter des Bezirkstages. 1987 schloss er mit Klaus von Dohnanyi den Vertrag über die Städtepartnerschaft Hamburg-Dresden und erhielt den Vaterländischen Verdienstorden trotz scharfer Kritik aus dem SED-Politbüro.
Während der Wende und friedlichen Revolution 1989/90 galt Berghofer als einer der wenigen bekannten Reformsozialisten. Im Oktober 1989 war er Mitinitiator des Dresdner Dialogs mit der oppositionellen Gruppe der 20, verhinderte maßgeblich Repressalien an DDR-Oppositionellen[3] und sprach sich für Veränderungen (Berghofer: „Wahlen müssen wieder richtige Wahlen werden“) und eine schnelle Lösung der Frage der Reisefreiheit aus.[4] Im Dezember 1989 wurde er stellvertretender Vorsitzender der SED/PDS, aus der er im Januar 1990 unter Protest austrat. Er sah in der SED/PDS eine Partei, die nicht die Kraft habe, sich grundsätzlich zu ändern.[5] Als die neue Sozialdemokratische Partei in der DDR ehemaligen SED-Mitgliedern eine Aufnahme versagte, endeten seine politischen Ambitionen abrupt und er wechselte als Manager in die Wirtschaft. 1990/91 war er zunächst Generalbevollmächtigter für die Häussler-Gruppe, Stuttgart, und ist seitdem als selbstständiger Unternehmensberater in Berlin tätig, zurzeit arbeitet er für die Flugzeugzulieferindustrie.[6]
2001 kandidierte er als Parteiloser im zweiten Wahlgang für das Amt des Dresdner Oberbürgermeisters und erreichte 12,2 Prozent.[7]
Wenige Tage vorher stellte er sein Buch Meine Dresdner Jahre vor, in dem er seine Sicht des Funktionierens des „Systems DDR/SED“ darlegt,[8] schonte aber ehemalige SED-Funktionäre. Seiner Meinung nach lasse man allerdings zum Beispiel die Abteilungsleiter des ZK der SED, die eigentlichen und wirklichen DDR-Entscheidungsträger, sich aus ihrer Verantwortung stehlen.
Wolfgang Berghofer war bis 2017 Vorsitzender des Vorstandes der Betrieblichen Versorgungswerke für Unternehmen und Kommunen e. V. (BVUK).[9]
Privates
Wolfgang Berghofer lebt in Berlin-Marzahn. Er ist verheiratet und hat einen Sohn und eine Tochter.
Beteiligung am Wahlbetrug
1990 wurde gegen Berghofer wegen der Manipulationen bei der DDR-Kommunalwahl am 7. Mai 1989 ermittelt. Das Dresdner Bezirksgericht verurteilte ihn 1992 wegen „Wahlfälschung und Anstiftung zur Wahlfälschung“ zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung und einer Geldstrafe von 36.000 DM. Nach Berghofers Revisionsantrag bestätigte der Bundesgerichtshof das Urteil. Auch eine Verfassungsbeschwerde brachte für ihn keinen Erfolg. Berghofer ist einer der wenigen SED-Spitzenpolitiker, die offen den Wahlbetrug in der DDR zugegeben haben.
Veröffentlichungen
- Beitrag in Peter Neumann (Hrsg.): Träumen verboten. Aktuelle Stellungnahmen aus der DDR. Lamuv, Göttingen 1990, ISBN 3-88977-234-X.
- Meine Dresdner Jahre. Das Neue Berlin, Berlin 2001, ISBN 3-360-00951-7.
- Keine Figur im Schachspiel. Wie ich die „Wende“ erlebte. Edition Ost, Berlin 2014, ISBN 978-3-360-01854-0.
- Zwischen Wut und Verzweiflung. Nüchterne Bilanz nach 80 Jahren. Edition Ost, Berlin 2023, ISBN 978-3-360-02809-9.
