Wikingersiedlung von Füsing

Karte der Wikingersiedlung bei Füsing, mit Schleisperrwerk und Margarethenwall

Die Wikingersiedlung von Füsing (dänisch Fysing) liegt in einem Ortsteil von Schaalby nördlich der Schlei im Schleswig-Holstein. Füsing ist eine große frühmittelalterliche/wikingerzeitliche Siedlung im Südwesten von Angeln. Die Stätte wurde 2003 durch Metalldetektoruntersuchungen des Archäologen Andres Dobat, Universität Aarhus (DK) entdeckt.

Sie befindet sich am Ufer der Füsinger Au (alternativ Loiter Au) mit Blick auf den inneren Teil der Schlei (Große- und Kleine Breite), östlich VON Schleswig, der Nachfolgerstadt des wikingerzeitlichen Hedeby (Haithabu).

Die Siedlung bestand von etwa 700 n. Chr. bis zum Ende des 10. Jahrhunderts. Ihre primäre Funktion war militärisch-defensiver und strategischer Natur. Als Garnisons- und Flottenstützpunkt im südlichen Grenzgebiet des dänischen Königreichs stand Füsing in enger Verbindung mit der Befestigungsanlage Danewerk. Als regionales Produktions- und Handelszentrum erfüllte Füsing möglicherweise auch eine Funktion als Umschlagplatz und Bindeglied von überregionalen und regionalen Handelsnetzen. Der Ort könnte identisch sein mit dem historischen Ort Sliesthorp, der in den Fränkischen Reichsannalen als Stützpunkt der ersten dänischen Könige im Grenzgebiet erwähnt findet.

Lage von Füsing – von Nordosten gesehen – die Siedlung in der vorderen Bildmitte, der Füsing Au unten rechts, dem Haddebyer Noord und dem Siedlungsareal von Hedeby oben links und der Stadt Schleswig mittig oben

Die topografische und strategische Lage

Der Ort befand sich in einer topografisch und strategisch günstigen Lage, sowohl im Hinblick auf den Schiffsverkehr, militärische und strategische Aspekte als auch auf symbolische und repräsentative Eigenschaften.

Mit der Schlei-Förde lag der Ort direkt an einer der wichtigsten Wasserstraßen. Die schmale Passage um die Halbinsel Reesholm südlich des Ortes ermöglichte es, die Förde zu kontrollieren und gegebenenfalls zu sperren. An drei Seiten von Wasser und/oder Sumpf umgeben befand sich die Siedlung in einer strategisch günstigen Position für den Fall militärischer Angriffe über Land.

Die erhöhte Lage ermöglichte es, weite Teile der inneren Schlei zu überblicken (u. a. die Ost- und Westflanke des Danewerks, Hedeby und das mittelalterliche Schleswig). Von der Schlei aus (vom Deck eines Schiffes) wären die Siedlung und ihre Anlagen auch aus großer Entfernung sichtbar gewesen.

Situation während der Ausgrabung eines Langhauses in Füsing, 2010.

Archäologische Untersuchungen

Nach der Entdeckung im Jahr 2003 wurde der Fundort Füsing jährlich systematisch mit Metalldetektoren begangen. 2005 wurde eine geomagnetische Untersuchung durchgeführt, die den größten Teil der vermuteten Siedlungsfläche (85.000 m²) abdeckte.

2010 ermöglichte eine Spende der Carlsberg-Stiftung die Durchführung erster Ausgrabungen. Diese wurden in Zusammenarbeit mit dem Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein und der Stiftung Schleswig Holsteinische Landesmuseen von Andres Dobat und der Universität Aarhus geleitet und durchgeführt. In vier Kampagnen wurden zwiaschen 2010 und 2014 etwa 20 % der Siedlungsfläche (12.700 m²) freigelegt.

Ein Datensatz der Untersuchungen in Füsing zwischen 2003 und 2014 ist abrufbar unter:https://museumsgis.dk/projekt/fusing/.

Die Siedlung und ihre Funktion

Ausgrabungen in Füsing 2010 bis 2014 mit den Grabungsflächen und den Gruben- und Langhäusern

Die räumliche Ausdehnung der frühmittelalterlichen Siedlung von Füsing betrug zwischen 60.000 und 85.000 m². Bei den Ausgrabungen konnten 52 Grubenhäuser und 24 dreischiffige Langhäuser nachgewiesen werden.

