Wirtschaftsauskunftei

Eine Wirtschaftsauskunftei ist ein Unternehmen, das – unabhängig vom Vorliegen einer konkreten Anfragegewerblich Daten über die Kreditwürdigkeit von anderen Unternehmen und Privatpersonen erhebt, sammelt und sie bei einer Anfrage dem Auftraggeber gegen Entgelt zugänglich macht.[1]

Allgemeines

Gläubiger oder sonstige Vertragspartner haben ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse daran, qualifizierte Informationen über die Gegenpartei zu erhalten, damit sie ihr Zahlungs- oder sonstiges Finanzrisiko einschätzen können. Sie können das Handelsregister einsehen, das jedoch lediglich begrenzte Informationen über aktuelle wirtschaftliche Verhältnisse bereithält. Ratingagenturen sind meist auf das Rating von Großunternehmen oder Staaten spezialisiert und werden von den Unternehmen oder Staaten beauftragt, eine Bewertung über sie zu erstellen. Bankauskünfte schließlich fallen meist sehr allgemein gehalten und streng standardisiert aus. Die hierdurch auftretenden Informationsdefizite können durch Wirtschaftsauskunfteien geschlossen werden.

Die von Wirtschaftsauskunfteien ausgewerteten Daten sind Unternehmensdaten (von Unternehmen) oder personenbezogene Daten (von Privatpersonen).

Arbeitsweise und Grundsätze

Wirtschaftsauskünfte werden nur an Wirtschaftssubjekte erteilt, welche diese im Rahmen von Bonitätsprüfungen nutzen. Ein berechtigtes Interesse gemäß BDSG muss seitens des Anfragenden glaubhaft dargelegt werden.

Gründe, die zur Auskunftseinholung berechtigen, sind unter anderem:

Die Auskunft erfolgt unter Berücksichtigung und Einhaltung der strikt geregelten Datenschutzbestimmungen, welche u. a. den Missbrauch von personenbezogenen Daten verhindern sollen.

Entsprechende Datenschutzbeauftragte stehen den Wirtschaftsauskunfteien intern oder extern zur Seite, um beispielsweise Anfragegründe auf ihre Berechtigung hin zu prüfen. Sie überwachen die Einhaltung der Reglementierungen durch das BDSG und agieren auch als neutrale Sachverständige in Datenschutzfragen und -streitfällen.

Datenschutz

Da persönliche Daten durch Auskunfteien gespeichert und verarbeitet werden, sind die Datenschutzbestimmungen zu beachten.[2]

Bundesdatenschutzgesetz

Nach § 30 Abs. 1 BDSG muss eine Wirtschaftsauskunftei persönliche Daten, die zur Bewertung der Kreditwürdigkeit von Verbrauchern genutzt werden dürfen und zum Zweck der Übermittlung erhoben, gespeichert oder verändert werden, Auskunftsverlangen von Kreditgebern aus anderen EU-Mitgliedstaaten genauso behandeln wie Auskunftsverlangen inländischer Kreditgeber. Wer den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags mit einem Verbraucher infolge einer Auskunft einer Wirtschaftsauskunftei ablehnt, hat den Verbraucher unverzüglich hierüber sowie über die erhaltene Auskunft zu unterrichten (§ 30 Abs. 2 BDSG).

Die Verwendung eines Wahrscheinlichkeitswerts über ein bestimmtes zukünftiges Verhalten einer natürlichen Person zum Zweck der Entscheidung über die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses mit dieser Person (Scoring) ist gemäß § 31 BDSG nur zulässig, wenn die Vorschriften des Datenschutzrechts eingehalten wurden, die zur Berechnung des Wahrscheinlichkeitswerts genutzten Daten unter Zugrundelegung eines wissenschaftlich anerkannten mathematisch-statistischen Verfahrens nachweisbar für die Berechnung der Wahrscheinlichkeit des bestimmten Verhaltens erheblich sind, für die Berechnung des Wahrscheinlichkeitswerts nicht ausschließlich Anschriftendaten genutzt wurden und im Fall der Nutzung von Anschriftendaten die betroffene Person vor Berechnung des Wahrscheinlichkeitswerts über die vorgesehene Nutzung dieser Daten unterrichtet worden ist; die Unterrichtung ist zu dokumentieren.

