Wiesen-Bärenklau

Wiesen-Bärenklau
(c) Christian Fischer, CC BY-SA 3.0

Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium)

Systematik
Euasteriden II
Ordnung:Doldenblütlerartige (Apiales)
Familie:Doldenblütler (Apiaceae)
Unterfamilie:Apioideae
Gattung:Bärenklau (Heracleum)
Art:Wiesen-Bärenklau
Wissenschaftlicher Name
Heracleum sphondylium
L.

Die oder der Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium), auch Gemeine Bärenklau genannt, ist eine Pflanzenart in der Familie der Doldenblütler (Apiaceae). Sie ist im Gegensatz zur Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum) in Europa heimisch. Weil die lappig gestielten und behaarten Blätter Tierfüßen ähneln, hat diese auch Bärentap(p)e genannte Pflanzenart den Namen Bärenklau („Bärenklaue“) erhalten.

Beschreibung

Tafel 451 (aus Thomé Bd.3 1905): Wiesen-Bärenklau, (Heracleum sphondylium L.), A Teil der Pflanze. 1 Stempel; 2 halbreife Frucht; 3 Fruchtträger mit den Früchtchen; 4 Fruchtquerschnitt. 1 bis 4 vergrössert.
Illustration
Blattscheiden sind groß und auffällig
Rau behaarter, kantig gefurchter, hohler Stängel
(c) Christian Fischer, CC BY-SA 3.0
Unterer Teil einer Pflanze mit Grundblättern und kräftigem Stängel
Doppeldoldiger Blütenstand

Die Wiesen-Bärenklau ist eine ausdauernde, krautige Pflanze, die Wuchshöhen von bis zu 1,5 Metern erreicht. Die Grundachse ist dick, verzweigt und tiefwurzelnd. Die Pflanze verströmt einen unangenehmen Geruch und enthält reichlich ätherische Öle. Der Stängel ist kantig gefurcht. Die Laubblätter sind einfach gefiedert, die Fiederabschnitte sind fiederspaltig sowie stumpf gesägt. Die Blätter haben eine große, als Knospenschutz dienende Blattscheide (Ochrea).

In einem doppeldoldigen Blütenstand stehen viele Blüten. Ihre Blüten sind weiß, oft leicht grünlich oder hellrosa überlaufen. Der Nektar liegt ähnlich wie beim Wiesenkerbel offen in der Blüte und ist daher auch für kurzrüsselige Insekten gut erreichbar. Die Blütezeit reicht von Juni bis Oktober.

Die Früchte sind geflügelte Doppelachänen. Die Früchte reifen zwischen Juli bis September.

Der Wiesenbärenklau blüht von Juni bis September.

Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 22.[1]

Ökologie

Die Wiesen-Bärenklau ist eine Halbrosettenpflanze.

Die Blüten sind „Nektar führende Scheibenblumen“ und stehen in zusammengesetzten Dolden. Die Randblüten sind „strahlend“. Es ist die namengebende Art für den Heracleum-Typ. Die Blüten der Hauptdolde sind meist zwittrig, die übrigen besitzen neben zwittrigen Blüten oft männliche und durch sterile Staubbeutel oder Pollenkörner funktionell weibliche. Die Blüten sind vormännlich, d. h. die Staubblätter strecken sich nach ihrer Entfaltung nach außen und entladen den Pollen. Die Griffel mit der kopfigen Narbe entwickeln sich meist später. Sie sind von einem grünlichen, reichlich Nektar absondernden Diskus („Griffelpolster“) umgeben. Diese Pflanzenart wird von der auf Doldenblütler spezialisierten Bärenklau-Sandbiene (Andrena rosae) als Pollenquelle genutzt.[2] Wichtige Bestäuber sind verschiedene Mücken, Fliegen, Hautflügler, Schmetterlinge, Fransenflügler und Käfer, z. B. der bunte Bockkäfer.[3] Der Wiesen-Bärenklau ist die Raupen-Futterpflanze für die Schmetterlingsarten Silberpunkt-Höckereule, Weiderich-Blütenspanner, Bärenklau-Rauhaareule, Mondfleckiger Blütenspanner, Haarstrang-Blütenspanner, Brustwurz-Blütenspanner, Bärenklau-Blütenspanner und Purpurglanzeule.[4]

Die Früchte sind geflügelte Doppelachänen und verbreiten sich mit dem Wind als „Schirmchenflieger“ (Anemochorie). Die Hauptausbreitung erfolgt durch Wasserhaft- (Nautochorie) und Zufallsausbreitung durch Weidetiere (Zoochorie) und Stallmist.

