Wie schön leuchtet der Morgenstern
Wie schön leuchtet der Morgenstern (auch Wie schön leucht’ uns der Morgenstern) ist ein Choral von Philipp Nicolai aus dem Jahre 1597. Nicolai verfasste Text und Melodie.
Form
Das Strophenschema ist eine originale Schöpfung Nicolais. Die Strophen gliedern sich in zwei mal zwei Achtsilber, gefolgt von einem Siebensilber, denen aufsteigend zwei Zweisilber, drei Viersilber und ein abschließender Achtsilber folgen. Spätere Interpreten haben mehrfach darauf hingewiesen, dass die Strophen im zentrierten Drucksatz das Bild eines Kelches ergeben,[1] was als Sinnbild der Abendmahlsmotivik der vierten Strophe verstanden werden kann. Der Erstdruck verwendet diese Druckform jedoch nicht, so dass nicht sicher ist, ob dieser Effekt von Nicolai beabsichtigt war.
Die Strophen sind nach einem konsequenten Schema geformt: Auf die Darstellung eines bestimmten Bildes in den jeweils ersten sechs Zeilen jeder Strophe folgt in zunächst sehr kurzen, dann sich steigernden Reimen ein Echo, das von einem hymnischen Satz abgeschlossen wird.
Inhalt
Basierend auf Ps 45 , dem Hohen Lied und anderen biblischen Bildern, ist der Choral als mystisches Brautlied konzipiert. Der Morgenstern als Bild für Jesus begegnet in Offb 22,16 : Ich, Jesus, habe gesandt meinen Engel, solches zu bezeugen an die Gemeinden. Ich bin die Wurzel des Geschlechts David, der helle Morgenstern. Der Choral entfaltet die liebende Zuwendung zum Christus-Bräutigam, der „Krone“ (diese bildet mit Str. 2 + 7 den Rahmen des Folgenden) der Apokalypse in einer körperlichen Frömmigkeit (hast mir mein hertz besessen, Str. 1). Dieser wird als Milch und Honig …himmlisch Manna einverleibt (Str. 2), ergießt sich ins liebeswunde Herz (Str. 3) und stellt den vollständigen Leib dar, dem das lyrische Ich (der Gläubige) als „Rippe“ anzugehören strebt (Str. 3). Der Herr wirft seinen erleuchtenden freundlichen Blick auf den Menschen, der ihn wiederum in Wort und Sakrament (dein Leib und Blut) aufzunehmen strebt (Str. 4). Die Lobesfreude über die bräutliche Vereinigung (Str. 5) mündet in die Musik, die sich in Saitenspiel, Gesang, Tanz und triumphalem Jubel artikuliert (Str. 6), und findet im Ausblick auf die endzeitliche Vollendung (Offb 22,20 , Str. 7) ihren Abschluss.
Text
Philipp Nicolai Wie schön leuchtet der Morgenstern / | Johann Adolf Schlegel, 1813[2] Wie herrlich stralt der Morgenstern! | Albert Knapp, 1832[3] Wie schön leucht’t uns der Morgenstern, | Evangelisches Gesangbuch Wie schön leuchtet der Morgenstern | Mennonitisches Gesangbuch Wie schön leuchtet der Morgenstern |
Auf katholischer Seite war das Lied Bestandteil der Sammlung Kirchenlied (1938) sowie der Einheitslieder der nordwestdeutschen Bistümer (1949).
Für das Gotteslob wurde jedoch eine völlig neue, stärker am Original von Nicolai orientierte Textbearbeitung geschaffen (GLalt 554 – wobei die Bistümer Aachen und Köln, jeweils als GLalt 939, zusätzlich auch ihren bisherigen Text beibehielten –; GL 357). Diese Fassung wurde von der Arbeitsgemeinschaft für ökumenisches Liedgut in ihre Gemeinsamen Kirchenlieder (1973) übernommen.[30]
Das Evangelische Gesangbuch (EG 70) blieb aber weitestgehend bei der näher an Nicolais Urtext stehenden Version des Evangelischen Kirchengesangbuchs. Deswegen werden die Fassungen in den Gesangbüchern als nur teilweise ökumenisch gekennzeichnet (Sigel „(ö)“; nur Str. 4 stimmt völlig überein).
