Wilhelm Walter (Architekt)

Wilhelm Walter (* 16. Juni 1850 in Rüdenhausen; † 8. Februar 1914 in Berlin-Schöneberg[1]) war ein deutscher Architekt und Baubeamter im Dienst der Postverwaltung und zuletzt des Reichspostamtes in Berlin.[2]

Leben und Wirken

Als Sohn eines Pfarrers im Fränkischen Rüdenhausen geboren, besuchte Wilhelm Walter das Gymnasium Bernhardinum in Meiningen, das er im Frühjahr 1870 mit Ablegung der Reifeprüfung verließ. Als Einjährig-Freiwilliger nahm Walter mit dem 4. Feldartillerie-Regiment „König“ der Bayerischen Armee am Deutsch-Französischen Krieg teil. Und in dessen Folge auch an der Belagerung von Paris. Nach seiner Rückkehr absolvierte er das zu dieser Zeit noch übliche Bau-Elevenjahr bei der Hamburg-Venloer Bahn, bevor er als Student in das Polytechnikum Hannover eintrat. Dort avancierte er zu einem der „Lieblingsschüler“ von Conrad Wilhelm Hase und widmete sich im Besonderen dem Studium der Gotik. Mit Ablegung der Bauführerprüfung fand er unter der Leitung von Gotthilf Ludwig Möckel Beschäftigung bei Kirchenneubauten in Dresden.[2]

„Seine ausgesprochene Begabung und Vorliebe für mittelalterliche Baukunst führte ihm alsdann eine große Anzahl an Privataufträgen auf dem Gebiete der kirchlichen Baukunst in der Provinz Pommern zu, nachdem ihn der Oberpräsident v. Behr-Negendank als eine für derartige Arbeiten besonders befähigte Kraft schätzen gelernt hatte. Hier wie in Schlesien und der Mark Brandenburg hat ihm auch eine Reihe von Herrensitzen ihren künstlerischen Ausbau und teilweise Wiederherstellung zu verdanken.“

Nachruf[2]

Dank seiner zahlreichen Betätigungen legte er erst 42-jährig im Jahr 1892 die Große Staatsprüfung mit anschließender Ernennung zum Königlich Preußischen Regierungsbaumeister ab.[2]

Als Regierungsbaumeister fand Wilhelm Walter nach kurzer Zeit Beschäftigung im Technischen Baubüro der Reichs-Postverwaltung in Berlin, in deren Dienst er letztlich bis zu seinem Tod blieb. Die Postverwaltung stand bei seinem Eintritt unter der Leitung des „schöpferischen“ Staatssekretärs Heinrich von Stephan. Stephan erkannte Walters, über die dienstlichen Belange hinausgehende Begabung und ermöglichte ihm neben weitergehenden Arbeiten auch Studienreisen nach Italien und England.[2]

Seine erste größere selbstständige Bauaufgabe innerhalb der Reichs-Postverwaltung war die Projektierung der Oberpostdirektion in Karlsruhe, die von 1897 bis 1901 zur Ausführung gelangte. Bei seiner Rückkehr aus Karlsruhe im Jahr 1901 zum Postbauinspektor und kurze Zeit später auch zum Kaiserlichen Baurat im Reichs-Postamt ernannt, blieb Walter in der Folge in Berlin. 1905 wechselte er, unter Besetzung der dortigen Postbauratsstelle, an die Oberpostdirektion Berlin. Zahlreiche Bauten entstanden während der nächsten Jahre nach seinen Entwürfen. Zu den letzten Großbauten, deren Entwurf er dort bearbeitete und dessen Ausführung er noch einleitete, gehörten das Paketpostamt und das Haupttelegraphenamt in Berlin.[2] Der erst nach seinem Tod fertiggestellte Komplex zählte seinerzeit zu den aufwändigsten Postbauten im Deutschen Reich.

Zum 3. August 1911 wurde Walter schließlich unter Ernennung zum Geheimen Baurat und Vortragenden Rat in das Reichs-Postamt berufen. Nach der Rangordnung die höchste Stelle in diesem Fachbereich.[2] Als Referatsleiter zeichnete er reichsweit für die Projektierungen verantwortlich. War aber zugleich weitgehend eigenen Entwurfstätigkeiten entzogen.