Vorkommen

Man findet die Wiesen-Bärenklau verbreitet in Fettwiesen und Staudenfluren, an Ufern und Gräben, in Auenwäldern und deren Säumen und in Hochstaudenfluren. Sie wächst bevorzugt auf lockerem, feuchtem Boden. Nach Ellenberg ist sie eine Halblichtpflanze, ein Mäßigwärmezeiger mit ozeanischer Kontinentalitätszahl, ein Frischezeiger, ein ausgesprochener Stickstoffzeiger und eine Ordnungscharakterart gedüngter Frischwiesen und -weiden (Arrhenatheretalia).[5]

Unterarten und ihre Verbreitung

Die Wiesen-Bärenklau, auch als Bärwurz[6][7] bezeichnet, ist eine sehr formenreiche Art. In der Flora Europaea[8] werden neun Unterarten genannt. Zwei weitere Unterarten werden für die Türkei, fünf für Nordafrika angegeben.[9] In Deutschland unterscheidet man drei Unterarten:

  • Bergwiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium subsp. elegans(Crantz) Schübl. & G.Martens, Syn.: Heracleum sphondylium subsp. montanum(Schleicher ex Gaudin) Briq., Heracleum lanatumMichx., Heracleum sphondylium subsp. lanatum(Michx.) Á. Löve & D. Löve, Heracleum maximumW.Bartram, Heracleum montanumSchleich. ex Gaudin): Sie kommt von Marokko und Spanien, Portugal, Italien, Frankreich, Deutschland, der Schweiz, Österreich, der Balkanhalbinsel, Polen, Ungarn, Rumänien, bis zur asiatischen Türkei vor.[9] Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 22.[1] Sie ist eine Charakterart des Verbands Adenostylion.[10] In den Allgäuer Alpen steigt sie in Bayern am Südostgrat der Höfats bis zu einer Höhenlage von 2100 Metern auf.[11]
  • Grünblühende Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium subsp. sibiricum(L.) Simonk., Syn.: Heracleum sibiricumL.): Kommt in Europa von Frankreich, Italien und Mitteleuropa bis Nordost- und Südosteuropa vor und ist in Großbritannien ein Neophyt.[9] Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 22.[1] Sie kommt in Gesellschaften der Ordnung Arrhenatheretalia, aber auch der Klasse Epilobietea oder des Verbands Calthion vor.[10]
  • Gewöhnliche Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondyliumL. subsp. sphondylium): Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 22.[1] Sie kommt in Europa und in der Türkei vor.[9] Sie kommt vor allem in Gesellschaften der Ordnung Arrhenatheretalia vor, aber auch der Verbände Atropion oder Alno-Ulmion.[10]

Weitere Unterarten sind:[8][9]

