Whitewashing (Unterhaltungsindustrie)

Als Whitewashing wird im Wesentlichen eine vor allem in der US-amerikanischen Unterhaltungsindustrie vorkommende Besetzungspraxis bezeichnet, bei der nicht-weiße Rollen mit weißen Schauspielern besetzt werden. Sie dauert bis heute an und kommt auch in den Unterhaltungsindustrien anderer Staaten vor.

Begriffsgeschichte

Der Begriff wurde in den Theorien des Neokolonialismus als Kritik am Rassismus der US-amerikanischen Filmindustrie geprägt. Erfasst wird damit neben dem simplen Austauschen durch Weiße in der Besetzung auch die Praxis, Stoffe so umzuschreiben – also weißzuwaschen – dass Rollen, die zu einer anderen Ethnie gehören, mit weißen Schauspielern besetzt werden können.[1]

Geschichte

Blackfacing auf einem Plakat aus dem Jahr 1900.

Nicht erst seit der Frühzeit des Films spielen weiße Schauspieler Menschen verschiedener Hautfarben und werden dafür entsprechend umgeschminkt. Diese Darstellungen waren bis weit in die 1960er Jahre oft übertrieben und daher eher Karikaturen, die bestehende rassistische Stereotype wiedergaben. Dieses Vorgehen, das auch heute noch vorkommt, wird Black- bzw. Yellowfacing genannt. Einige Filme dieser Machart wurden von zeitgenössischen Kritikern und Publikum gut angenommen, denn man sei dankbar gewesen, dass „Figuren mit anderen Hautfarben als weiß überhaupt in großen Hollywoodfilmen gezeigt wurden“.[2]

Zwei von unzähligen Beispielen sind Warner Oland als chinesischer Detektiv Charlie Chan in der gleichnamigen Filmreihe ab 1931 oder 1961 Mickey Rooney als japanischer Vermieter in Frühstück bei Tiffany.[2] Auch die Darstellungen von Amerikanischen Ureinwohnern durch Weiße sowohl im US-amerikanischen Western als auch in den bundesdeutschen Winnetou-Filmen und den DEFA-Indianerfilmen aus der DDR gehören dazu.[3]

Mariane Pearl
Mariane Pearl
Angelina Jolie
(c) Mikhail Popov, CC BY-SA 3.0
Angelina Jolie

Mitte des 20. Jahrhunderts war Black Cinema im Zuge der Bürgerrechtsbewegung in den USA zum Genre geworden; Blackfacing war weniger häufig und wurde zunehmend kritisiert, verschwand aber nicht vollständig: Noch 2008 wurde die Rolle der schwarzen Journalistin Mariane Pearl in Ein mutiger Weg mit der weißen Schauspielerin Angelina Jolie besetzt, die eine schwarz-krause Perücke trug und dunkel geschminkt wurde.[2]

Eine subtilere Form des Rassismus,[2] das Whitewashing, wurde nach und nach präsenter. Statt Weiße umzuschminken, werden schwarze Rollen für weiße Schauspieler umgeschrieben, entsprechend besetzt und die kulturellen und gesellschaftlichen Hintergründe der Figuren unsichtbar gemacht.[2][1] Beispiele sind Aloha – Die Chance auf Glück aus dem Jahr 2015, in dem Emma Stone die asiatisch-hawaiianische Hauptfigur spielte[4] und die Filmadaption des japanischen Mangas Ghost in the Shell, in dem Scarlett Johansson die Rolle der japanischen Figur Motoko Kusanagi übernahm.[5]

Eine Studie der USC Annenberg School for Communication and Journalism wies für die hundert finanziell erfolgreichsten Filme des Jahres 2013 eine Quote von einem Viertel Sprechrollen für nicht-weiße Schauspieler bei einem Bevölkerungsanteil Nichtweißer in den USA von einem Drittel aus. Die Casting-Direktorin Linda Lowy sieht eine Ursache für die mangelnde Repräsentation nicht-weißer Darsteller in der ethnischen Zusammensetzung der Führungsebenen der Filmindustrie. So waren in Hollywood im Jahr 2015 beispielsweise nur 6,5 Prozent der Regisseure schwarz.[6] Obgleich Whitewashing nicht so schädlich sei wie manche stereotype Darstellung aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, sei es dennoch ein Akt der Unterdrückung und verhindere eine angemessene Repräsentierung von Minderheiten in den Massenmedien.[7]