Datenschutz-Grundverordnung

Die in allen EU-Mitgliedstaaten geltende Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) soll die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen schützen und insbesondere deren Recht auf Schutz personenbezogener Daten. Sie betrifft gemäß Art. 2 Abs. 1 DS-GVO die automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie die nicht-automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. "Personenbezogene Daten" sind nach Art. 4 Abs. 1 DS-GVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen.

Wenn Kreditentscheidungen von Kreditgebern maßgeblich vom Kreditscoring der Auskunfteien wie der Schufa abhängen, handelt es sich nach dem Urteil des EuGH vom Dezember 2023[3] um automatisierte Entscheidungen einschließlich Profiling nach Art. 22 Abs. 1 DS-GVO. Hiernach kann der Kreditnehmer oder Schuldner gegen derartige Entscheidungen Widerspruch einlegen, wenn sie ihm gegenüber Rechtswirkungen entfalten (Ablehnung eines Kreditantrages, Kreditkündigung) oder ihn in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigen.

Wenn die Ermittlung des Score-Wertes nur als eine vorbereitende Handlung zu der eigentlichen „Kreditwürdigkeits-Entscheidung“ (etwa der Kreditinstitute) im Sinne von Art. 22 Abs. 1 DS-GVO anzusehen wäre, muss die Wertermittlung nicht die besonderen Anforderungen von Art. 22 Abs. 2 bis 4 DS-GVO an automatisierte Entscheidungen erfüllen.

Datenquellen

Die Auskunfteien bedienen sich im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der Einholung von Auskünften sowohl der Selbstbefragung von Firmen und Personen, als auch amtlicher sowie halbamtlicher Stellen. Allgemein zugängliche Quellen stellen dabei Telefon- und Adressbücher, Veröffentlichungen im Bundesanzeiger und andere Publikationen über Insolvenzen, Vergleiche, Unternehmensgründungen sowie öffentliche Register wie Handels- oder Vereinsregister dar. Zusätzlich erfolgt mitunter eine Befragung von Betroffenen oder Geschäftspartnern. Zudem greifen die Auskunfteien auf ein Netzwerk von Datenpools zurück, welche auch die Einspielung von Informationen zur Zahlungsmoral von angeschlossenen Unternehmen beinhalten.

Ein wesentlicher Lieferant von Informationen zu Privatpersonen bilden die Inkassobüros. Es werden hauptsächlich Negativ-Daten (Negativauslese) an die Auskunfteien weitergegeben.

Inhalte von Wirtschaftsauskünften

Auskünfte über Unternehmen

Auskünfte über Privatpersonen

  • Kommunikationsdaten
    Name, Vorname, postalische Anschrift, ggf. Zweitwohnsitz, Geburtsdatum, Ruf- und Telefaxnummern, E-Mail-Adresse und Homepage
  • Familienstand
  • Tätigkeit
  • Beurteilung der Finanzlage
    Zahlungserfahrungen, Beurteilung der Geschäftsverbindung
    Bewertung der finanziellen Lage anhand von Rankings, bzw. Bonitätsindizes
    Wiedergabe archivierter „Negativmerkmale“
  • Umfeld
  • Immobilienbesitz
    Art der Immobilie, Wert der Immobilie, Besitzverhältnisse (Miete/Eigentum etc.)
  • Beteiligungen
    Wert der Beteiligungen, Besitzverhältnisse, (evtl. Pfändungen)
  • Bankverbindungen
    Angabe des Kreditinstitutes, Angabe der Kontonummern
  • Daten zu laufenden (Giro-)Konten, Krediten, Leasingverträgen, Handyverträgen und weiteren Geschäften

Selbstauskunft

Seit dem 1. April 2010 besteht eine gesetzliche Pflicht für alle Auskunfteien, über die bei ihnen gespeicherten Daten zu informieren.[4] Die Abfrage ist dabei jedoch ausschließlich auf Angaben über die eigene Person beschränkt (Eigenauskunft). Verbraucherschützer kritisieren, dass die Branche kein standardisiertes Verfahren zur Selbstauskunft entwickelt habe, sodass bei jeder Auskunftei ein anderes Vorgehen notwendig ist. Außerdem sind nur grundlegende Informationen gebührenfrei abrufbar, das vollständige Profil einer Privatperson oder eines Unternehmens dagegen oft nur gegen Gebühr. Einige dritte Anbieter ermöglichen es, das Kreditprofil mehrerer Auskunfteien über sich selbst und andere zusammenzufassen.[5]

In Österreich ist die Selbstauskunft im Datenschutzgesetz 2000, § 26 (DSG) geregelt.[6] § 27 DSG 2000 regelt das Recht auf Richtigstellung oder Löschung.[7][8] Die ARGE Daten sowie die Datenschutzbehörde (vormals Datenschutzkommission, DSK) bieten Musterbriefe für Auskunftsersuchen, Beschwerden und Anträge.[9][10]

In der DSGVO werden in Artikel 15 Auskunftsrechte gegenüber Datenverarbeitenden festgelegt.

