Wickeltisch
Ein Wickeltisch dient dazu, Säuglinge und Kleinkinder sicher zu Wickeln; ihnen also die Windeln zu wechseln.
Sicherheitsaspekte: Sturz vom Wickeltisch
Bis zum Alter von einigen Monaten stellt das Wickeln kein Problem dar. Sobald sich das Kind aber selbständig umdrehen kann, beginnt das Ablegen auf einem Tisch zum Sicherheitsrisiko zu werden, beispielsweise wenn man kurz abgelenkt ist und dadurch die Aufsicht vernachlässigt.[1] Stürze im Haushalt sind Hauptunfallursachen; der Sturz vom Wickeltisch gehört zu den typischen Unfällen von Kleinkindern.[2][3]
Etwa zwei Drittel aller Kinderunfälle sind Stürze.[4] Zwar stellen Stürze vom Wickeltisch nur weniger als ein Prozent aller (gemeldeten) Unfälle von Kindern insgesamt dar,[5][6][7] bei Kindern unter fünf Jahren, also typischerweise Wickelkindern, sind ein Fünftel aller Stürze solche vom Wickeltisch, und damit die häufigste Sturzart.[8] Bei Kindern unter einem Jahr gehört diese Sturzart sogar zu den häufigsten Unfallursachen insgesamt.[9] Charakteristisch sind bei der im Vergleich zur Körpergröße bedeutenden Sturzhöhe dann Brüche oder schwerere andere Traumata, und insbesondere Schädelverletzungen.[10] Besondere Gefährdung besteht im Badezimmer, wegen der dort üblichen harten Fliesenböden,[11] daher ist zwischen Sicherheits- und Hygieneüberlegungen abzuwägen.
Grund sind oft kurze Unaufmerksamkeiten des Wickelnden. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Mehr Sicherheit für Kinder empfiehlt, selbst wenn ein Wickeltisch vorhanden ist, das Kind auf den Boden zu legen, sobald man den Raum verlässt.[12] Befragungen an betroffenen Eltern haben aber gezeigt, dass 2⁄3 sich nicht abgelenkt fühlten, sondern von „Unruhe des Kindes“ überrascht waren oder in „Hektik während des Wickelns“ den Grund sahen – eigentlicher Grund sind also oft plötzliche Drehbewegungen des Kindes oder mangelnde Griffsicherheit durch nasse oder eingecremte Haut.[13]
Aufbau und Funktion von Wickeltischen
Wickeltische sind keine Bauform der Tische im eigentlichen Sinn. Die Auswahl reicht von transportablen Aufsätzen für Normaltische und andere Möbel (Wickelauflage) über eigene Beistelltische (Wickeltisch im engeren Sinne, etwa als verstaubare Klapptische) bis hin zur Wickelkommode als Möbelstück mit Stauraum oder als fest installierte Arbeitsplatte in öffentlichen Einrichtungen (Wickelplatz).
Wesentliches Element des Wickeltischs ist eine Umrandung, die das Herunterfallen des Wickelkindes verhindern soll.[14] Die seitlichen und rückwärtige Aufkantungen sollten mindestens 20 cm betragen[15] und für ältere Kinder so hoch sein, dass man sie auch im Stehen Wickeln kann. Auf weiche oder gerundete Kanten sollte geachtet werden.[15] Ablagen für Utensilien sind hilfreich, um vor dem Tisch stehen bleiben zu können[15][1] – sie sollten sich aber außerhalb der Griffweite des Kindes befinden.[15] Die Größe der Wickelfläche sollte mindestens 55 cm Breite und 75 cm Länge, besser aber 70 × 80 cm betragen.[12][15] Abwaschbarkeit des Materials, auch bei gepolsterten Wickeltischen, dient der Hygiene. Lampen oder Heizstrahler sollten sicher und mit dem nötigen Abstand zur Arbeitsfläche montiert[1] und mit Splitterschutz ausgestattet sein. Fest installierte Wickeltische haben teilweise auch integrierte Waschbecken.[15] Als komfortabel gilt eine Arbeitsfläche, die sich in einer Höhe oberhalb der Hüfte[14] bis zum Ellbogen (70–80 cm) befindet.[1] Für ältere Kinder ist eine Aufstiegshilfe interessant,[15] da sie ein Gefühl der selbständigen Mitbeteiligung am Wickeln fördern kann.
Alternativen
Grundsätzlich ist das Wickeln auf dem Boden die sicherste Methode. Wenn man vorzugsweise auf dem Bett oder Sofa wickelt und keine Absturzgefahr besteht, sind deckenartige Wickelunterlagen (meist aus gut zu reinigenden Kunststoffen) eine Alternative. Diese haben oft Seitentaschen für die Utensilien und sind auch für unterwegs geeignet.
