Wie im Leben wie im Traum

Wie im Leben wie im Traum ist ein Stück von Tankred Dorst aus dem Jahr 1989[1], dessen Text 1990 bei Suhrkamp erschien.[A 1] Anno 1995 hatte sich noch keine Bühne der Inszenierung angenommen.[2]

Inhalt

Richard Hecht, ein Mann mit Glatze, gibt sich bei der jungen Katharina Schöfle als Philosophie-Student aus und weist einen Zeitungsartikel vor, in dem Katharina gleichsam als Phänomen dargestellt wird. Katharina brachte im Geschäft ihres Arbeitgebers eine Glühbirne – kraft geistiger Potenz allein – zum Zerplatzen und wurde deshalb entlassen. Nun ist sie auf der Suche nach einer neuen Stelle. Katharina habe diese soeben gefunden, behauptet Hecht, nachdem ihm Katharina geflüstert hat, sie habe den eigenen Vater per Telekinese ins Jenseits befördert. Der Papa hatte sie wiederholt ihrer magischen Kräfte wegen versohlt. Zur Strafe hatte Katharina vom heimischen Wohnzimmer aus den väterlichen Lastwagen mitsamt Vater in eine Schlucht gesteuert. In Hechts neu gegründetem „Institut“[A 2] tritt Katharina als „magische Person“ auf. Das Unternehmen befasst sich in dem Stück mit zwei Kunden. Sowohl Herr Kammholtz als auch die gealterte, glatzköpfige Lena Schrimpf – Bérénice genannt – möchten gerne jeweils mit einem ganz bestimmten geliebten Toten kommunizieren. Beide Kunden zweifeln unverhohlen an den seherischen Fähigkeiten der magischen Person Katharina, die im blauen Kimono geheimnisvoll tut. So kann weder Herr Kammholtz seinen toten Sohn Hannes – einen Selbstmörder – kontaktieren, noch begegnet die ehemalige Tänzerin Bérénice in den Séancen in ihrer Wohnung dem verblichenen „Minotaurus“ Jonathan Hope Randall. Dabei hat die Hellseherin Katharina immerhin „Erfolg“ bei dem Selbstmörder. Der tote Hannes Kammholtz erscheint ihr und steht allerdings kopf. Hannes fordert Katharina sogar zum Sprung aus dem Fenster auf: „Komm mit!“[3] Aber so dumm ist nun das „Medium“ auch nicht. Als Hannes zu Ende des Stücks seinen zweiten Auftritt hat – diesmal will er die lebensfrohe tüchtige junge Frau mit einem großen eisernen Haken ins Jenseits zerren – wehrt sich die Attackierte mit Erfolg.

Hecht guckt seiner Angestellten nachts schon mal unter die Bettdecke und streift ihr das Hemd bis zum Hals. Der Chef hat auch tags Katharina in allen Lebenslagen fest im Griff. Da gibt es gelegentlich ein paar Schläge ins Gesicht. Die Gezüchtigte erträgt die Tortur schweigend.[4] In den spiritistischen Sitzungen funken zudem zwei junge Störenfriede dazwischen – Katharinas aktueller Freund Jossi und Hechts dicker 15-jähriger Sohnemann Leo. Tankred Dorst listet den 22-jährigen Jossi unter „Personen“ als Student, aber Katharina stellt ihn ihrem neuen Chef als Schauspieler vor. Jossi bestreitet das auf der Stelle, doch dann hat er eine Filmrolle in Aussicht. Das kann der Zuschauer glauben, denn Katharinas Liebhaber spielt im Alltag auf der Straße mitunter den „Stürmerjuden[5][A 3]. Wenn Jossi glaubt, ein Antisemit[6] stehe ihm gegenüber, gibt er nicht eher Ruhe, bis ihm das „Juden raus!“[7] entgegenschallt. Leos Interesse für Katharina bleibt auch Bérénice nicht verborgen. Die lüsterne Greisin kommentiert, er laufe Katharina „nach mit steifem Schwanz“[8]. Was Bérénice nicht weiß – Leo nennt Jossi vor Katharina mehrfach schwul. Katharina übergeht das als Bemerkung eines dummen Jungen. Als sich Leo für die oberen Oberschenkelgegenden der Mitarbeiterin seines Vaters interessiert, lüftet die entgegenkommende Katharina für den Pubertierenden den Rock ein wenig. Eines haben Jossi und Leo mit den beiden Kunden gemeinsam – die starke Aversion gegen Spiritismus. In dem Zusammenhang wird ein weiterer Handlungsstrang tangiert. Tankred Dorst hat einen kleinen Kriminalfall eingebaut. Von dessen Lösung bleibt er allerdings ziemlich weit entfernt. Bérénice hat Geld und ein chinesisches Schmuckkästchen mit Gold, Rohdiamanten und vier Solitären darin. Das Räuber-Duo Hecht und Katharina können die Schätze nicht an sich bringen. Sie flüchten aus Bérénices brennender Wohnung. Die Wohnungsinhaberin hatte den Brand versehentlich gelegt. Tankred Dorst vollführt einen Zeitsprung vorwärts von vier Wochen. Hecht hat die Totenbeschwörung an der Nagel gehängt und beackert ein ganz neues Geschäftsfeld. Der Unternehmer und Kathi – wie er seine Mitarbeiterin in liebevollen Momenten kost – machen nun Pornos. Wieder bringt ein Zeitungsausschnitt das Geschehen ins Rollen. Diesmal weist den Fetzen Papier nicht Hecht, sondern dessen Sohn Leo vor. Die „Brillies“ sind fort und die Polizei sucht den Raubmörder Bérénices. Obwohl Hecht dem Anschein nach nicht der Täter ist, hat er als Mann, der schon einmal im Gefängnis saß, mächtigen Respekt vor der Strafverfolgungsbehörde und macht sich aus dem Staube. Zu Lebzeiten hatte Bérénice den Flüchtling eine „Milchpfütze“ geschimpft.