Walter war seit 1877 in kinderlos gebliebener Ehe verheiratet. Seine besondere Leidenschaft galt den Hochgebirgen Tirols.[2]

Bauten und Entwürfe

BaujahrOrtAdresseBildObjektMaßnahmeAnmerkungen
1880–1881SemlowHauptstraße 28, 18334 SemlowSemlower Kapelle 1880/81Friedhofskapelle (in Anlehnung an das Mausoleum des Erzherzogs Johann von Österreich in Meran)Neubauweiterhin als Kapelle genutzt, unter Denkmalschutz
1891–1892LängenfeldKurbad Längenfeld (1892)Kurbad[3] (Hotel mit Thermalbadeanstalt)Neubau1980 abgerissen
1897–1901KarlsruheKaiserstraße 217–219Post Galerie (Stephanplatz)Oberpostdirektion[2][4]Neubauheute Postgalerie
um 1905–1911BerlinSchlesischer BahnhofPostverladestelle[2][4]Neubau
um 1905–1911SchönebergLuckenwalder StraßePostbahnhof[2][4]Neubauerbaut zur Abwicklung des Postverkehrs des Potsdamer und des Anhalter Bahnhofs
1907–1909SteglitzBergstraße 1 /
Heesestraße 13/14
Postamt Steglitz 1[2][4]Neubauunter Denkmalschutz[5]
1907–1908TemplinErholungsheim für Postunterbeamte[2]Neubauaußerdienstliches Bauprojekt[2]
1908–1911Berlin-MitteLinkstraße 4/5Postamt W 9[4]NeubauBauleitung und Entwurfsausarbeitung durch Postbauinspektor Ludwig Mayer[4]
1908–1912Berlin-MitteFranzösische Straße 9/12 / Jägerstraße 67/68
Lage

Postamt W 8[4]NeubauBauleitung und Entwurfsausarbeitung durch Postbauinspektor Ludwig Mayer[4]; unter Denkmalschutz[6]
1910–1916Berlin-MitteOranienburger Straße 70–76Paketpostamt und Haupttelegrafenamt[2][4]Neubauunter Denkmalschutz[7]
1912–1914WannePostamt, Wanner Straße 23
Lage
PostamtNeubauoberste Projektleitung durch Walter; unter Denkmalschutz

Schriften

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. StA Schöneberg II, Sterbeurkunde Nr. 126/1914
  2. a b c d e f g h i j k l m n o Geheimer Baurat Wilhelm Walter †. In: Zentralblatt der Bauverwaltung. 34. Jahrgang 1914, Nr. 17 (vom 28. Februar 1914), S. 148.
  3. Curbad Längenfeld im Oetzthal in Tirol. In: Centralblatt der Bauverwaltung. 13. Jahrgang 1893, Nr. 13 (vom 31. März 1893), S. 132 f.
  4. a b c d e f g h i Walter, Wilhelm. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 35: Waage–Wilhelmson. E. A. Seemann, Leipzig 1942, S. 121.
  5. Postamt Steglitz 1 in der Berliner Landesdenkmalliste
  6. Postamt W 8 in der Berliner Landesdenkmalliste
  7. Haupt-Telegrafenamt in der Berliner Landesdenkmalliste

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Berlin, Mitte, Französische Straße, Postamt W8.jpg
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Das ehemalige Kaiserliche Postamt W 8 in der Französischen Straße 9-12 in Berlin-Mitte. Das Gebäude wurde 1908-1912 nach Entwürfen von Baurat Wilhelm Walter von Postbauinspektor Ludwig Meyer errichtet. Die Fassade aus rotem Backstein und Dorlaer Muschelkalk zeigt mit einer Mischung aus Neorenaissance- und Neobarockelementen die typisch konservative Architektur repräsentativer Postgebäude der Kaiserzeit. Im Vergleich dazu ist das Innere mit der in einem zentralen Lichthof liegenden Schalterhalle modern gegliedert. Die Festergiebel der Fassade weisen Männerbüsten in historischen Postuniformen auf. In dem Gebäude residieren heute mehrere Anwalts- und Notarkanzleien, Immobilienverwaltungen, die Berliner Vertretung des Bankhauses BHF sowie der Bund der Steuerzahler, der eine "Schuldenuhr" an der Fassade angebracht hat. Das Gebäude ist als Baudenkmal ausgewiesen.
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Längenfeld, Kurbad
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Berlin-Steglitz, Bergstr. 1/ Heesestr. 13/14; Postamt Steglitz I, Blick auf den Hinterhof (von Robert-Lück-Straße)
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Die Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler in der Französischen Straße 9-12 in Berlin, aufgenommen am 29. Juli 2006. Die Staatsverschuldung in Deutschland wird mit 1.515.608.069.526 Euro angezeigt, der Schuldenzuwachs pro Sekunde mit 2113 Euro.
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From the 1875, Dresden train station was performing passenger traffic between Berlin and Dresden for the following seven years. Also, Prague and Vienna can be reached by destination coach form this station. In 1882, all the operations was terminated due to tensions between the Prussian and the Saxon railway administration. The main building was demolition in 1887. Now this place is known as STATION-Berlin.
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Herne-Wanne, Postamt, Südseite
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Die Friedhofskapelle in Semlow
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Herne, Postgebäude Wanne, Denkmal in Herne-Wanne, Wanner Straße 23
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Das ehemalige Haupttelegrafenamt in der Oranienburger Straße 73-76, Ecke Monbijoustraße (links), in Berlin-Mitte. Es wurde 1910-1916 nach Entwürfen von Wilhelm Walter als damals aufwendigster Postbau Deutschlands erbaut. Der große Gebäudekomplex ist als Baudenkmal gelistet.