Wilhelmine Canz

Wilhelmine Canz

Wilhelmine Canz (* 27. Februar 1815 in Hornberg; † 15. Januar 1901 in Großheppach) war Gründerin der Großheppacher Schwesternschaft.

Biographie

Wilhelmine Canz, deren vollständiger Geburtsname Friederike Wilhelmine Gottliebin Canz lautet,[1] war das zweite Kind der Eheleute Canz. Der Vater stammte aus Herrenberg und war Oberamtsarzt und Apotheker[1] in Hornberg. Er hatte sich in zweiter Ehe mit einer geborenen Cronmüller verheiratet. Er verstarb 1822 mit nur 57 Jahren.

Wilhelmine wurde stark durch ihren Bruder Karl geprägt, durch den sie mit der Hegel'schen Philosophie in Berührung kam, aber auch eine evangelikale Prägung erhielt. Einige Zeit lang führte sie ihm mit ihrer Mutter in seiner Pfarrei den Haushalt; zunächst in Buchenberg im Schwarzwald, dann in Bischoffingen am Kaiserstuhl, wo sie mit ihrer Nichte Amalie Rhode zusammentraf. Durch die Nähe zu Königsfeld lernte sie die täglichen Losungen der Herrnhuter Brüdergemeine kennen. Wilhelmine Canz sammelte in der Gemeinde Bischoffingen erste Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern. Außerdem lernte sie die Anstalt für Kleinkinderpflegerinnen in Nonnenweier und deren Leiterin Regine Julie Jolberg kennen, die ihr sehr nahelegte, eine ähnliche Einrichtung in Württemberg aufzubauen, wofür sie aber beim Prälaten Sixt Karl Kapff in Stuttgart und dem Pfarrer Jakob Heinrich Stadt in Korntal[1] keine Unterstützung fand. Wilhelmine Canz hatte zunächst das Ziel, die dialektische Philosophie zu widerlegen. In dieser Zeit schrieb sie ihren Roman, der unter dem Titel Eritis sicut deus ohne Verfasserangabe im Verlag des Rauhen Hauses veröffentlicht wurde. In diesem Roman findet sich als „Professor E.“ der württembergische Arzt Carl August von Eschenmayer.

Der plötzliche Tod des Bruders 1854 zwang Wilhelmine Canz als unverheiratete Frau zusammen mit ihrer Nichte, eine neue Aufgabe und Bleibe zu finden. 1855 kam sie aufgrund einer Anfrage nach Großheppach und errichtete mit Unterstützung der Kirchengemeinde die erste Kinderpflege. Am 3. Mai 1856 kamen Therese Leyerle und Lotte Egner als erste Lernschwestern in die neu gegründete Bildungsanstalt für Kleinkinderpflegerinnen. Nach und nach bekam Wilhelmine Canz weitere Unterstützung. Ihre Nichte Amalie Rhode verließ 1874 die Schwesternschaft nach ihrer Heirat.

Canz hatte auch im Blick, dass die Kinderschwestern, die nicht so hoch bezahlt wurden wie Krankenschwestern, einen Rückzugsraum für ihren Lebensabend benötigten. Schon während ihrer Arbeit in den Gemeinden waren die Kinderschwestern auf zusätzliche Gaben der Gemeindemitglieder angewiesen.[2]

Wilhelmine Canz starb am 15. Januar 1901 in Großheppach an den Folgen einer Krebserkrankung.

Canz als Pädagogin

Canz interessierte sich für Fröbel-Pädagogik und übernahm für die Kleinkindeinrichtungen die Fröbelkästen. Diese enthielten Legetäfelchen in Form von Vierecken, Dreiecken und weiteren geometrischen Formen. Manchen Elementen der Fröbel-Pädagogik stand sie allerdings ablehnend gegenüber. So war sie sich mit manchen Vertretern der Fröbel–Pädagogik uneins in der Frage, ab wann es sinnvoll sei, eine abstrakte Größe wie Gott zu unterrichten oder aber den Kindern entsprechende Losungsverse beizubringen.[2]

Familie

Viele Vorfahren von Wilhelmine Canz waren bedeutende Theologen. Zu ihnen gehören:

Ehrung

  • 1872 erhielt Wilhelmine Canz auf Anregung der württembergischen Königin Olga Nikolajewna den „Olga–Orden“[1]

Quellen

  • Die Bildungsanstalt für Kleinkinderpflegerinnen in Großheppach. Erster Bericht von Wilhelmine Canz, Hausmutter. Stuttgart, G. Hasselbrink'sche Buchdruckerei, 1863.
  • Wilhelmine Canz: Giebt es einen lebendigen Gott? Antwort mit Zeugnissen. Dr. Hahn'sche Druckerei, Mannheim 1896.
  • Wilhelmine Canz: Eritis sicut Deus. Anonymer Roman, Hamburg, Agentur des Rauhen Hauses, 1855.

Literatur

  • Adolf Rapp: Canz, Wilhelmine. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 3, Duncker & Humblot, Berlin 1957, ISBN 3-428-00184-2, S. 130 (Digitalisat).
  • Helmut Bornhak: Wilhelmine Canz: Die Gründerin des Mutterhauses Großheppach. Ein Kampf für den persönlichen Gott. Verlag Goldene Worte, Stuttgart Sillenbuch 1966.
  • Gerhard K. Schäfer: Wilhelmine Canz. Keine Halbheiten im Dienst für Gott und die Menschen, in: Birgit Knorr und Rosemarie Wehling (Hrsg.): Frauen im deutschen Südwesten, Schriften zur politischen Landeskunde Baden-Württembergs, Band 20, Kohlhammer Stuttgart 1993, S. 163–169.
  • Werner Raupp: Wilhelmine Canz, in: ders. (Hrsg.): Gelebter Glaube. Erfahrungen und Lebenszeugnisse aus unserem Land. Ein Lesebuch, Metzingen/Württ. 1993, S. 316–324, 394 (Einl., Quellentexte, Lit.).
  • Stefanie Tenbusch: Die Großheppacher Schwesternschaft. Ursprung. Profil und Perspektiven, Hochschulschrift Diakoniewissenschaftliches Institut, Universität Heidelberg, Beiträge zur Diakoniewissenschaft Bd. 167, 2006.
  • Martin H. Jung: Wort Gottes für jeden Tag – Evangelische Losungsfrömmigkeit im 19. Jahrhundert am Beispiel von Wilhelmine Canz, in: Frank Lüdke und Norbert Schmidt (Hrsg.): Evangelium und Erfahrung. 125 Jahre Gemeinschaftsbewegung, LIT Verlag Dr. W. Hopf, Berlin 2014, S. 7–35.
  • Peter Reinicke: Canz, Wilhelmine, in: Hugo Maier (Hrsg.): Who is who der Sozialen Arbeit. Freiburg : Lambertus, 1998 ISBN 3-7841-1036-3, S. 122

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d Hubert Kolling: Friederike Wilhelmine Gottliebin Canz (1815–1901), in: Hubert Kolling (Hrsg.): Biographisches Lexikon zur Pflegegeschichte „Who was who in nursing history“, Band 6, hpsmedia Hungen 2012, S. 48–51.
  2. a b Christine R. Auer: Geschichte der Pflegeberufe als Fach, die Curricular–Entwicklung in der pflegerischen Aus- und Weiterbildung, Hochschulschrift Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, akademischer Betreuer Wolfgang U. Eckart, Heidelberg 2008, S. 191+192.

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