Abgrenzung

Anders als bei Ratingagenturen werden von Wirtschaftsauskunfteien keine Finanzanalysen zur Bonität von Wirtschaftssubjekten mit Blick auch für die Zukunft und unter Einbeziehung von unternehmensinternen Unterlagen erstellt. In der Regel stellen Wirtschaftsauskunfteien die gesammelten Daten zur Weiterverarbeitung durch den Kunden zur Verfügung und geben eine unverbindliche Kreditwürdigkeitseinstufung ab (Rating bei Unternehmen, Kreditscoring bei Privatpersonen). Ratingagenturen geben ein (verbindliches) Finanzmarktrating ab. Die Tiefe der Prüfung und das Vertrauen der Marktteilnehmer in dieses Rating von Wirtschaftsauskunfteien bzw. Ratingagenturen haben auch Auswirkung auf die Haftung der Wirtschaftsauskunfteien für die zur Verfügung gestellten Daten.

Haftung von Wirtschaftsauskunfteien

Wirtschaftsauskunfteien schließen die Haftung für ihre Auskünfte und Ratings weitgehend aus.[11] Die Informationen der Wirtschaftsauskunfteien stammen in der Regel aus bereits veröffentlichten und öffentlich zugänglichen Quellen. Im Gegensatz zu den Ratings von Ratingagenturen wirken sich die Ratings von Wirtschaftsauskunfteien nicht „erheblich auf das Funktionieren der Märkte sowie das Vertrauen von Anlegern und Verbraucher aus.“[12]

Die Haftung von Wirtschaftsauskunfteien richtet sich daher regelmäßig nach der Vereinbarung zwischen Wirtschaftsauskunftei und ihrem Auftraggeber, eingeschränkt auf ein Vertrauen der Kunden in solche Auskünfte.[13]

Auswahl großer Wirtschaftsauskunfteien

In Deutschland aktiv

  • SCHUFA Holding AG, Deutschland, Auskünfte über Privatpersonen, B2B-Auskünfte
  • Bisnode AB, eine weltweit tätige Auskunftei, die im Jahr 2013 ihre in Deutschland tätige Tochter Hoppenstedt Holding, eine B2B-Wirtschaftsauskunftei mit Daten von mehr als 4,6 Mio. aktiven deutschen Unternehmen, und ihre für Europa lizenzierte Marke Dun & Bradstreet auf die Muttermarke verschmolzen hat
  • Verband der Vereine Creditreform e. V., Deutschland, Firmenauskünfte, Privatpersonenauskünfte, Forderungsmanagement, Risikomanagement, Direktmarketing, Rating, Factoring, Systemlösungen
  • Crif, Deutschland, Auskünfte über Privatpersonen, Firmeninformationen, Direktmarketing, Kreditmanagement, Forderungsmanagement
  • Arvato Infoscore, Deutschland, Auskünfte über Privatpersonen sowie Direktmarketing und Inkassodienstleistungen
  • Experian, ein globaler Anbieter von Informationsdienstleistungen
  • Bureau van Dijk (BvD)
  • Creditsafe Deutschland GmbH, B2B Auskünfte (Creditsafe Group)

In Österreich aktive Wirtschaftsauskunftsdienste

(Quelle: [14])

In der Schweiz aktive Wirtschaftsauskunftsdienste

  • Bisnode, auch hier erfolgt 2013 ein Rebranding von Dun & Bradstreet

In den USA aktiv

  • Equifax[15][16]
  • Experian Dienstleister für Unternehmensinformationen[17][15][16]
  • TransUnion, zählt zusammen mit den beiden vorgenannten zu den "Big Three" der Branche
  • Dun & Bradstreet (hier unabhängig von Bisnode)
  • Creditsafe Group, globaler Informationsanbieter
  • Bureau van Dijk Daten nicht-börsennotierter Unternehmen

Neben diesen gibt es eine Vielzahl weiterer Auskunfteien, auch solche, die auf regionaler Ebene oder in einem spezifischen Wirtschaftszweig tätig sind.

