Wohngebäudeversicherung

Die verbundene Wohngebäudeversicherung (kurz: VWG) ist eine Sachversicherung, die ein definiertes Wohngebäude gegen die im Versicherungsvertrag versicherten Gefahren und Kosten versichert. Das versicherte Gebäude kann rein zu Wohnzwecken genutzt sein oder einen gewerblichen Anteil enthalten. Entscheidend ist, dass das versicherte Objekt bis zu mindestens 50 % zu Wohnzwecken genutzt wird. Die elementaren Grundgefahren, die im Normalfall versichert werden können, sind Feuer, Leitungswasser, Sturm und Hagel. Die damit verbundenen sowie weiterführenden Kosten sind über den Versicherungsvertrag eingeschlossen. In der Theorie kann der Versicherungsnehmer jede versicherte Gefahr einzeln bei einem Versicherungsunternehmen versichern.

Über die elementaren Grundgefahren hinaus bieten die meisten Versicherer in Deutschland auch erweiterten Versicherungsschutz gegen beispielsweise erweiterte Elementargefahren an. Hierzu gehören beispielsweise Überschwemmungen, Erdbeben, -senkungen oder -rutsche. Der Versicherungsschutz kann von jedem Versicherer individuell angeboten werden. Einen einheitlichen Anhaltspunkt bieten die Musterbedingungen zur verbundenen Wohngebäudeversicherung des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft.

Rechtliche Grundlagen

Eine Wohngebäudeversicherung ist ein Versicherungsvertrag und bewegt sich somit rechtlich im Rahmen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), Handelsgesetzbuchs (HGB) und Versicherungsvertragsgesetzes (VVG). Gegen Versicherungsprämie schließt der Kunde einen Vertrag bei einer Gesellschaft. Somit werden die individuellen Gesellschaftbedingungen Vertragsbestandteil. Diese Bedingungen unterteilen sich hierbei für gewöhnlich folgendermaßen:

  • Allgemeine Wohngebäudeversicherungsbedingungen (VGB)
  • Klauseln
  • Besondere Bedingungen für weitere Elementarrisiken in der Wohngebäudeversicherung (BEW oder BBEW)
  • individuelle Vereinbarungen

Gemäß dem EU-Wettbewerbs-Recht kann jede Versicherung ihre Bedingungen seit 1994 selbst bestimmen. Dies erschwert erheblich die Vergleichbarkeit der einzelnen Angebote.

Die Allgemeinen Wohngebäudeversicherungsbedingungen wurden gemäß folgender Chronologie entwickelt:

  • Allgemeine Wohngebäudeversicherungsbedingungen 1962
  • Allgemeine Wohngebäudeversicherungsbedingungen 1988
  • Allgemeine Wohngebäudeversicherungsbedingungen 2000
  • Allgemeine Wohngebäudeversicherungsbedingungen 2008

Inhalt der Versicherung

Die folgenden Definitionen beziehen sich auf die Musterbedingungen für Allgemeine Wohngebäudeversicherung des Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft[1]. Die einzelnen Versicherungsunternehmen sind nicht an diese gebunden. Jedoch richtet jedes Unternehmen sein Vertragswerk an diesem Muster aus.

Versicherte Sachen

  • Die in dem Versicherungsschein bezeichneten Gebäude (Beispiel: Musterstraße 99, 99999 Musterhausen)
  • Gebäudezubehör (Beispiel: Klingel- und Briefkastenanlagen, Müllboxen sowie Terrassen)
  • sonstiges Gebäudezubehör, soweit ausdrücklich vereinbart (Beispiel: Carports, Gewächs- und Gartenhäuser, Hundehütten, Hof- und Gehwegbefestigungen)
  • Einbaumöbel (Einbauküchen), die individuell für ein Gebäude gefertigt wurden
  • Gebäudezubehör, soweit es sich im Gebäude befindet oder am Gebäude angebracht ist und der Instandhaltung oder zu Wohnzwecken dient

Weitere Gebäudebestandteile und Gebäudezubehör sowie Wasser und Abwasserrohre außerhalb des Grundstücks werden nur aufgrund besonderer Vereinbarung versichert.

Nicht versicherte Sachen

Nicht versicherte Sachen sind nachträglich vom Mieter auf dessen Kosten eingefügte Sachen, für die dieser die Gefahr trägt, wie beispielsweise die Markise des Mieters.