Tankred Dorst bietet kein Happy End. Katharina kann in ihrem großen Auftritt mit Jossi dem Zuschauer doch noch ihre magische Kraft demonstrieren. Als sie den Geliebten anhimmelt, platzt über dem Paar die Glühbirne in der Lampe. Katharina hat trotz ihrer augenscheinlichen „geistige[n] Kraft“[9] schlechte Karten. Jossi braucht „das Alleinsein“ und Kathi steht wieder einmal solo da.

Zitat

  • „A man is a man as long as he can, but a woman is a woman forever.“[10][A 4]

Rezeption

  • Hensel[11] findet für dieses „Satyrspiel mit den Mythen“ die Analogie zu einer Partie aus „Täuschung, Bluff und Geheimnis“, deren Karten aufgeblättert werden. Doch dann breche das Spiel ab. Es dominiere Weltbeschreibung vor -erklärung.

Literatur

Ausgaben

Sekundärliteratur

  • Tankred Dorst: Die Schattenlinie und andere Stücke. Mitarbeit Ursula Ehler. Werkausgabe 6 (Inhalt: Parzival. Fernando Krapp hat mir diesen Brief geschrieben. Herr Paul. Nach Jerusalem. Die Schattenlinie. Die Geschichte der Pfeile). Nachwort: Günther Erken. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1995 (1. Aufl.), ohne ISBN, 375 Seiten.
  • Gero von Wilpert: Lexikon der Weltliteratur. Deutsche Autoren A–Z. Stuttgart 2004, ISBN 3-520-83704-8, S. 126, linke Spalte

Anmerkungen

  1. Siehe in der verwendeten Ausgabe unter Punkt „Literatur“ in diesem Artikel.
  2. Der unternehmerische Hecht war bereits Wohnungsmakler, „Special-effect-Mann“ beim Film und hat Autoreifen verkauft.
  3. Zu dem Ausdruck „Stürmerjude“ siehe zum Beispiel den Eintrag „Philipp Rupprecht“ in der Allgemeinen Deutschen Biographie (ADB) unter „Leben“.
  4. etwa: Ein Mann ist ein Mann, solange er kann, aber eine Frau bleibt eine Frau.

Einzelnachweise

  1. Verwendete Ausgabe, S. 442, 11. Z.v.u.
  2. Erken im Nachwort der Werkausgabe 6, S. 361, 3. Z.v.o.
  3. Verwendete Ausgabe, S. 385, 21. Z.v.o.
  4. Verwendete Ausgabe, S. 413, 7. Z.v.u.
  5. Verwendete Ausgabe, S. 381, 11. Z.v.o.
  6. Verwendete Ausgabe, S. 381, 11. Z.v.o.
  7. Verwendete Ausgabe, S. 381, 20. Z.v.o.
  8. Verwendete Ausgabe, S. 411, 10. Z.v.o.
  9. Verwendete Ausgabe, S. 368, 1. Z.v.u.
  10. Verwendete Ausgabe, S. 412, 19. Z.v.o.
  11. Hensel im Nachwort der verwendeten Ausgabe, S. 442–444
  12. siehe auch Eisenhans (Film)