Im 7. und 8. Jahrhundert diente Füsing vermutlich vor allem als saisonaler Versammlungsort mit verschiedenen Funktionen. Im 9. und 10. Jahrhundert entwickelt sich der Ort zur dauerhaften Siedlung. Der Großteil der Funde zeugt von handwerklichen Tätigkeiten, darunter spezialisierte Industrien wie Bronzeguss, möglicherweise auch Glasverarbeitung. Eiserne Nägel, Nieten und Nietplatten, die vor allem in geklinkerten Schiffen verwendet wurden, zeigen, dass die Reparatur oder sogar der Bau von Schiffen ein Element war. Äxte oder Axtfragmente, Pfeilspitzen, sowie ein einzelner eiserner Schwertknauf unterstreichen den militärischen Charakter des Platzes. Ein militärischer Hintergrund ist bei mehreren Artefakten britischer Herkunft anzunehmen, die Raubzugbeute darstellen. Gewichte, Glasperlen, Hacksilber und Münzen deuten auf Warenaustausch.

Die Gründung und das Ende von Füsing

Die frühmittelalterliche Siedlung wurde irgendwann in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts, spätestens um 700 n. Chr. gegründet. Alle Daten deuten darauf hin, dass die frühmittelalterliche Siedlung Füsing um das Jahr 1000 n. Chr. aufgegeben oder in das Gebiet des heutigen Schleswig verlagert wurde.

Metallfunde unterschiedlicher Zeitstellung, darunter ein Kistenbeschlagteil im Mammenstil des 10. Jahrhunderts, das Fragment eines Mähnenstuhlbeschlags, ein Trimisses (Münze), ein Armring sowie karolingische Beschlagteile.

Die Bewohner von Füsing

Funde und architektonische Reste zeigen, dass der Ort und die meisten seiner Bewohner in den dänischen Kulturkontext eingebettet waren. Vor allem eine kleine Gruppe hochrangiger karolingischer Funde sowie nordische Metallarbeiten und gläserne Trinkgefäße lassen sich mit den oberen Schichten der wikingerzeitlichen Gesellschaft und einer aristokratischen Elite verbinden. Gleichzeitig kennzeichnet den Ort eine soziale Vielfalt, wobei die Bewohner sowohl einen ständigen Haushalt als vermutlich auch eine wechselnde Zahl von Besuchern umfassten. Bei letzteren ist von einer bedeutenden Anzahl von Kriegern/Streitkräften auszugehen. Mehrere Fibeln friesischen Typs deuten, zumindest in der Frühphase des Fundplatzes, auf die Anwesenheit westeuropäischer Besucher.

Die Zahl der Bewohner schwankte wahrscheinlich beträchtlich, wobei zu besonderen Anlässen (Markt, religiöse/politische Versammlungen, königliche Anwesenheit usw.) und in Situationen akuter militärischer Bedrohung ein hohes Maß an Aktivität herrschte.

Kultische Deponierungen

Eine Gruppe von mit Steinen gefüllter Grubenbefunde mit einer zentralen Grube, in der ein Axtkopf zusammen mit einem großen Eisenmesser deponiert worden war (2010-OA58), steht möglicherweise im Zusammenhang mit der Opferung von Tieren. Die Deponierung von Schlachtabfällen und Waffen ist ein charakteristisches Merkmal von Elitenresidenzen im Norden. Es ist möglich, dass die Grubenbefunde in Füsing auf Tieropfer und kultische/religiöse Festmahle zurückzuführen sind.

Das große Langhaus

Den höchsten Punkt des Siedlungsplateaus dominierte während des 10. Jahrhunderts ein außergewöhnlich großes Langhaus (2011-OA123). Errichtet in zwei aufeinanderfolgenden Phasen, von denen die erste durch einen Brand zerstört wurde, und einer maximalen Länge von etwa 30,0 m ist das Haus das bislang größte der Siedlung. In einem der beiden Eingangspfeiler wurden eine Pfeilspitze sowie eine Fußfalle ein so genannter Krähenfuß aus Eisen gefunden. Beides deutet auf einen Konflikt in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts hin, in dessen Zuge das Haus abbrannte.

Typische Glasfunde (Perlen. Gefäßfragmente und Rohglas), wie sie in Füsing primär in den Füllschichten von Grubenhäusern gefunden wurden (Ausgrabungen von 2010 bis 2014).

Füsing als regionaler Warenumschlagplatz

Die Gründung von Füsing korrespondiert zeitlich mit frühesten Hinweisen auf eine Siedlungstätigkeit um das Haddebyer Noor (Südsiedlung), etwa 6000 Meter südwestlich von Füsing. Während des 9. und 10. Jahrhunderts existierte Füsing gleichzeitig mit dem Handelsknotenpunkt Hedeby. Das nahe Nebeneinander von Füsing und Hedeby als Stätten von Produktion und Warenaustausch bis um etwa 1000 n. Chr. kann als Ausdruck einer funktionalen Trennung verstanden werden. Während Hedeby in erster Linie auf den Kontinent und den internationalen Handel ausgerichtet war, scheint Füsing tief in einem traditionellen Kontext verwurzelt gewesen zu sein und sich auf sein Hinterland konzentriert zu haben. Der Fluss Füsing stellte einen Binnenverkehrsweg dar, der es zumindest kleineren Booten ermöglichte, weiter in die Landschaft Angeln vorzudringen. Dies machte Füsing zu einem idealen Punkt für die lokale und regionale Verteilung von Waren.