Die Versicherungen im Einzelnen

Die verbundene Wohngebäudeversicherung verbindet drei Versicherungen in einem Vertrag. Die drei Versicherungen sind die Feuer-, die Leitungswasser- und die Sturmversicherung (inklusive Hagel). Jede Versicherung kann einzeln oder in beliebiger Kombination abgeschlossen werden. Die einzelnen Versicherungen vereinigen jeweils genau definierte Gefahren, welche das Gebäude und die weiteren versicherten Sachen bedrohen und durch diese versichert sein sollen.

VersicherungVersicherte Gefahrgenaue Definition gemäß Musterbedingungen
FeuerversicherungBrandBrand ist ein Feuer, das ohne einen bestimmungsgemäßen Herd entstanden ist oder

ihn verlassen hat und das sich aus eigener Kraft auszubreiten vermag.

BlitzschlagBlitzschlag ist der unmittelbare Übergang eines Blitzes auf Sachen.
Überspannung durch BlitzÜberspannung durch Blitz ist ein Schaden [sic], der durch Überspannung, Überstrom oder Kurzschluss infolge eines Blitzes oder durch sonstige atmosphärisch bedingte Elektrizität an versicherten elektrischen Einrichtungen und Geräten entsteht.
ExplosionExplosion ist eine plötzliche Kraftäußerung durch Ausdehnung von Gasen oder Dämpfen.
ImplosionImplosion ist eine plötzliche Zerstörung eines Hohlkörpers durch äußeren Überdruck infolge eines inneren Unterdruckes.
Leitungswasservers.LeitungswasserLeitungswasser ist Wasser, das aus bestimmten Quellen bestimmungswidrig ausgetreten ist.
Frost- und sonstige BruchschädenIn den Musterbedingungen gibt es keine Definition
SturmversicherungSturmSturm ist eine wetterbedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8 (Windgeschwindigkeit mind. 63 km/h).
HagelIn den Musterbedingungen gibt es keine Definition für Hagel. Die Gefahr Hagel ist unabhängig vom Ausmaß (z. B. Korngröße) ohne Eingrenzung versichert.

1. Feuerversicherung

In der Feuerversicherung ist das Wohngebäude gegen folgende Schadensursachen versichert:

  • Brand,
  • Blitzschlag,
  • Explosion,
  • Implosion und
  • Aufprall eines Luftfahrzeuges, seiner Teile oder seiner Ladung.

Schäden durch Brand sind nur versichert, wenn es sich um ein Feuer handelt, welches zu einer offen erkennbaren Flamme geführt hat. Des Weiteren sind Brandschäden an z. B. Kaminen nicht versichert, wenn das Feuer den Kamin nicht verlassen hat.

  • 7160 Überspannungsschäden durch Blitz
  • 7161 Brandschäden durch Nutzwärme
  • 7165 Fahrzeuganprall

2. Leitungswasserversicherung

In der Leitungswasserversicherung wird unterschieden:

2.1 Leitungswasserschäden

  • 7166 Regenwasserrohre innerhalb des Gebäudes – Klausel

2.2 Frost- und sonstige Bruchschäden

  • 7260 Erweiterte Versicherung von Wasserzuleitungs- und Heizungsrohren auf dem Versicherungsgrundstück, die nicht der Versorgung versicherter Gebäude oder Anlagen dienen
  • 7261 Erweiterte Versicherung von Wasserzuleitungs- und Heizungsrohren außerhalb des Versicherungsgrundstücks
  • 7262 Erweiterte Versicherung von Ableitungsrohren auf dem Versicherungsgrundstück*
  • 7263 Erweiterte Versicherung von Ableitungsrohren außerhalb des Versicherungsgrundstücks*

3. Sturmversicherung

In der Sturmversicherung sind Sturmschäden durch Windbewegungen ab Windstärke 8 sowie Hagelschäden versichert. In der Meteorologie werden Windbewegungen erst ab Windstärke 9 als Sturm bezeichnet. Der Nachweis erfolgt durch umliegende Wetterstationen oder indirekt durch ähnliche Schäden an Gebäuden in der Nachbarschaft. Hagelschäden werden ähnlich abgeleitet. Wenn ein Baum durch einen Sturm umfällt und z. B. auf ein Auto fällt, dann bezahlt die Versicherung, wenn das Auto versichert ist.

