Wilhelm Backhausen (Theologe)

Karl Wilhelm August Backhausen (* 30. Juli 1869 in Hattorf; † 13. September 1924 in Arosa) war ein deutscher evangelisch-lutherischer Pastor und Sozialpädagoge. Als Autor trat er für eine „jugendgemäße“ Pädagogik ein[1] und hatte großen Einfluss auf die Jugendwohlfahrt. Immer auf den Vorrang des erzieherischen Gesichtspunktes bedacht, war er entscheidend an der Vorbereitung der Gesetze zur Reform der Fürsorgeerziehung in der Weimarer Republik beteiligt.[2]

Lithographie mit verschiedenen Aspekten des Stephansstifts, um 1902, von Carl Grote

Leben

Familie

Wilhelm Backhausen war der Sohn des in Hattorf tätigen Lehrers Karl Heinrich August Backhausen und der Johanna Sophie Dorothee Elisabeth (1825–1906), der Tochter des Barnstorfer Bauern Andreas Heinrich Siedentop und der Sophie Elisabeth Schmidt. Er war väterlicherseits der Enkel des Hattorfer Lehrers Carl Heinrich Backhausen und der Henriette Gerloff. Mit seiner Ehefrau Agnes, einer Tochter des Verlagsbuchhändlers Alexander Wolff und der Emma Mirow, hatte Backhausen einen Sohn und vier Töchter.[2] Seine Tochter Margrit (1908–1997) heiratete den Schokoladenfabrikanten und Kunstmäzen Bernhard Sprengel.[1]

Werdegang

Wilhelm Backhausen trat 1899[Anm. 1] zur Ableistung seines Vikariats in das Stephansstift vor Hannover ein. Zuvor wurde er während seines Studiums 1889 Mitglied der Straßburger Burschenschaft Arminia.[3] Nachdem das Preußische Gesetz über die Fürsorgeerziehung Minderjähriger[2] vom 2. Juli 1900[4] in Kraft getreten war, begann Backhausens Tätigkeit als 2. Anstaltsgeistlicher und Leiter der Erziehungsarbeit am 17. November 1901 bis in sein Todesjahr 1924.[1]

Ab 1912 – und ebenfalls bis 1924 – übernahm Backhausen den Vorsitz des Allgemeinen Fürsorgeerziehungstages (AFET), „der Vertretung aller an der Fürsorgeerziehung beteiligten Organisationen“ im damaligen Deutschland.[2]

Mitten im Ersten Weltkrieg gründete Wilhelm Backhausen 1915 ein Erziehungsheim für männliche aus der Schule entlassene Jugendliche auf dem Kronsberg[2] bei Laatzen,[1] wo er hierfür das Rittergut Kronsberg mit dem Stephansstift verband.[5] Im September desselben Jahres übernahm Backhausen auch die dortige Heimleitung[1] – und veröffentlichte ebenfalls 1915 seine Schrift Unsere Fürsorgezöglinge und der Krieg.

Aufbauend auf den Ideen von Johann Hinrich Wichern für die evangelische Anstaltserziehung, entwickelte Backhausen die Ausgestaltung in Theorie und Praxis fort unter Berücksichtigung der veränderten gesellschaftlichen Bedingungen nach dem Ende des Deutschen Kaiserreichs. Er setzte sich mit modernen pädagogischen Reformbestrebungen auseinander[2] und schrieb zahlreiche Abhandlungen in verschiedenen Fachblättern.[1] So half er insbesondere bei der Überwindung des überlieferten Misstrauens der evangelischen Anstaltserzieher gegen die Psychiatrie. Als Leiter des AFET konnte Backhausen die Vertreter der verschiedenen weltanschaulichen Richtungen für die Reform der Fürsorgeerziehung ausgleichend zusammenhalten, ohne dabei seinen eigenen Standpunkt zu verleugnen.[2]

Posthum wurde die Immobilie am Kronsberg erst 1962 vom Stephansstift verkauft.[1]

