Wilhelm Bousset

Wilhelm Bousset (um 1920)

Johann Franz Wilhelm Bousset (* 3. September 1865 in Lübeck; † 8. März 1920 in Gießen) war ein deutscher evangelischer Theologe. Er war Vertreter der Religionsgeschichtlichen Schule und lehrte in Göttingen und Gießen.

Leben

Bousset ist Nachkomme einer Hugenottenfamilie. Sein Vater Johann Hermann Bousset war seit 1861 37 Jahre lang lutherischer Pfarrer an St. Lorenz in Lübeck. Therese Bousset, Witwe von Joachim Christian Bousset, die Thomas Mann in den Buddenbrooks als Sesemi (Kosename für Therese) Weichbroth verewigte, war seine angeheiratete Tante.[1] Seine Mutter, Auguste Bousset (* 25. Februar 1837; † April 1897), stammte aus der Lübecker Familie Hartwig, den Inhabern der Handelsgärtnerei Steltzner und Schmalz.[2][3] Dieser familiäre Hintergrund prägte zeitlebens seine ernste Frömmigkeit. Er besuchte das Katharineum zu Lübeck bis zum Abitur Ostern 1884[4] und studierte dann Evangelische Theologie an den Universitäten Erlangen, Leipzig und Göttingen. In Erlangen trat er im Wintersemester 1884/85 der christlichen Studentenverbindung Uttenruthia bei, wo er Ernst Troeltsch kennenlernte, mit dem ihn lebenslange Freundschaft verband. In seiner Göttinger Studentenzeit schloss er sich der Burschenschaft Germania an und beteiligte sich an der Gründung deren örtlicher Tochterverbindung Arminia[5].

An der Göttinger Universität habilitierte sich Bousset 1890 im Fach Neutestamentliche Theologie. Nach mehrjähriger Tätigkeit als Privatdozent wurde er dort 1896 zum außerordentlichen Professor ernannt. 1915 wurde er zum Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften gewählt.[6] 1916 folgte Bousset einem Ruf an die Universität Gießen, wo er bis zu seinem frühen Tod 1920 lehrte. Von 1897 bis 1917 war er Mitherausgeber der Theologischen Rundschau.

Als Mitglied der Hannoveraner Landessynode erregte er mit der Forderung nach der aktiven Mitarbeit von Frauen in der Kirche den Zorn weiter kirchlicher Kreise. Er trat insbesondere für das Theologiestudium von Frauen ein und vertrat die Notwendigkeit des Pfarramts der Frauen.

Durch die Entfremdung der Arbeitermassen gegenüber Kirche und Religion tief betroffen, begeisterte er sich schon früh für die Ideen von Friedrich Naumann und trat 1919 zusammen mit seinem Studienfreund Ernst Troeltsch der Deutschen Demokratischen Partei bei.

Er war mit Marie Bousset geb. Vermehren aus Lübeck (1867–1944), einer Enkelin von Friedrich Bernhard Vermehren und Nichte von Moritz Vermehren, verheiratet. Sein jüngster Bruder war der Schriftsteller und Verleger Hermann Bousset (1871–1953). Er hatte noch eine Schwester Elisabeth (* 22. Mai 1867) und einen Bruder Theodor (* 18. Februar 1869).[7]

Werke

  • Evangeliencitate Justin des Märtyrers in ihrem Wert für die Evangelienkritik von neuem untersucht. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1891.
  • Jesu Predigt in ihrem Gegensatz zum Judentum, Göttingen 1892.
  • Der Antichrist in der Ueberlieferung des Judentums, des neuen Testaments und der alten Kirche: ein Beitrag zur Auslegung der Apocalypse. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1895.
  • Die Religion des Judentums im neutestamentlichen Zeitalter (1903), Berlin 2. Auflage 1906.
  • Jesus, (Religionsgeschichtliche Volksbücher I. Reihe Heft 2/3, 1904), Tübingen 3. Auflage 1907.
  • Die Offenbarung Johannis. Von der 5. Auflage an bearbeitet von D. theol. Wilhelm Bousset (= Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament. 16. Abtheilung). 6. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1906, (Online Wikisource, Textarchiv – Internet Archive).
  • Hauptprobleme der Gnosis. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1907.
  • Unser Gottesglaube (Religionsgeschichtliche Volksbücher. V. Reihe. Sechstes Heft), J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen 1908.
  • Kyrios Christos. Geschichte des Christusglaubens von den Anfängen des Christentums bis Irenaeus. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1913.
  • Jüdisch-christlicher Schulbetrieb in Alexandria und Rom. Literarische Untersuchungen zu Philo und Clemens von Alexandria, Justin und Irenäus. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1915 (ND Olms, Hildesheim/Zürich/New York 2004).
  • Jesus der Herr, Göttingen 1916.
  • Apophthegmata. Studien zur Geschichte des ältesten Mönchtums. Aus dem Nachlaß hrsg. von Theodor Hermann und Gustav Krüger. Mohr, Tübingen 1923 (ND Scientia, Aalen 1969).
  • Das Wesen der Religion dargestellt an ihrer Geschichte. Verlag von Gebauer-Schwetsche, Halle a. S. 1903.

