Willy Zielke

Wilhelm Otto „Willy“ Zielke (* 18. September 1902 in Łódź; † 16. Juni 1989 in Bad Pyrmont) war ein deutscher Fotograf, Regisseur, Kameramann, Filmeditor und Filmproduzent.

Leben

Willy Zielke studierte von 1922 bis 1926 an der Bayerischen Staatslehranstalt für Lichtbildwesen in München, wo er von 1927 bis 1934 selbst lehrte.[1][2] 1929 beteiligte er sich mit seinen Glasstillleben an der internationalen Werkbundausstellung Film und Foto in Stuttgart. Ab 1931 war er auch als Filmemacher tätig. Nina Gladitz, eine Biografin von Leni Riefenstahl, geht davon aus, dass die berühmte Regisseurin spätestens durch den avantgardistischen Film Das Stahltier über die Reichsbahn Zielkes Talent erkannte, in ihm einen großen Konkurrenten sah und die Veröffentlichung des Filmes verhinderte.[3] Riefenstahl machte ihn zu ihrem Mitarbeiter für die Produktion der Olympia-Filme, um ihn zu kontrollieren und für ihre Zwecke nutzen zu können. Vertraglich war Zielke in gesamter inhaltlicher und künstlerischer Gestaltung für den sogenannten Prolog der Filme verantwortlich.[4][5]

Während der Dreharbeiten zum Prolog der Olympia-Filme kam es jedoch zwischen Zielke und Riefenstahl zu Differenzen. Kurz nachdem er das fertige Filmmaterial abgeliefert hatte, wurde er am 13. Februar 1937 entführt[5] und in die Psychiatrie Haar gebracht. Dort wurde eine angebliche Schizophrenie diagnostiziert und Zielke zwangssterilisiert. Nach Zielkes Meinung war Riefenstahl für die Einweisung verantwortlich, er konnte es aber nicht beweisen.[6] Nina Gladitz stützt diese These mit entsprechenden Dokumenten.[7] Zudem seien in der psychiatrischen Klinik auch medizinische Experimente durchgeführt worden.

Im August 1942, fünf Jahre nach der Zwangseinweisung, wurde „der als unheilbar geltende“ Zielke wieder freigelassen,[5] offenbar wieder auf Betreiben von Leni Riefenstahl, die ihn gleich wieder als Kameramann bei ihrem Film Tiefland einsetzte.[5] Riefenstahl habe sich nie bei ihm entschuldigt. Vielmehr hatte sie die fotografischen Arbeiten Willy Zielkes nach dessen Einweisung in die psychiatrische Klinik Haar an sich gebracht und fortan als eigene Arbeiten ausgegeben, darunter das Foto eines griechischen Tempels, das Zielke im Zusammenhang mit seiner Arbeit am Prolog zum Olympia-Film machte und das bis heute auf der Website zu Leni Riefenstahl als deren Arbeit gezeigt wird.[8]

Im Herbst 1945 wurde Zielkes Entmündigung auf seinen Antrag hin aufgehoben.[9] Die Bundesrepublik Deutschland entschädigte ihn im Jahr 1987 für die Zwangssterilisation mit 5.000 DM. Zwei Jahre später starb er im Alter von 86 Jahren.[5]

Zielke war verheiratet und ist der Großonkel 2. Grades der Schauspielerin Ann-Kathrin Kramer.[4]

Filmografie

  • 1931: Bubi träumt (Buch, Regie, Kamera)
  • 1931: Anton Nicklas, ein Münchner Original (Buch, Regie, Kamera)
  • 1932: München (Buch, Regie, Kamera)
  • 1933: Arbeitslos – Ein Schicksal von Millionen (Buch, Regie, Kamera)
  • 1934: Die Wahrheit (Schnittfassung von „Arbeitslos“)[10]
  • 1935: Tag der Freiheit – Unsere Wehrmacht (Kamera)
  • 1935: Das Stahltier (Buch, Schnitt, Regie, Kamera)
  • 1938: Olympia 2 Teile (Kamera)
  • 1953: Verzauberter Niederrhein (Buch, Regie, Kamera)
  • 1956: Verlorene Freiheit (Buch, Regie, Kamera)
  • 1956: Schöpfung ohne Ende (Kamera)
  • 1958: Aluminium – Porträt eines Metalls (Regie, Kamera)

Auszeichnungen

  • 1957 Filmband in Silber in der Kategorie „Beste Farbfilmkameraführung“ für Schöpfung ohne Ende (1956)[11]