  • Heracleum sphondylium subsp. alpinum(L.) Bonnier & Layens (Syn.: Heracleum alpinumL.): Sie kommt nur im Jura in Frankreich und in der Schweiz vor.[9] Sie ist eine Art des Aceri-Fagetum und dessen Saumgesellschaften.[10]
  • Heracleum sphondylium subsp. artvinense(Manden.) P. H. Davis: Sie kommt in der Türkei vor.[9]
  • Heracleum sphondylium subsp. atlanticumMaire: Sie kommt in Algerien vor.[9]
  • Heracleum sphondylium subsp. aurasiacum(Maire) Dobignard: Sie kommt in Algerien vor.[9]
  • Heracleum sphondylium subsp. cyclocarpum(K. Koch) P. H. Davis: Sie kommt in der Türkei und in Georgien vor.[9]
  • Heracleum sphondylium subsp. embergeriMaire: Sie kommt in Marokko vor.[9]
  • Heracleum sphondylium subsp. orsinii(Guss.) H.Neumayer: Sie kommt im mittleren und südlichen Apennin und in den Gebirgen der Balkan-Halbinsel und in der europäischen Türkei vor.[9]
  • Heracleum sphondylium subsp. pyrenaicum(Lam.) Bonnier & Layens (Syn.: Heracleum pyrenaicumLam.): Sie kommt in den Pyrenäen, den Alpen, im nördlichen Apennin und in den Gebirgen der Balkan-Halbinsel vor.[9] Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 22.[1]
  • Heracleum sphondylium subsp. rotundatum(Maire) Dobignard: Sie kommt in Marokko vor.[9]
  • Heracleum sphondylium subsp. suaveolens(Litard. & Maire) Dobignard: Sie kommt in Marokko vor.[9]
  • Heracleum sphondylium subsp. ternatum(Velen.) Brummitt (Syn.: Heracleum ternatumVelen.): Sie kommt im nördlichen und mittleren Apennin, in den Gebirgen der Balkan-Halbinsel und in der Türkei vor.[9]
  • Heracleum sphondylium subsp. transsilvanicum(Schur) Brummitt (Syn.: Heracleum palmatumBaumg., Heracleum transsilvanicumSchur): Sie kommt in den Karpaten von Polen, Rumänien und der Ukraine vor.[9]
  • Heracleum sphondylium subsp. verticillatum(Pančić) Brummitt: Sie kommt auf der Balkan-Halbinsel vor.[9]

Aufgrund der großen Variabilität der Merkmale und des Auftretens von Zwischenformen erscheint die Einstufung von Heracleum alpinum, Heracleum elegans und Heracleum sibiricum als eigene Arten nicht gerechtfertigt.

Inhaltsstoffe und Verwendung

Nach Berührung der Pflanze können unangenehme Rötungen und Schwellungen der Haut auftreten („Wiesen-Dermatitis“). Sie werden durch UV-A-Empfindlichkeit verursachende, phototoxisch[12] wirkende Furocumarine ausgelöst. Von dieser Stoffklasse sind in den Wurzeln Pimpinellin, Isopimpinellin, Sphondin und Bergapten enthalten, in den Früchten außerdem Xanthotoxin und Imperatorin. Unreife Früchte besitzen den höchsten Furocumaringehalt.

Junge Blätter sind ein gutes Viehfutter z. B. für Kaninchen. Für hellhäutige Tiere ist bei der Verfütterung großer Mengen jedoch Vorsicht geboten, weil durch den Furocumaringehalt des Krauts bei Sonnenbestrahlung auch hier entzündliche Hautreaktionen auftreten können.

Liköransatz mit unreifen Früchten von Wiesen-Bärenklau und Wilder Möhre.

Verwendung in der Kräuterküche

Die Wiesen-Bärenklau ist jung ungiftig. Junge Blätter und Sprosse werden daher vom Menschen als Wildgemüse genutzt. Bei größeren Exemplaren kann der Stiel geschält und roh gegessen oder zu Kompott verarbeitet werden. Empfindliche Personen sollten beim Schälen der haarigen, stacheligen Stängel Handschuhe tragen, um Hautreizungen zu vermeiden.

Die jungen Blätter und Sprossen der Wiesen-Bärenklau waren im Mittelalter Bestandteil des Borschtsch. Höchstwahrscheinlich liegt der Ursprung des Namens Borschtsch im slawischen Namen für die Bärenklau.

Unreife sowie reife Samen können in kleinen Mengen als Gewürz genutzt werden. Sie sind sehr aromatisch und eignen sich gut für süße Speisen oder Suppe. Auch kann man unreife Samen als Liköransatz in Neutralalkohol einlegen. Sie geben dem Alkohol eine intensive grüne Farbe, die an Absinth erinnert.

