Wilfried Basse

Wilfried Basse (eigentlich Wilhelm-Friedrich Heinrich Hermann Basse; * 17. August 1899 in Hannover; † 6. Juni 1946 in Berlin) war ein deutscher Dokumentarfilmer und Kameramann, der erst in den 1970er/80er Jahren wiederentdeckt wurde, wegen seiner Haltung zum Regime der Nationalsozialisten jedoch umstritten ist.[1]

Leben

Wilfried Basse war der Sohn des hannoverschen Bankiers Wilhelm Basse und Enkel des Bankiers und Politikers August Basse.[1] Nach seinem Abitur 1919 begann er ein Studium an der Kunstgewerbeschule Stuttgart und 1921 eine Banklehre bei seinem Vater, der 1923 starb. Basse erhielt daraufhin die Prokura und heiratete 1924 die Stuttgarter Verlegerstochter Felicitas Spemann.

Er knüpfte Kontakte zu zahlreichen Künstlern wie Kurt Schwitters und den Mitgliedern der Kestnergesellschaft. Der 1927 von der Kestnergesellschaft aufgeführte Film Schaffende Hände, Teil II beeindruckte ihn derart, dass er beschloss, die Bankierskarriere endgültig aufzugeben. 1927 zog er nach Berlin.

Hier arbeitete er zunächst für Hans Cürlis und machte 1928 als Kameraassistent erstmals selbstständige Aufnahmen. 1929 stellte er seinen ersten Kurzfilm Baumblütenzeit in Werder fertig. Bereits in diesem Erstlingswerk zeigte sich die für ihn charakteristische sanfte Ironie und das Interesse für den Einzelnen im Alltag. Im Juli 1929 gründete er seine eigene Produktionsfirma Basse-Film GmbH.[2]

Nach der Scheidung von seiner ersten Frau heiratete er seine Mitarbeiterin Gertrud „Tucki“ Geiss, die zuvor Lehrerin an der Kunstgewerbeschule Hannover war. Seine Sympathie für die politische Linke zeigte sich unter anderem 1931 in dem Informationsfilm Das rote Sprachrohr über eine Agitprop-Veranstaltung. Er war Mitglied der Roten Hilfe und bis 1931 Mitglied der Liga für Menschenrechte.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 arrangierte er sich nach anfänglichem Zögern mit den neuen Machthabern und vernichtete unmittelbar vor einer unangekündigten Haussuchung sämtliches ihn belastende Material.[3] Er wurde zu einem der wichtigsten Zulieferer von Lehrfilmen für die Reichsstelle für den Unterrichtsfilm (RfdU).

„In Zusammenarbeit mit seiner Frau Gertrud und dem Kameramann Wolfgang Kiepenheuer entstehen bis 1939 zahlreiche Reportagen und Kulturfilme, die häufig Themen aus der Welt der Arbeit und des Sports behandeln“

Jorg Giesemann: Wir Wunderkinder. 100 Jahre Filmproduktion in Niedersachsen. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Historischen Museum Hannover vom 15. Oktober 1995 bis zum 16. Januar 1996.[4]

Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges konnte Basse keine Filme mehr drehen. Im Winter 1945/46 kam es aufgrund einer Infektion zu einer Rippenfellentzündung. Amerikanische Freunde erreichten, dass er von Professor Ferdinand Sauerbruch operiert wurde, er starb jedoch einen Tag nach dem Eingriff am 6. Juni 1946 abends in der Charité.

Werke

Am bekanntesten ist sein 1932 bis 1934 gedrehter Dokumentarfilm Deutschland – zwischen gestern und heute, der nach Eingriffen der Zensur mehrfach geändert werden musste. Er wurde 1934 zusammen mit anderen Filmen als deutscher Beitrag beim Filmfestival Venedig gezeigt und erhielt unerwartet einen vom römischen Lehrfilminstitut gestifteten Sonderpreis. Dieser Film wurde auf der Berlinale 1977 wiederaufgeführt.

  • Wolfgang Kiepenheuer (Zusammenstellung): Menschen im Deutschland von 1932 [Bildtonträger] : Deutschland zwischen gestern und heute, gekürzte Fassung des Originals, Frankfurt : Inter-Pathé-Film, [circa 1984], 1 Videokassette [VHS] (25 Min.) : s/w

Basse war bei Leni Riefenstahls Olympia-Film einer der Kameramänner.[1]

Literatur

  • Rudolf Arnheim, Gertrud T. Basse, Friedrich Terveen: Wilfried Basse. Notizen zu einem fast vergessenen Klassiker des Deutschen Dokumentarfilms. In: Kraft Wetzel, Peter A. Hagemann: Liebe, Tod und Technik. Kino des Phantastischen 1933 - 1945. Verlag Volker Spiess, Berlin 1977. ISBN 3-920889-59-2. Dort. S. 77–97 (mit Filmographie)
  • Ines Katenhusen: Anmerkung 1105 [mit zahlreichen Literaturhinweisen], in: Kunst und Politik. Hannovers Auseinandersetzungen mit der Moderne in der Weimarer Republik, zugleich Dissertation an der Universität Hannover unter dem Titel Das Verständnis für eine Zeit gewinnt man vielleicht am besten aus ihrer Kunst, in der Reihe Hannoversche Studien, Schriftenreihe des Stadtarchivs Hannover, Band 5, Hannover: Hahn, 1998, ISBN 3-7752-4955-9, S. 346
  • Rolf Aurich, Susanne Fuhrmann, Pamela Müller (Red.): Lichtspielträume. Kino in Hannover 1896–1991. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Theater am Aegi vom 6. Oktober bis zum 24. November 1991. Gesellschaft für Filmstudien, Hannover 1991, S. 146f.
  • Waldemar R. Röhrbein: Basse, (2) Wilfried. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.) u. a.: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 51.
  • Thomas Tode: Wilfied Basse – Dokumentarfilm-Regisseur, Kameramann, Produzent. In: CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film, Lieferung 29, 1997.
  • Waldemar R. Röhrbein: BASSE, (1) Wilfried. In: Dirk Böttcher, Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein, Hugo Thielen: Hannoversches Biographisches Lexikon. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2002, ISBN 3-87706-706-9, S. 43; online über Google-Bücher

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Waldemar R. Röhrbein: BASSE, (1) Wilfried (siehe Literatur)
  2. Handelsregister Berlin HRB Nr. 42878
  3. Diese Aktion wird laut CineGraph von Basses Frau in deren Memoiren in allen Details geschildert.
  4. Jorg Giesemann: Wir Wunderkinder. 100 Jahre Filmproduktion in Niedersachsen. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Historischen Museum Hannover vom 15. Oktober 1995 bis zum 16. Januar 1996. Hrsg.: Gesellschaft für Filmstudien. S. 276 (Redaktion: Susanne Höbermann, Pamela Müller).