Wirtschaftliche Aspekte

Finanzierung

Häufig wird Blackfacing bzw. Whitewashing mit wirtschaftlichen Zwängen begründet. So rechtfertigte Regisseur Ridley Scott den Umstand, dass er die wichtigsten Rollen in Exodus: Götter und Könige ausschließlich mit Schauspielern aus den USA, Europa und Australien besetzt habe, damit, dass er keinen Film mit diesem Budget finanzieren könne, wenn er sage, der Hauptdarsteller heiße „Mohammad So-und-so“.[8]

Dem liegt die Annahme von Verantwortlichen der Unterhaltungsindustrie zugrunde, sie könnten für Produktionen mit nicht-weißen Hauptrollen keine Finanzierung organisieren.[9] Im Jahr 2015 glaubten die in der Mehrzahl weißen Produzenten laut BBC, dass ein bekannter weißer Schauspieler mehr Publikum anziehe und die Gewinne erhöhe.[10]

Diese Annahme wurde 2016 von der Filmkritikerin Ann Hornaday als chauvinistisches, „Magisches Denken“ bezeichnet. Statt das Publikum anzuziehen, sei es viel wahrscheinlicher, es mit der Besetzung ethnischer Rollen durch weiße Schauspieler abzustoßen. Denn neben der gestiegenen Aufmerksamkeit für solche Fragen in der Öffentlichkeit hätten sich die Erwartungen eines kulturell gebildeteren Publikums geändert und verlangten nach „Bildern, die die dynamische, multikulturelle Welt widerspiegel[te]n, in der sie leben.“[11] Zudem ist eine solche Argumentation ein Zirkelschluss: Wenn Mitglieder von Minderheiten nicht prominent besetzt würden, könnten sie auch keine finanziellen Erfolge einspielen.[12]

Der Psychologe Jeffery Mio, Mitautor von Multicultural Psychology: Understanding Our Diverse Communities, geht davon aus, dass die Verantwortlichen in der US-Filmindustrie vorwiegend Menschen anstellen, die einen ähnlichen gesellschaftlichen Hintergrund haben wie sie selbst. Das waren im Jahr 2013 in den USA zu 94 Prozent Weiße.[10]

Die Autoren des Hollywood Diversity Report 2015 der University of California, Los Angeles kommen zu dem Schluss, dass „diversifizierte Stimmen und Perspektiven“ die Erfolgschancen von Autoren und Produzenten erhöhen.[13] In der Ausgabe von 2017 weisen sie darauf hin, dass in den USA die ethnischen Minderheiten zusammen mehr Kaufkraft für Medienkonsum aufwenden als die weiße Mehrheitsgesellschaft.[14]

Vermarktung

In einer Studie aus dem Jahr 2011 untersuchte der Medienwissenschaftler Andrew Weaver in den USA, wie die ethnische Besetzung von Filmen das Interesse eines weißen Publikums beeinflusst. Es zeigte sich, dass ausschließlich bei Liebeskomödien das Interesse geringer war, wenn sie überwiegend mit schwarzen Schauspielern besetzt waren. Dies galt unabhängig von den Einstellungen, die die Studienteilnehmer zu Ethnien hatten.

Weaver geht davon aus, dass die Teilnehmer nicht explizit an die Hautfarbe dachten, als sie ihre Entscheidungen trafen. Vielmehr fühlten sie sich nicht als Zielgruppe angesprochen. Das liegt laut Weaver auch daran, dass Filme, die mit ethnischen Minderheiten besetzt sind, ganz dezidiert auch nur für Minderheiten vermarktet würden.[15]

Personal

Im Hollywood Diversity Report 2018 werden die Anteile von Minderheiten in der Hollywood-Filmindustrie des Jahres 2016 aufgeführt. Bei einem Bevölkerungsanteil der Minderheiten von 40 Prozent betrug ihr Anteil

  • 13,9 Prozent bei Hauptrollen
  • 12,6 Prozent bei Regisseuren
  • 8,1 Prozent bei (Drehbuch-)Autoren.[16]

Es wird immer wieder angeführt, dass es nicht genügend bekannte nicht-weiße Schauspieler gebe.[12][17] Diese Behauptung wurde spätestens mit dem Hollywood-Diversity Report 2015 widerlegt, aus dem hervorgeht, dass Filme mit ethnisch diversen (Haupt-)Rollen sowohl an den Kinokassen, als auch beim Profit besser abschneiden.[17][13]

Literatur

  • Andrew J. Weaver: The Role of Actors’ Race in White Audiences’ Selective Exposure to Movies. In: Journal of Communication. Band 61, Nr. 2, April 2011, doi:10.1111/j.1460-2466.2011.01544.x (englisch).
  • John Tehranian: Whitewashed. America's invisible Middle Eastern minority. New York: New York University Press 2009, ISBN 9780814783061
  • John Gabriel: Whitewash. Racialized politics and the media. Routledge, London/New York 1998, ISBN 9780415149709.