Versicherte Kosten

  • Schadenminderungskosten
  • Aufräumungs- und Abbruchkosten, Bewegungs- und Schutzkosten
  • Mietausfall
  • 7362 Dekontaminationskosten
  • 7360 Mehrkosten infolge behördlicher Wiederherstellungsbeschränkungen für Restwerte
  • 7361 Gebäudebeschädigungen durch unbefugte Dritte
  • 7363 Aufwendungen für die Beseitigung umgestürzter Bäume
  • 7364 Wasserverlust
  • 7365 Sachverständigenkosten
Bei Streitigkeiten über die Höhe der Versicherungsleistung kann ein Sachverständigenverfahren angestrengt werden. Hierdurch entstehen Kosten für den eigenen Sachverständigen sowie für den vermittelnden Ombudsmann. Diese Kosten werden bei Einschluss der Klausel ersetzt.
  • 7366 Graffitischäden

Prämienberechnung

  • Versicherungssumme 1914
  • Wohnflächenberechnung

Übergang des Versicherungsverhältnisses auf den Erwerber

Auf die Wohngebäudeversicherung finden die Vorschriften der Sachversicherung (§§ 88 ff. VVG) Anwendung. Wird ein versichertes Wohngebäude an einen Erwerber veräußert, so geht nach § 95 Abs. 1 VVG der Versicherungsschutz auf den Erwerber über. Die Vorschrift dient dazu, Unterbrechungen im Versicherungsschutz bei Veräußerung der versicherten Sache zu vermeiden. Um dem Grundsatz der Vertragsfreiheit dennoch gerecht zu werden, steht dem Erwerber ein sofortiges Kündigungsrecht nach § 96 VVG zu, das er innerhalb eines Monats nach Eigentumsübergang (Eintragung als Eigentümer in Abt. I des Grundbuches) ausüben muss. Ist der Erwerber bereits als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen worden und hatte er bisher keine Kenntnis vom Bestehen einer Wohngebäudeversicherung, beginnt die Monatsfrist erst ab seiner Kenntnis. Kündigt der Erwerber fristgemäß, entfällt damit seine Haftung für die Prämie. Der Veräußerer (bisheriger Eigentümer und Versicherungsnehmer) hat dann auch nur noch bis zum Vertragsende die Prämie zu zahlen. Hat er die Prämie z. B. als Jahresprämie im Voraus gezahlt, ist ihm die anteilig zu viel gezahlte Prämie vom Versicherer zurück zu erstatten (pro rata temporis).

Nach Abschluss des notariellen Kaufvertrages, aber noch vor Eintragung des Käufers als Eigentümer im Grundbuch, stellt sich die Rechtslage wie folgt dar: hat der Käufer den Versicherungsschein bereits vom Verkäufer erhalten, so kann er als Versicherter i. S. d. § 44 Abs. 2 VVG auch im eigenen Namen Ansprüche aus dem Vertrag gegen den Versicherer geltend machen (z. B. die Erstattung eines zwischenzeitlich eingetretenen Brandschadens). Ist der Käufer allerdings noch nicht in Besitz des Versicherungsscheins, so muss er sich die Ersatzansprüche vom Verkäufer abtreten oder sich entsprechend bevollmächtigen lassen.

Mitunter kann es daher auch sinnvoller sein, als Käufer bereits vor Übergang des Eigentums eine eigene Wohngebäudeversicherung abzuschließen, z. B. ab dem Tag der Kaufpreiszahlung. Hierfür muss der Käufer nicht Eigentümer sein. Gemäß BGH-Rechtsprechung[2] ist nämlich ausreichend, dass er ein berechtigtes Interesse an der Absicherung des Gebäudes hat. Ein eigener Versicherungsvertrag hat für den Käufer auch den Vorteil, dass er z. B. ab Zahlung des Kaufpreises sein Kaufobjekt bereits nach eigenen Vorstellungen über einen passenden Versicherungsumfang versichert hat und dann auch als Versicherungsnehmer – und nicht nur als Versicherter – Schadensleistungen vom Versicherer verlangen kann.[3]

Marktsituation in Deutschland

Insgesamt bestanden Ende 2012 19,2 Millionen[4] Wohngebäudeversicherungsverträge in Deutschland. Der größte einzelne Wohngebäudeversicherer Deutschlands war Ende 2006 die SV Gebäudeversicherung AG mit einem Bestand von 2,57 Millionen Policen.

Die größten zehn Unternehmen betreuen zusammen annähernd 2/3 der Verträge (62 % Marktanteil).