In der Schweiz dient nicht die Fassung der AÖL, sondern die des RKG (1952), die zum Teil auf der von Albert Knapp beruht, als Reformierten und Katholiken gemeinsamer Text (RG 653; KG 194). Im Vorgänger des KG, dem KGB (1966), war das Lied nicht enthalten.
Übernommen wurde der AÖL-Text dagegen in das altkatholische Gesangbuch Eingestimmt (E 463).
Der Choral findet sich ferner im Mennonitischen Gesangbuch (MG 279).
Textbearbeitungen
Wie die Melodie, so hat auch der markant strukturierte Text bis heute überaus zahlreiche Bearbeitungen, Abwandlungen und Parodien erfahren. Als ein Beispiel moralisch-rationalistischer Reduktion dieses erotisch-spirituellen Kunstwerkes ist die Fassung Johann Adolf Schlegels angeführt. Als weitere Beispiele können genannt werden:
- Wie schön leuchten die Aeugelein, Parodie, 17. Jh.[31]
- Wie schön leuchtet der Wunden-stern, Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf, 1735[32]
- Wie leuchtet uns der Morgenstern, Friedrich Gottlieb Klopstock, 1773[33]
- Wie schön leuchtet der Morgenstern, Albert Knapp, 1832,[3] Nr. 544 in der württembergischen Ausgabe des Evangelischen Gesangbuchs.
- Wie schön leucht uns der Morgenstern, Burchardt Wiesenmayer, 1893[34]
Melodie
Die von Nicolai geschaffene Melodie passt sich der ersten Textstrophe an. Ihre Spitzentöne treffen auf die sinntragenden, emphatisch-bildhaften Wortteile. Die Länge der Strophen wird durch Rhythmuswechsel aufgelockert, insbesondere durch die synkopische bzw. dreiertaktige Rhythmisierung der dritten Zeile des Stollens. Wirkungsvoll ist auch der Wechsel vom auftaktigen zum volltaktigen Zeilenbeginn in der Strophenmitte.
Musikalische Bearbeitungen
Nicolais freirhythmische Melodie ist in der Singpraxis und in den Gesangbüchern oft vereinfacht worden. Den Bearbeitungen des Barock und der Romantik liegt in der Regel eine viervierteltaktige Version zu Grunde. Aber schon das Deutsche Evangelische Kirchen-Gesangbuch (1854)[35] und dann das Deutsche Evangelische Gesangbuch (1915)[36] kehrten zur Originalfassung zurück.[37]
Johann Sebastian Bach komponierte zunächst als Jugendlicher in Arnstadt ein Choralvorspiel für Orgel BWV 739. Er verwendete dann in Weimar die vierte Strophe des Liedes als Teil seiner Kantate Erschallet, ihr Lieder, erklinget, ihr Saiten! sowie den Abgesang der letzten Strophe als Schluss der Kantate Nun komm, der Heiden Heiland und schrieb schließlich in seiner Leipziger Zeit die Choralkantate Wie schön leuchtet der Morgenstern, BWV 1.
- Wilhelm Friedemann Bach schrieb eine Kantate Wie schön leuchtet der Morgenstern (F 82).
- Michael Praetorius komponierte ebenfalls eine Choralkantate über Wie schön leuchtet der Morgenstern (in: Gesamtausgabe, XX).[38]
- Dietrich Buxtehude (1637–1707) setzte es in der Choral-Fantasie für Orgel Wie schön leuchtet der Morgenstern BuxWV 223 um.
- Christian Geist (1640–1711) setzte den Text für Sopran, zwei Violinen, Viola da gamba und basso continuo.
- Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847) verfasste einen Choralsatz als Teil seines unvollendeten Oratoriums Christus.