Verweise

Einzelnachweise

  1. a b Katja Bruns: whitewashing (2). In: Lexikon der Filmbegriffe. Universität Kiel, 12. Juni 2016, abgerufen am 3. November 2019.
  2. a b c d e Amanda Scherker: Whitewashing Was One of Hollywood’s Worst Habits. So Why Is It Still Happening? The Huffington Post, 10. Juli 2014, abgerufen am 3. November 2019 (englisch).
  3. Winnetou: Rückkehr des Hollywood-Indianers? Deutsche Welle, 26. Dezember 2016, abgerufen am 3. November 2019.
  4. Michael Nguyen: ‘Aloha’ film attacked for ‘white-washing’ of Hawaii. MSNBC, 2. Juni 2015, abgerufen am 27. August 2015.
  5. Pavan Shamdasani: Whitewashing the Great Wall: A short history of cinematic whitewashing. Asia Times, 28. Januar 2017, abgerufen am 10. Juli 2021.
  6. Arienne Thompson: When it comes to diversity, Hollywood's lost in the 'Woods'. USA Today, 9. Januar 2015, abgerufen am 10. November 2019 (englisch).
  7. Frankie Victoria: Last Week Tonight Asks How is Hollywood Whitewashing Still a Thing? Kollaboration.org, 24. Februar 2016, archiviert vom Original am 2. März 2016; abgerufen am 3. November 2019 (englisch).
  8. I can’t mount a film of this budget, where I have to rely on tax rebates in Spain, and say that my lead actor is Mohammad so-and-so from such-and-such,” Scott says. “I’m just not going to get it financed. So the question doesn’t even come up.Scott Foundas: ‘Exodus: Gods and Kings’ Director Ridley Scott on Creating His Vision of Moses. Variety, 25. November 2014, abgerufen am 3. November 2019 (englisch).
  9. Katherine Aumer, Devin Blas, Kelsea Huston, Christine Mabuti, Ning Hsu: Assessing Racial Preferences in Movies: The Impact of Mere-Exposure and Social Identity Theory. In: Scientific Research (Hrsg.): Psychology. Band 8, Nr. 9, Juli 2017, ISSN 2152-7199, doi:10.4236/psych.2017.89085 (englisch, scirp.org [abgerufen am 3. November 2019]).
  10. a b Tom Brook: When white actors play other races. BBC, 6. Oktober 2015, abgerufen am 14. Oktober 2015.
  11. Ann Hornaday: ‘Whiskey Tango Foxtrot’ and Hollywood’s enduring problem with whitewashing. The Washington Post, 2016, abgerufen am 9. November 2019 (englisch).
  12. a b Keith Chow: Why Won’t Hollywood Cast Asian Actors? The New York Times, 22. April 2016, abgerufen am 5. November 2019.
  13. a b Darnell Hunt, Ana-Christina Ramón: 2015 Hollywood Diversity Report. (PDF (S. 54)) Ralph J. Bunche Center for African American Studies der UCLA, 2015, abgerufen am 3. November 2019 (englisch).
  14. Darnell Hunt, Ana-Christina Ramón, Michael Tran, Amberia Sargent, Vanessa Día: 2017 Hollywood Diversity Report. (PDF (S. 74)) Ralph J. Bunche Center for African American Studies der UCLA, 2017, abgerufen am 3. November 2019 (englisch).
  15. IU study looks at why Hollywood blockbusters often lack minority characters. In: IU News Room. Indiana University, 21. Mai 2011, abgerufen am 27. August 2015.
  16. Hollywood Diversity Report 2018, UCLA 2018 (PDF, englisch), abgerufen am 4. November 2019.
  17. a b Brent Lang: Hollywood’s White Summer: Where’s the Diversity? TheWrap, 26. Mai 2010, abgerufen am 9. November 2019 (englisch).

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  • Caption: Billy Van, the monologue comedian.
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  • CREATOR: Strobridge & Co. Lith.
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