Kritik

Auskunfteien wie die Schufa und Crif Bürgel haben seit 2018 massenhaft Millionen Handy-Vertragsdaten ohne Einwilligung der Verbraucher gespeichert. Nach Recherchen von NDR und Süddeutscher Zeitung hätten sie diese Daten gesammelt, ohne eine Einwilligung der Verbraucher einzuholen. Betroffen könnten damit alle deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher sein, die in den vergangen vier Jahren einen Mobilfunkvertrag abgeschlossen hätten. Millionen unbescholtene Bürger, die ihre Rechnung bezahlt hätten, seien sehr wahrscheinlich in den Datenbanken der Auskunfteien gelandet. Datenschützer hielten das für "unzulässig". Einige deutsche Auskunfteien hätten die Daten außerdem nicht nur gespeichert, sondern auch in sogenannte Scores einfließen lassen.[18][19]

Literatur

  • Stephan Gärtner: Harte Negativmerkmale auf dem Prüfstand des Datenschutzrechts. Ein Rechtsvergleich zwischen deutschem, englischem und österreichischem Recht. Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2011, ISBN 978-3-8300-5418-4.

Weblinks

Wiktionary: Wirtschaftsauskunftei – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Eugen Ehmann, in: Spiros Simitis (Hrsg.), Kommentar BDSG, 6. Auflage, 2006, § 29 Rn. 83 f.; ISBN 978-3848789580
  2. Niels Lepperhoff, Leitfaden zur Datenschutz-Grundverordnung, 2018, S. 213 ff.
  3. EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2023, Az.: Rs. C-634/21
  4. Thomas Wüpper: Auskunft ist künftig Pflicht. In: Frankfurter Rundschau. 31. März 2010, archiviert vom Original; abgerufen am 25. Juli 2012.
  5. Robert Chromow: Adhoc-Bonitätsauskunft im Internet. In: akademie.de. 4. Mai 2010, abgerufen am 25. Juli 2012.
  6. ARGE Daten - Übersicht Auskunftsrecht nach dem Datenschutzgesetz. Abgerufen am 20. Juli 2014.
  7. ARGE Daten - Widerspruch und Löschung gem. DSG 2000 §§ 27, 28 gegenüber Wirtschaftsauskunftsdienste / Finanzdienstleister. Abgerufen am 20. Juli 2014.
  8. ARGE Daten - Löschungsanspruch gegenüber Wirtschaftsauskunftsdiensten & Banken. Abgerufen am 20. Juli 2014.
  9. ARGE Daten - Musterbriefe. Abgerufen am 20. Juli 2014.
  10. Das Recht auf Auskunft - § 26 Datenschutzgesetz 2000 (Memento vom 18. Januar 2016 im Internet Archive). Abgerufen am 20. Juli 2014.
  11. Gabler Wirtschaftslexikon zum Stichwort: Wirtschaftsauskunftei, 2014.
  12. Siehe erster Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen, ABl L 302/1.
  13. Strenge Auslegung: Georg Graf, in Unautorisierte Eigenwerbung mit fehlerhaften Ratings – Haftet die Ratingagentur?, JBl 134, 2012, 210 ff. Liberale Auslegung: Stefan Malainer/Andreas Staribacher, in Umfang der Haftung von Wirtschaftsauskunfteien für erteilte Auskünfte, ecolex, 2014, 939 ff.
  14. ARGE Daten - Wirtschaftsauskunftsdienste. Abgerufen am 20. Juli 2014.
  15. a b Christopher Cross: Small Business: How Do I Get a Credit Report for My Company? In: Houston Chronicle. Abgerufen am 27. August 2016. (englisch) 
  16. a b Russell Huebsch: Small Business: Do Businesses Have a Credit Score? In: Houston Chronicle. Abgerufen am 27. August 2016. (englisch) 
  17. Business Credit: What You Don’t Know Can Hurt You Experian. (englisch, experian.com [PDF]).
  18. Nils Wischmeyer: Auskunfteien sammelten jahrelang Millionen Handy-Vertragsdaten. Süddeutsche Zeitung, 30. November 2021
  19. Peter Hornung, NDR: Schufa & Co. sammeln Handyvertragsdaten. 30. November 2021