Öffentliche Wickeltische
Öffentlich zugängliche Wickeltische befinden sich in einem Wickelraum, beispielsweise in Eisenbahnwaggons,[16] Autobahnraststätten oder öffentlichen Toiletten.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ a b c d Malteser: Das Kindersicherheitsbuch: Zuhause und unterwegs: Gefahren erkennen und gezielt vorbeugen. Georg Thieme Verlag, 2010, ISBN 978-3-8304-3874-8, Kapitel Der Wickeltisch, S. 50 f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ Kindersicherheits-Paket für mehr Sicherheit im Haushalt. (Memento des Originals vom 29. Mai 2014 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (MS Word) Pressekonferenz des Vereins Grosse schützen Kleine zu einer Studie, 10. April 2007 (host.inode.at; abgerufen 29. Mai 2014); auch Pro Tag ein Sturz vom Wickeltisch. In: Salzburger Nachrichten. 13. November 2004 (Artikelarchiv). – zu Österreich (relativ kleine Anzahl untersuchter Unfälle, daher nur bedingt aussagekräftige Zahlen).
Zahlen für Deutschland siehe etwa Gabriele Ellsäßer, Dr. Kahl: Sturzunfälle bei kleinen Kindern (< 5 Jahre). (PDF) kindersicherheit.de - ↑ vgl. etwa Sturz vom Wickeltisch, Fallbeispiel Nr. 5. in: Frank Flake, Frank Scheinichen: Kindernotfälle im Rettungsdienst. Reihe SpringerLink Bücher. Verlag Springer DE, 2013, ISBN 978-3-642-29410-5, S. 248 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ 40 % Stürze in der Ebene, 20% Stürze aus der Höhe. Angabe Studie des Vereins Grosse schützen Kleine.
- ↑ zum Beispiel in Österreich etwa 700–800 von 170.000; Täglich zwei Wickeltischunfälle. Interview Kinderchirurg Michael Höllwarth, Marietta Türk in der Standard online, 16. März 2010.
- ↑ die weitaus häufigste Sturzart ist Treppensturz, die weitaus gefährlichste Sturz vom Balkon oder aus dem Fenster. Angabe Studie des Vereins Grosse schützen Kleine, in Pressekonferenz: Der Sturz – Unfallursache Nr. 1 bei Kindern S. 2.
- ↑ zur Problematik der Dunkelziffer als fälschlich als Sturz angegebener Kindesmishandlungen vgl. aber etwa Verletzungen bei Kindern – Mehr als nur ein Sturz vom Wickeltisch. Ingrid Karb in FAZ Rhein-Main online, 20. Oktober 2011.
- ↑ Wickeltischstürze 18 %, Stürze vom Tisch 15 %, Hochstuhlstürze 7 %, Stiegenstürze 6 %, Stock- oder Hochbettstürze 5 %, Fahrradstürze 3 %. Angabe Studie des Vereins Grosse schützen Kleine, in Pressekonferenz: Treppensturz führt in Statistik S. 2.
Zusammengenommen sind Stürze von Sitz- oder Liegemöbeln aber häufiger, hier dürfte auch minsgesamt die Aufmerksamkeit des Beaufsichtigenden geringer sein. - ↑ Angabe Studie des Vereins Grosse schützen Kleine, in Pressekonferenz: Täglich stürzen 2 Kinder vom Wickeltisch S. 3.
- ↑ am Kopf betroffen: 97 Prozent Babys mit Wickeltischunfall; bei fast einem Drittel Schädelbrüche oder Gehirnerschütterungen diagnostiziert. Angabe Studie des Vereins Grosse schützen Kleine, in Salzburger Nachrichten.
- ↑ 60 % aller schweren Wickeltischunfälle im Badezimmer. Angabe Studie des Vereins Grosse schützen Kleine, in Salzburger Nachrichten.
- ↑ a b Gabriele Ellsäßer, Dr. Kahl: Wickeltisch – Sicher geht das! (PDF) Broschüre, Bundesarbeitsgemeinschaft Mehr Sicherheit für Kinder; 7. Juni 2010 (kindersicherheit.de).
- ↑ Studie des Vereins Grosse schützen Kleine, Zitate in Salzburger Nachrichten.
- ↑ a b Joe Borgenicht, Louis Borgenicht: Baby – Betriebsanleitung: Inbetriebnahme, Wartung und Instandhaltung. Übersetzt von Birgit Franz. Mosaik Verlag, 2014, ISBN 978-3-641-11105-2 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ a b c d e f g Kinder unter drei Jahren sicher betreuen. (Memento des Originals vom 28. Februar 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF) Broschure, herausgegeben von der Unfallkasse Baden-Württemberg, 10.1 Wickeltisch, S. 39 .(uk-bw.de, abgerufen am 26. Mai 2014; dort S. 20).
- ↑ z. B. Jahrbuch des Eisenbahnwesens, Band 43, Hestra-Verlag, 1992 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
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Puppen-Wickeltisch, um 1900