- Niels Gade (1817–1890) und andere schrieben Choralvorspiele für Orgel mit diesem Titel.
- Max Reger schuf die Phantasie über den Choral „Wie schön leucht’ uns der Morgenstern“ op. 40,1.
Das dritte Weihnachtslied Die Könige (2. Fassung von 1870) aus dem Opus 8 von Peter Cornelius (1824–1874), das in drei Strophen das Erscheinen der Heiligen Drei Könige an der Weihnachtskrippe in Bethlehem am Tag Epiphanie beschreibt, verwendet den Choral als Klavierbegleitung zu einer völlig eigenständigen Liedmelodie für Sologesang.
Ernst Pepping (1901–1981) schrieb 1933 eine Partita über den Choral „Wie schön leuchtet der Morgenstern“.[39]
Die erste Strophe wird in der Komposition für Streichorchester, Hale Bopp von Graham Waterhouse, die vom Großen Kometen des Jahres 1997 inspiriert wurde, von einem Knabensopran gesungen.
Naji Hakim komponierte 2008 Wie schön leuchtet der Morgenstern, Variationen für Oboe (Flöte, Violine) und Orgel.[40]
Im Jahr 2000 wurden elf dieser Werke von Torsten Laux auf einer Orgel-CD eingespielt.[41]
Übersetzungen
Ins Dänische übersetzt „Af højheden oprunden er en morgenstjerne klar og skær…“ von Hans Christensen Sthen (?) [d. h. Übersetzer ungewiss; 1544 – 1610; Pfarrer in Helsingør und Malmö {damals dänisch}], ca. 1600 [!]; bearbeitet von Nikolai Frederik Severin Grundtvig 1835 und 1837; übernommen in das dänische Kirchengesangbuch Den Danske Salmebog, Kopenhagen 1953, Nr. 87 (Übersetzer „Sthen“ mit Fragezeichen), und in: Den Danske Salmebog, Kopenhagen 2002, Nr. 106 (übersetzt von Sthen ohne Fragezeichen).[42]
Literatur
- Hermann Kurzke: Wie schön leuchtet der Morgenstern. In: Hansjakob Becker u. a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. Große deutsche Kirchenlieder. 2., durchges. Aufl. C. H. Beck, München 2003, ISBN 978-3-406-48094-2, S. 146–153.
- Joachim Stalmann: 70 – Wie schön leuchtet der Morgenstern. In: Gerhard Hahn, Jürgen Henkys (Hrsg.): Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch. Band 4. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002, ISBN 3-525-50325-3, S. 42–52.
Weblinks
- Michael Fischer (2006)Wie schön leuchtet der Morgenstern ( vom 9. März 2012 im Internet Archive). In: Freiburger Anthologie – Lyrik und Lied. Digitale Dokumentation von lyrischen Kurztexten.
- Wie schön leuchtet der Morgenstern im Liederprojekt von Carus-Verlag und SWR2
Anmerkungen
- ↑ Vgl. Hermann Kurzke, in: Geistliches Wunderhorn, S. 148 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ Sammlung christlicher Lieder für die kirchliche Andacht evangelischer Gemeinen. Zunächst der zu Jauer. 2. Aufl. Breslau und Jauer o. J. [1. Aufl. 1813], S. 126f. (Nr. 153)
- ↑ a b Albert Knapp: Evangelischer Liederschatz für Kirche und Haus. Eine Sammlung geistlicher Lieder. 2. ganz umgearbeitete Auflage. Cotta Stuttgart und Tübingen 1850, S. 781 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
- ↑ AÖL: „uns herrlich aufgegangen“
- ↑ AÖL: „du hältst mein Herz gefangen“
- ↑ AÖL: „prächtig“
- ↑ AÖL: „mächtig“
- ↑ AÖL: „wunderbar“
- ↑ AÖL: „Du“
- ↑ AÖL: „ein König hochgeboren“
- ↑ AÖL: „Mein Kleinod du, mein Preis und Ruhm“
- ↑ AÖL: „ewig“
- ↑ AÖL: „das hab ich mir erkoren“
- ↑ AÖL: „Herr, dich such ich“
- ↑ AÖL: „mein“
- ↑ AÖL: „die Flamme deiner Liebe“
- ↑ AÖL: „und gib, dass ich an deinem Leib,“
- ↑ AÖL: „dem auserwählten Weinstock, bleib“
- ↑ AÖL: „ein Zweig in frischem Triebe“
- ↑ AÖL: „steht“
- ↑ AÖL: „Er hat mich ganz sich angetraut“
- ↑ AÖL: „er ist nun mein“
- ↑ AÖL: „Eja, eja“
- ↑ AÖL: „Stimmt die Saiten der Kitara“
- ↑ AÖL: „Jesus Christ“
- ↑ AÖL: „der meines Herzens Bräutgam ist“
- ↑ AÖL: „nun“
- ↑ AÖL: „schlag“
- ↑ AÖL: „säum“
- ↑ Paul Nordhues (Hrsg.): Redaktionsbericht zum Einheitsgesangbuch "Gotteslob". Verlag Bonifatius-Druckerei, Paderborn 1988, ISBN 3-87088-465-7, S. 735.