Literatur

  • Film und Foto. Eine Ausstellung des Deutschen Werkbundes, Stuttgart 1929.
  • Wilhelm Schöppe (Hrsg.): Meister der Kamera erzählen. Wie sie wurden und wie sie arbeiten. Wilhelm Knapp, Halle (Saale) 1937.
  • Willy Zielke: Einführung in die Akt-Fotografie. Wilhelm Knapp Verlag, Düsseldorf 1952.
  • Christian Bouqueret: Willy Zielke. Photographies 1923-1937. Rencontres Internationales de la Photographie d’Arles, Arles 1982.
  • Kraft Wetzel, Peter Hagemann: Zensur. Verbotene deutsche Filme 1933–1945. Verlag Völker Spiess, Berlin 1978.
  • Martin Loiperdinger: Willy Zielke und die Reichsbahn. In: Filmwärts, 30. Juni 1994; S. 50–55
  • Ausstellungskatalog Lehrjahre Lichtjahre – Die Münchner Fotoschule 1900–2000. Münchner Stadtmuseum, München 2000.
  • hjt: Vor 75 Jahren: Willy Zielke und das Jubiläum „100 Jahre Deutsche Eisenbahn“. In: InfoFax: Fotografie, 1. Juni 2010, 17. Jg., 2 S/W-Abb. Schellerten, ISSN 0947-8418.
  • Franz Sonnenberger: Willy Zielke, Eugen Roth – wie Nürnberg um zwei Premieren kam. Ein Nachtrag zum Eisenbahnjubiläum 1935. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg. Band 97, Nürnberg 2010, S. 285–319[12]
  • Hans-Jürgen Tast: Das Stahltier. Die Bahn im Schatten deutscher Geschichte. In: Philatelie. Das Magazin des Bundes Deutscher Philatelisten, Bonn, ISSN 1619-5892, 62. Jg., Nr. 398, Aug. 2010, S. 31–34, 10 Farb- u. S/W-Abb.
  • Ausstellungskatalog Licht-Bilder. Fritz Winter und die abstrakte Fotografie, Pinakothek der Moderne, München 2013.
  • Thomas Tode: Zielke, Willy. In: Ian Aitken (Hrsg.): The Concise Routledge Encyclopedia of the Documentary Film. Verlag Routledge, 2013 (2006), S. 1032 f.
  • Martin Doerry: So skrupellos war Leni Riefenstahl wirklich: Neue Studie zur Regisseurin und Hitler-Vertrauten. In: Der Spiegel. Nr. 43, 2020, S. 116–120 (online – „Abfall der Menschheit“).
  • Nina Gladitz: Leni Riefenstahl. Karriere einer Täterin, Orell Füssli 2020[13]

Einzelnachweise

  1. Martin Loiperdinger:Willy Zielke und die Reichsbahn. (Memento desOriginals vom 1. Dezember 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/farocki.akbild.ac.at (PDF; 1,9 MB)
  2. Nina Gladitz: Leni Riefenstahl. Karriere einer Täterin. Orell Füssli, 2020, S. 209–211.
  3. Leni Riefenstahl – Das Ende eines Mythos | Doku | ARTE. Abgerufen am 10. Januar 2023 (deutsch).
  4. a b Vorfahren gesucht: Ann-Kathrin Kramer. (Memento vom 24. März 2010 im Internet Archive) Ein Film von Heiko Schäfer. Ausstrahlung im WDR am 19. März 2010; abgerufen am 5. Januar 2014.
  5. a b c d e Michael Niehus: Ann-Kathrin Kramer: Leni Riefenstahl ließ meinen Onkel zwangssterilisieren. Bild am Sonntag, 14. März 2010; abgerufen am 19. März 2010.
  6. Riefenstahls Kameramann. Westdeutsche Zeitung, 18. März 2010; abgerufen am 19. März 2010 (Online nicht mehr verfügbar).
  7. Leni Riefenstahl – Das Ende eines Mythos | Doku | ARTE. Abgerufen am 12. Januar 2023 (deutsch).
  8. Nina Gladitz: Leni Riefenstahl. Karriere einer Täterin. Orell Füssli, 2020, S. 158–160.
  9. Martin Doerry: So skrupellos war Leni Riefenstahl wirklich: Neue Studie zur Regisseurin und Hitler-Vertrauten. In: Der Spiegel. Nr. 43, 2020 (online).
  10. „… 1933–1938, 34’, Es geht um die Situation von arbeitslosen Männern am Ende der Weimarer Republik. Als Lösung für die Überwindung ihrer Situation und der Wirtschaftskrise allgemein wird der Nationalsozialismus propagiert.“ dhm.de abgerufen am 21. Oktober 2014
  11. Deutsche Filmpreise von 1951 bis heute, Jahr 1957. (Memento desOriginals vom 4. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.deutsche-filmakademie.de Deutsche Filmakademie; abgerufen am 21. März 2010.
  12. MVGN – Inhalt Band 97 (2010). Stadt Nürnberg, S. 435, abgerufen am 2. Dezember 2021.
  13. Neue Studie über Leni Riefenstahl: Betrogen um sein Werk: Der Fall Willy Zielke. In: Handelsblatt, 13. Februar 2021