Füsing als Sitz eines königlichen Vertreters?

Wie die Elitenresidenzen Adelsö/Hovgården in Birka oder Skiringssal/Husby in Kaupang kann Füsing als Sitz eines königlichen Vertreters, Verwalters oder Jarls gedient haben. Nicht zuletzt die Erwähnung eines königlichen Vertreters namens „Hovi“ (comes praefati vici) in der „Vita Ansgarii“ (Leben Ansgars, S. 104) aus dem 9. Jahrhundert lässt vermuten, dass ein solcher Ort im Hinterland von Hedeby existierte.

Füsing, Reesholm und die Danevirke

Die Gründung von Füsing um 700 n. Chr. entspricht den frühen Bauphasen der Anlage des Danewerks. Die Etablierung und Frühphase des Platzes stehen im Zusammenhang mit der Errichtung des Schlei-Seesperrwerks vor Reesholm, welches um 737 n. Chr. als zentraler Teil des Verteidigungssystems errichtet wurde.[1]

Gelegen im Zentrum des Danevirke-Systems könnte Füsing eine Schlüsselrolle als strategischer Knotenpunkt und Garnison, auch und gerade für Seestreitkräfte, gespielt haben.

Die Existenz eines Militärstützpunkts im Hinterland des Danewerks geht indirekt aus den Fränkischen Annalen hervor. Für das Jahr 817 nennen diese einen „Gluomi“ als dänischen Grenzwächter (custos Nordmannici limitis). Es ist möglich, dass Gluomi im frühen 9. Jahrhundert in Füsing residierte.

Füsing und das historische Sliesthorp

Füsing könnte mit dem historischen Ort Sliesthorp identisch sein. Dieser wird in den fränkischen Annalen von 804 und 808 n. Chr. als Stützpunkt des Dänenkönigs Godfred erwähnt; für das Jahr 804 as locum qui dicitur Sliesthorp und 808 als ad portum, qui Sliesthorp dicitur (the place/harbour which is called Sliesthorp). Die Erwähnung fällt im Zusammenhang mit dem Bau (vermutlich Wiederaufbau) des Danewerks und der gezielten Initiierung und Förderung des Handelszentrums Hedeby im Jahre 808 n. Chr.

Füsing und Schleswig

Das Ende der Siedlungstätigkeiten in Füsing um 1000 n. Chr. korrespondiert mit dem vermuteten Beginn Schleswigs als königliches und kirchliches Zentrum am Nordufer der inneren Schlei. Mit der Etablierung Schleswigs könnte Füsing seine funktionale Daseinsberechtigung verloren haben.

Literatur

  • Andres Siegfried Dobat: Finding Sliesthorp? The Viking Age settlement at Füsing. In: Danish Journal of Archaeology 2022. 2022 (tidsskrift.dk [abgerufen am 10. Mai 2022]).
  • Andres Siegfried Dobat: Füsing: Eine jüngereisenzeitliche Siedlung im Umfeld von Hedeby/Schleswig. Vorläufiger Bericht über die Ergebnisse der Prospektionen 2003-05. In: Forschungen zu Haithabu und Füsing. Die Ausgrabungen in Haithabu. Band 16. Wachholtz Verlag, Neumünster 2010.
  • Andres Siegfried Dobat: From Torksey to Füsing and Hedeby: gambling warriors on the move? In: B.V. Eriksen et al. (Hrsg.): Interaktion ohne Grenzen: Beispiele archäologischer Forschungen am Beginn des 21. Jahrhunderts. Neumünster: Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen 2017, S. 597–606.
  • Andres Siegfried Dobat: Der Neufund eines wikingerzeitlichen Krummsielbeschlagfragments aus dem Landesteil Schleswig. In: Archäologisches Korrespondenzblatt. Band 34, 2004, S. 277–292.
  • Andres S. Dobat, Amanda Ellermann Trans. Karl Hjalte Maack Raun: Zwischen Haithabu, Danewerk und Schleswig – Die Wikingersiedlung Füsing. In: Archäologische Nachrichten aus Schleswig-Holstein. 2011, ISBN 978-3-529-01433-8, S. 88.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Auer, J. and Nakoinz, O., 2017. Archaeology in Murky Waters: recent investigations of an 8th century structure in the Schlei, Northern Germany. A submerged structure in the Schlei: preliminary report. In: J. Litwin (ed.). Baltic and beyond. Change and continuity in shipbuilding. Gdańsk: The National Maritime Museum, 89–94.

Koordinaten: 54° 31′ 48,2″ N, 9° 38′ 11,9″ O

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