Literatur

  • Ruprecht Düll, Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands und angrenzender Länder. Die häufigsten mitteleuropäischen Arten im Porträt. 7., korrigierte und erweiterte Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2011, ISBN 978-3-494-01424-1.
  • Lutz Roth, Max Daunderer, Kurt Kormann: Giftpflanzen – Pflanzengifte. Giftpflanzen von A–Z. Notfallhilfe. Vorkommen. Wirkung. Therapie. Allergische und phototoxische Reaktionen. 4. Auflage. Nikol, Hamburg 2000, ISBN 3-933203-31-7 (Nachdruck von 1994).
  • Gertrud Scherf: Wiesenblumen – der etwas andere Naturführer. BLV-Verlag, München 2004, ISBN 3-405-16909-7.

Weblinks

Commons: Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d e Heracleum sphondylium bei Tropicos.org. In: IPCN Chromosome Reports. Missouri Botanical Garden, St. Louis
  2. Sandbienen: Andrena rosae. Abgerufen am 20. Mai 2019.
  3. Wiesenbärenklau, Heracleum sphondylium - Blütenpflanzen - NatureGate. Abgerufen am 20. Mai 2019.
  4. FloraWeb: Daten und Informationen zu Wildpflanzen und zur Vegetation Deutschlands. Abgerufen am 20. Mai 2019.
  5. Heinz Ellenberg: Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen in ökologischer, dynamischer und historischer Sicht (= UTB für Wissenschaft. Große Reihe. Band 8104). 5., stark veränderte und verbesserte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 1996, ISBN 3-8252-8104-3.
  6. Helmut Genaust: Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen. 2., verbesserte Auflage. Birkhäuser, Basel/Boston/Berlin 1983, ISBN 3-7643-1399-4, S. 346.
  7. Vgl. auch Jürgen Martin: Die ‚Ulmer Wundarznei‘. Einleitung – Text – Glossar zu einem Denkmal deutscher Fachprosa des 15. Jahrhunderts. Königshausen & Neumann, Würzburg 1991 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen. Band 52), ISBN 3-88479-801-4 (zugleich Medizinische Dissertation Würzburg 1990), S. 117 (berwurzenkrut).
  8. a b Richard Kenneth Brummitt: Heracleum L. In: T. G. Tutin, V. H. Heywood, N. A. Burges, D. M. Moore, D. H. Valentine, S. M. Walters, D. A. Webb (Hrsg.): Flora Europaea. Volume 2: Rosaceae to Umbelliferae. Cambridge University Press, Cambridge 1968, ISBN 0-521-06662-X, S. 364–366 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  9. a b c d e f g h i j k l m n o p q r Ralf Hand: Apiaceae – Heracleum sphondylium. In: Euro+Med Plantbase - the information resource for Euro-Mediterranean plant diversity. Berlin 2011.
  10. a b c d Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. Unter Mitarbeit von Angelika Schwabe und Theo Müller. 8., stark überarbeitete und ergänzte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2001, ISBN 3-8001-3131-5, S. 722.
  11. Erhard Dörr, Wolfgang Lippert: Flora des Allgäus und seiner Umgebung. Band 2, IHW, Eching 2004, ISBN 3-930167-61-1, S. 287.
  12. G. Weimark, E. Nilsson: Phototoxicity in Heracleum sphondylium. In: Planta medica. Band 38, Nr. 2, 1980, S. 97–111.

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Heracleum sphondylium (Thomé Bd.3 1905, BHL-81509, Tafel 451) clean, no-description.jpg
Originalbeschriftung: Tafel 451. Heracleum Spondylium L. A Teil der Pflanze. 1 Stempel; 2 halbreife Frucht; 3 Fruchtträger mit den Früchtchen ; 4 Fruchtquerschnitt. 1 bis 4 vergrössert.
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Habitus von blühendem Gewöhnlichen Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium).
Liköransatz - Bärenklau.jpg
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Liköransatz: Unreife Samen der Wiesen-Bärenklau und Blätter der wilden Möhre in 80prozentigem Korn
HeracleumSphondylium3.jpg
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Grundblätter und unterer Teil einer Pflanze vom Gewöhnlichen Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium). Dieses Exemplar ist so kräftig gebaut, dass es von Laien leicht für einen Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum) gehalten werden könnte.