In der folgenden Tabelle sind die Anzahlen der Verträge jeweils für den Stand 31. Dezember des Jahres angegeben; die Zahlen für 2006 lagen in der verwendeten Quelle nur auf Tausender gerundet vor.[5]

Top 2006Top 2004UnternehmenVerträge 2006Verträge 2004
12SV Gebäudeversicherung AG2.570.0002.825.714
23Bayerische Landesbrandversicherung AG2.564.0002.627.607
31Allianz AG2.072.0002.904.342
44Westfälische Provinzial Versicherung AG2.035.0002.060.849
56R+V Allgemeine Versicherung AG744.000638.668
65Provinzial Rheinland Versicherung AG638.000672.272
77AXA Versicherung AG543.000539.123
810HUK-Coburg a. G.515.000472.222
99Bayerischer Versicherungsverband Versicherung AG503.000475.181
108VGH Landschaftliche Brandkasse Hannover AG488.000492.764
Summe Top 1012.672.00013.708.742
Σgesamt20.550.00018.800.000

Zu beachten ist der hohe Anteil der öffentlichen-rechtlichen Versicherungsunternehmen. Diese profitieren vom Beiverkauf im Rahmen der Baufinanzierungen durch die marktführenden Sparkassen und Landesbausparkassen, die beide ebenfalls öffentlich-rechtliche Einrichtungen sind. Die Dominanz der öffentlich-rechtlichen erkennt man leicht bei Betrachtung der Unternehmensgruppen anstatt der einzelnen Unternehmen. Grob gesagt ist jeder zweite Vertrag mit einem öffentlich-rechtlichen Unternehmen geschlossen. Hier die Zahlen für 2004 nach Unternehmensgruppen:

TopUnternehmensgruppeVerträge 2004Verbundszugehörigkeit
1Versicherungskammer Bayern3.273.186Sparkassen-Finanzgruppe
2Allianz Group AG2.904.342
3SV Sparkassen-Versicherung Holding AG2.825.714Sparkassen-Finanzgruppe
4Provinzial Nordwest Holding AG2.558.089Sparkassen-Finanzgruppe
5R+V Allgemeine Versicherung AG638.668Genossenschaftl. Finanz-Verbund
ΣSumme Top 512.199.999

Pflichtversicherung

Seit dem Hochwasser im Sommer 2013 steht eine obligatorische Wohngebäudeversicherung mit Schutz vor Elementarschäden für Hausbesitzer in der Diskussion. Während sich die Justizminister der Bundesländer einig sind, die Pflichtversicherung müsse kommen, hat sich das EU-Parlament mittlerweile gegen eine europaweite Pflicht entschieden.[6] Im Koalitionsvertrag des Kabinetts Merkel III ist vereinbart worden, dass die Einführung einer Elementarschaden-Pflichtversicherung zumindest überprüft werden soll. Im August 2015 wurde klar, dass es keine Pflichtversicherung geben wird. Nach der Hochwasserkatastrophe 2021 wird nach Zustimmung der Bundesländer in Deutschland die Ausgestaltung einer gesetzlichen Regelung zur Einführung einer Versicherungspflicht erneut geprüft.[7]

Siehe auch

Literatur

  • Lemberg, Jörg E. G./Luksch, Andreas S. – Wohngebäudeversicherung, 2. Auflage – Verlag Versicherungswirtschaft, 2020, ISBN 978-3-96329-326-9
  • Horst Dietz, Sven Fischer, Christian Gierschek – Wohngebäudeversicherung – Kommentar, Verlag Versicherungswirtschaft, 2015, ISBN 978-3-8629-8342-1

Einzelnachweise

  1. Allgemeine Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VGB 2010 – Wohnflächenmodell) des GDV. (Memento vom 18. Mai 2013 im Internet Archive) (PDF)
  2. Urteil des V. Zivilsenats vom 20.3.2020 - V ZR 61/19 -
  3. Lemberg, Jörg E. G./Luksch, Andreas S., Wohngebäudeversicherung, 2. Auflage, Verlag Versicherungswirtschaft 2020 sowie Vermuteter Versicherungsschutz nützt nichts: der Käufer als Versicherter in der Wohngebäudeversicherungin Versicherungswirtschaft heute
  4. Informationen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zur Wohngebäudeversicherung (Memento vom 21. September 2013 im Internet Archive)
  5. Statistik der BaFin - Erstversicherungsunternehmen ’06 (Schaden- und Unfallversicherung) (PDF; 20 MB), Tabelle 5643 (1).
  6. Bundesregierung will Pflichtversicherung für Hausbesitzer prüfen, zuletzt abgerufen am 26. Februar 2014.
  7. Bei Unwetterkatastrophen: Politik will Häuser pflichtversichern lassen. Auch Sachsen unterstützt Vorschlag. In: www.swr.de. swr.de, abgerufen am 2. Juni 2022.