- Deutschland braucht Veränderung. Machen statt meckern. Edition Ost, Berlin 2024, ISBN 978-3-360-02814-3.
Literatur
- Sabine Graul: Vom Revolutionär zum Apparatschik? Wolfgang Berghofer und seine gescheiterte Revolution 1989/90. In: Marian Nebelin, Sabine Graul (Hrsg.): Verlierer der Geschichte. Von der Antike bis zur Moderne. Lit, Berlin 2008, ISBN 978-3-8258-1326-0, S. 331–357.
- Elke Reuter, Helmut Müller-Enbergs: Berghofer, Wolfgang. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 1. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
- Christel Hermann: Oberbürgermeister der Stadt Dresden Wolfgang Berghofer. In: Dresdner Geschichtsbuch 10, Stadtmuseum Dresden 2004, S. 216–223. ISBN 3-936300-17-8.
Weblinks
- Literatur von und über Wolfgang Berghofer im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Lebenslauf Wolfgang Berghofers bei Chronik der Wende, dem Webangebot des Rundfunk Berlin-Brandenburg zur gleichnamigen Dokumentationsreihe
- F. K. Fromme: Rezension: Berghofer, Wolfgang: Meine Dresdner Jahre. ISBN 3-360-00951-7. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12. April 2002, S. 8 (PDF; 8 kB)
- Manfred Wilke: „Wir brauchen einen Schuldigen“. Interview mit Wolfgang Berghofer in der Frankfurter Rundschau, 12. April 2007
- Der grimmige Optimist: Wolfgang Berghofer, der letzte SED-Bürgermeister von Dresden, wird 75. Die Wahlfälschungen beschämen ihn bis heute. Sächsische Zeitung, 25. Februar 2018 (allerdings fehlerbehaftet, da seine Benennung Bergatschow nicht von Dresdnern, wie im Artikel angegeben, sondern aus Berlin stammt)
- Nachlass Bundesarchiv N 2778
Einzelnachweise
- ↑ Berliner Zeitung, 28. April 1978, S. 7
- ↑ Vgl. Reuter/Müller-Enbergs: Berghofer, Wolfgang.
- ↑ Reinhard Höppner: Wunder muss man ausprobieren. Der Weg zur deutschen Einheit. Berlin 2009, S. 52 f.
- ↑ Hoffnungs-Signal aus Dresden. In: Hamburger Abendblatt. 11. Oktober 1989, abgerufen am 18. September 2022.
- ↑ Patrick Moreau, Viola Neu: Die PDS zwischen Linksextremismus und Linkspopulismus. Konrad-Adenauer-Stiftung, 1994, ISBN 3-930163-31-4, S. 9
- ↑ Jutta Schütz: Der grimmige Optimist. In: Sächsische Zeitung. 24. Februar 2018 (online [abgerufen am 3. November 2020]).
- ↑ Michael Bartsch: Hausputz in Dresden. In: taz.de. 26. Juni 2001, abgerufen am 10. November 2022.
- ↑ Sven Felix Kellerhoff: Dolchstoßlegende der SED. In: Die Welt. 17. April 2007, abgerufen am 23. August 2024.
- ↑ Reizel tritt in die Fußstapfen von Berghofer. In: versicherungsmagazin.de. 21. Dezember 2017, abgerufen am 10. November 2022.
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
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Gerhard Schill | Oberbürgermeister von Dresden 1986–1990 | Herbert Wagner |
Personendaten | |
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NAME | Berghofer, Wolfgang |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Politiker (SED), FDJ-Funktionär und Oberbürgermeister von Dresden |
GEBURTSDATUM | 25. Februar 1943 |
GEBURTSORT | Bautzen |
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(c) Bundesarchiv, Bild 183-1986-0116-030 / Häßler, Ulrich / CC-BY-SA 3.0
Autor/Urheber: Dr. Bernd Gross, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Wolfgang Berghofer in Dresden, 26. Mai 2015