- ↑ Tugendhaffter Jungfrauen und Jungengesellen Zeit-Vertreiber, Das ist: Neu-vermehrtes, und von allen Fantastischen groben unflätigen und ungeschickten Liedern gereinigtes, Weltliches Lieder-Büchlein […], Durch Hilarium Lustig von Freuden-Thal. Gedruckt im gegenwärtigen Jahr, ca. 1670
- ↑ Herrnhuter Gesangbuch. Christliches Gesang-Buch der Evangelischen Brüder-Gemeinen von 1735 zum drittenmal aufgelegt und durchaus revidirt. O. O. 1741. Teil II. Anhang I – XII.
- ↑ Geistliche Lieder. Erster Theil. Kopenhagen und Leipzig 1773, S. 255–260.
- ↑ Unverfälschter Liedersegen. Gesangbuch für Kirchen, Schulen und Häuser. 10. Aufl. Berlin 1893, S. 325 f. (Nr. 477)
- ↑ Nr. 102
- ↑ nachdem das Gesangbuch Württemberg 1912 dessen Fassung bereits als „Zweite Form der Weise“ gebracht hatte
- ↑ mit Ausnahme der beiden Melodietöne auf „Wahrheit“, die dem Erstdruck entsprechend Viertel sein müssten – ein Eingriff, der sich bereits im Cantional von Johann Hermann Schein (1627) findet und auch in den modernen Gesangbüchern beibehalten wurde.
- ↑ Walter Blankenburg: Michael Praetorius, in: The New Grove Dictionary of Music and Musicians. Ed. Stanley Sadie. London 1980
- ↑ Partita über den Choral „Wie schön leuchtet der Morgenstern“. Ernst Pepping Gesellschaft, 2004, archiviert vom am 29. September 2011; abgerufen am 28. Juli 2010.
- ↑ Wie schön leuchtet der Morgenstern. Schott Music, abgerufen am 2. Januar 2024.
- ↑ Wie schön leuchtet der Morgenstern, organ 70092 / Wergo; Hörproben
- ↑ Vgl. Otto Holzapfel: Liedverzeichnis: Die ältere deutschsprachige populäre Liedüberlieferung = Online Update Januar bis März 2022 = Germanistik im Netz / GiNDok [UB Frankfurt/M] = http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/ files = Liedverzeichnis = Update 2023 "www.ebes-volksmusik.de" (obere Adressleiste des Browsers).
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Wie schön leuchtet der Morgenstern, 1599
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"Die Könige", aus: Weihnachtslieder Opus 8,3 von Peter Cornelius. Die Klavierbegleitung stellt den Choral Wie schön leuchtet der Morgenstern dar.
Autor/Urheber: Aurel von Bismarck, Lizenz: CC BY-SA 4.0
(Aurel von Bismarck) EG 70 Wie schön leuchtet der Morgenstern