Ehrungen

  • Laut dem Adressbuch der Stadt Hannover von 1953 wurde der im Jahr zuvor 1952 angelegte Backhausenweg im hannoverschen Stadtteil Mittelfeld nach dem Pastor und Pädagogen benannt.[5]

Schriften (Auswahl)

  • Wilhelm Backhausen: Unsere Fürsorgezöglinge und der Krieg, Heymanns, 1915
  • Johannes Steinwachs, Wilhelm Backhausen, Johannes Voigt: Die evangelische Anstaltserziehung mit besonderer Berücksichtigung der Fürsorgeerziehung: Leitfaden zur Ausbildung von Erziehern in Anstalten für männliche Zöglinge, Hannover: Verlag des Stephansstifts, 1922

Literatur

  • Erich Weniger: Backhausen, Karl Wilhelm August. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 1, Duncker & Humblot, Berlin 1953, ISBN 3-428-00182-6, S. 505 f. (Digitalisat).
  • Johannes Wolff: Wilhelm Backhausen, ein evangelischer Erzieher, Hannover: Buchhandlung des Stephansstiftes, 1927
  • Festschrift zum 125. Jahresfest des Stephansstiftes, 1994.
  • Jens Schmidt-Clausen: Backhausen, Karl Wilhelm August. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.) u. a.: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 41.

Anmerkungen

  1. Davon abweichend nennt das Stadtlexikon Hannover (s. Literatur) das Datum 1. Juli 1901 als Eintrittsdatum als Vikar

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g Jens Schmidt-Clausen: Backhausen ... (siehe Literatur)
  2. a b c d e f g Erich Weniger: Backhausen ... (siehe Literatur)
  3. 125 Jahre Straßburger Burschenschaft Arminia. Festschrift zum 125jährigen Bestehen. Tübingen 2011, S. 115.
  4. Vergleiche Max Schultzenstein: Das deutsche Vormundschaftsrecht und das preußische Gesetz über die Fürsorgeerziehung Minderjähriger vom 2. Juli 1900: nebst den dazu gehörigen preußischen nebengesetzen und allgemeinen Verfügungen, Textausgabe mit Erläuterungen und Sachregister, 2. Auflag, Berlin: Guttentag, 1901 (509 Seiten)
  5. a b Helmut Zimmermann: Backhausenweg. In: Die Strassennamen der Landeshauptstadt Hannover, Verlag Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1992, ISBN 3-7752-6120-6, S. 32

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Carl Grote Litho Das Stephansstift vor Hannover.jpg
Das Stephansstift vor Hannover; Lithographie erschienen im Verlag Heinrich Feesche, Einzelblatt (bräunlicher Karton, vermutlich 120g/m², ca. 21 cm x 27 cm, Rückseite blanco).

Das Blatt zeigt im oberen Oval die nach einem Entwurf von Eberhard Hillebrand 1885 eingeweihte Stiftskirche, im Hintergrund die Silhouette der 1902 eingeweihten Petri-Kirche in Kleefeld (ebenfalls Hillebrand). Vor dem umfangreichen Gebäudekomplex der Stiftung bringen „gefährdete“ Jungen und Zöglinge die Maht ein. Links davon gefällte Holzstämme vor einem Schuppen als Hinweis auf die (ehemalige) Tischlerei.

Auf dem Blatt unten links verlässt ein vorbildlich gepflegter Erwachsener mit Zylinder und einem (Lehr-)Buch das fleißige Treiben: Die Brücke führt ihn über das Wasser in einen urwüchsigen dunklen Wald, doch der Unbill der Natur setzt die erlernte Kultur jederzeit einen doppelt nützlichen Regenschirm-Spazierstock entgegen.

In der Blattmitte unten, im hellen Rund, findet der (halb-)nackte Mensch, gestützt von einer Holzkrücke, schließlich in die Arme und die Liebe von Jesus. Darunter weist ein Wappenfeld auf die Bibel, Lukas, Kapitel 14, Vers 21: „… führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen (zur Speise) herein“.

Die wohlhabenden Herren in dem Rechteck mit der Stiftskirche erörtern sicher gerade die aufzubringenden Mittel für die Wohltaten im Sinne der Nächstenliebe.