Literatur

  • Johann Michael Schmidt: Bousset, Wilhelm. In: Theologische Realenzyklopädie (TRE). Band 7, de Gruyter, Berlin/New York 1981, ISBN 3-11-008192-X, S. 97–101.
  • Anthonie F. Verheule: Wilhelm Bousset. Leben und Werk. Ein theologiegeschichtlicher Versuch. Bolland, Amsterdam 1973, ISBN 90-70057-16-6.
  • Friedrich Forssman (Hrsg.): Sie waren Uttenreuther. Lebensbilder einstiger Erlanger Studenten. Uttenruthia, Erlangen 1993, DNB 931712734.
  • Michael Murrmann-Kahl, Kultfrömmigkeit statt Lehre. Eine Erinnerung an Wilhelm Boussets "Kyrios Christos" aus systematisch-theologischer Perspektive, in: Frömmigkeit. Historische, systematische und praktische Perspektiven (= Wiener Jahrbuch für Theologie Bd. 11), Göttingen 2016, S. 111–123.
  • Horst Renz (Hrsg.): Ernst Troeltsch und Wilhelm Bousset als Erlanger Studenten. Mit unveröffentlichten Texten. Palm & Enke, Erlangen/Jena 1993, ISBN 3-789-60525-5.
  • Michael Tilly: Bousset, Wilhelm. In: Metzler Lexikon christlicher Denker. Metzler, Stuttgart/Weimar 2000, ISBN 3-476-01706-0, S. 121.
  • Die Religionsgeschichtliche Schule in Göttingen. Eine Dokumentation von Gerd Lüdemann / Martin Schröder, Göttingen 1987.
  • Friedrich Wilhelm BautzBousset, Wilhelm. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 1, Bautz, Hamm 1975. 2., unveränderte Auflage. Hamm 1990, ISBN 3-88309-013-1, Sp. 722.
  • Angelika Alwast: Johann Franz Wilhelm Bousset. In: Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck. Band 12, Neumünster 2006, ISBN 3-529-02560-7, S. 37ff.
  • Michael Murrmann-Kahl, Die entzauberte Heilsgeschichte. Der Historismus erobert die Theologie 1880-1920, Gütersloh 1992, S. 365–378, 396–404, 413–418, 475–491.

Weblinks

Wikisource: Wilhelm Bousset – Quellen und Volltexte
Commons: Wilhelm Bousset – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Google books: Roland Harweg: Fiktion und doppelte Wirklichkeit: Studien zur Doppelexistenz von Roman- und Novellenorten am Beispiel des Frühwerks von Thomas Mann, S. 162
  2. Hermann Bousset: Pastorenjungs, Berlin, Carl Flemming und C.T.Wiskott, 1922 (an mehreren Orten).
  3. Inhaber der Handelsgärtnerei Steltzner & Schmalz Nachfolger war Johann Christian Wilhelm Hartwig. Namensgeber waren Johann Siegmund Steltzner und Johann Balthasar Schmalz gewesen. Schmalz war am 7. August 1829 verstorben. Johann Christian Hartwig war im Dezember 1860 zum Mitglied des Gemeindevorstandes von St. Lorenz gewählt und im Mai 1861 von Senat bestätigt worden.
  4. Hermann Genzken: Die Abiturienten des Katharineums zu Lübeck (Gymnasium und Realgymnasium) von Ostern 1807 bis 1907. Borchers, Lübeck 1907. (Beilage zum Schulprogramm 1907), Nr. 852.
  5. Mitgliederverzeichnis der Burschenschaft im V.D.B. Arminia Göttingen, in: Verband Deutscher Burschen (V.D.B., Hrsg.): Mitgliederverzeichnis. 1. Januar 1933, Buchdruckerei Freisinger Tagblatt, S. 53f.
  6. Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Bd. 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Bd. 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 47.
  7. Bousset, Lübeck, bei: ancestry.de

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