Bewitterung
Bewitterung bezeichnet die längerfristigen Auswirkungen der Witterung auf ein Objekt. Bestimmende Faktoren sind unter anderem die in der Erdatmosphäre enthaltenen Stoffe und Strahlungen, insbesondere Sonnenstrahlung, Wind, Regen und Schnee (einschließlich Schlagregen und Triebschnee) und gegebenenfalls in der Luft enthaltene Schadstoffe, Salze und mineralische Partikel. Dazu kommen sekundär vom örtlichen Klima beeinflusste abiotische und biotische Umweltfaktoren, insbesondere physikalisch-chemische Effekte, wie
- Schwindung nach Wärmedehnung oder durch Trocknung
- besonderes Temperaturverhalten von inhomogenen Materialien, insbesondere bei Phasenübergängen wie dem von gefrierendem Porenwasser
- Quellung durch Feuchtigkeitsaufnahme bei porösen bzw. sorptionsfähigen Materialien aufgrund der Anpassung an die schwankende Luftfeuchte sowie von Kondensation an der Bauteiloberfläche.
Bewitterte Oberflächen unterliegen Zersetzungs- und Alterungsprozessen, die in den Geowissenschaften und im Baubereich als Verwitterung bezeichnet werden.
Definition
Im Bauwesen werden alle Oberflächen, die in Berührung mit der Außenluft kommen, als bewittert angesehen. Unterschieden wird zwischen direkt benetzten Flächen, die häufig dem Regen ausgesetzt sind, und indirekt benetzte Flächen, die nur durch Kondensation und vom Wind getriebenen Regen benässt werden.[1]
Einflussgrößen
Den Bewitterungsprozess bestimmen folgende Wirkungsfaktoren:
Wirkungsfaktor | Klimagrößen |
---|---|
Globalstrahlung | Bestrahlungsstärke |
Wärme | Umgebungstemperatur |
Wasser | relative Luftfeuchtigkeit, Benässung |
Luftsauerstoff | Sauerstoffkonzentration (konstant) |
Daneben können auch künstliche Umwelteinflüsse wie saurer Regen und Abgase einen Einfluss ausüben.
Bewitterungsversuche
Bewitterungsversuche sind eine Form der Umweltsimulation und dienen dem Prüfen der Witterungsbeständigkeit von Werkstoffen, Materialien und Produkten durch zielgerichtete Wetterexponierung.
Das Maß der Erhaltung der untersuchten Eigenschaften wird als Wetterechtheit, Wetterbeständigkeit oder Bewitterungsstabilität bezeichnet. Nach Norm[2] wird Wetterbeständigkeit als Beständigkeit gegen alle Veränderungen, die durch das Zusammenwirken aller im Wetter enthaltenen Faktoren physikalischer und chemischer Natur verursacht werden, definiert. Die Wetterechtheit unterscheidet sich dabei von der Lichtechtheit, die eine reine Belichtungsprüfung ist. Diese stellt die Einflüsse durch Strahlung dar, während sich die Wetterechtheit zusätzlich auf Einflüsse durch Feuchtigkeit, Temperatur und Temperaturwechsel, sowie Industrieabgase und weitere atmosphärische Bestandteile wie Salze bezieht.
Die Prüfungen werden entweder praxisbezogen im Freien oder im Labor durchgeführt. Nach Art der Auslagerung wird zwischen natürlicher Bewitterung (Freibewitterung) und künstlicher Bewitterung unterschieden. Bei der natürlichen Bewitterung wird zwischen Echtzeitbewitterung und beschleunigter Bewitterung (Schnellbewitterung) unterschieden. Die künstlichen Bewitterungsmethoden sind üblicherweise beschleunigte Bewitterungsmethoden.
Anwendung
Bewitterungsprüfungen gehören zu den wichtigsten Materialprüfungen bei Lacken, Kunststoffen und Textilien. Daneben wird die Bewitterungsprüfung im Bereich hochechter Druckfarben angewendet. Es existieren zahlreiche Normen und Gütesiegel, die sich auf Bewitterungsdaten beziehen. Welche Eigenschaft geprüft wird, ist von der Anwendung der zu prüfenden Probe abhängig. Häufige geprüfte Eigenschaften sind etwa Glanzhaltung, Farbstabilität und Stabilität gegen Kreidung bei Lacken oder die mechanische Festigkeit bei Kunststoffen.
Natürliche Bewitterung
Natürliche Bewitterungsmethoden stellen die realistischste Prüfung der Materialeigenschaften dar. Bewitterungsstationen bieten die Möglichkeit, die Prüflinge praxisnah komplexen Umweltbedingungen auszusetzen. Sie befinden sich entweder an Orten mit extremen klimatischen Bedingungen (z. B. arides Klima) oder mit möglichst konstantem Klima (z. B. Seeklima). Erstere ermöglichen eine Zeitraffung der Freibewitterung durch stärkere Beanspruchung, letztere eine relativ genaue Wiederholbarkeit und Reproduzierbarkeit von Prüfserien. Typische Auslagerungsorte mit stärkerer Beanspruchung befinden sich beispielsweise in Florida und Arizona. An beiden Auslagerungsorten ist die Belastung durch Sonnenlicht sehr hoch. Während in Florida eine hohe Luftfeuchtigkeit, sowie durch die Auslagerung in Meeresnähe eine starke Salzbelastung hinzukommt, herrscht in Arizona Wüstenklima vor.
In den Stationen werden alle Prüflinge den gleichen klimatischen Wirkungsfaktoren ausgesetzt. Das Ergebnis der Freibewitterung hängt im Wesentlichen vom Auslagerungsort und den dort vorherrschenden Bedingungen ab. Es besteht jedoch eine starke Abhängigkeit vom Auslagerungszeitpunkt. Zum einen unterscheiden sich Bewitterungsergebnisse verschiedener Jahre, da die Belastung durch Sonnenlicht, Feuchtigkeit und andere Rahmenbedingungen nicht in jedem Jahr gleich sind, zum anderen spielt die Art der Belastung in den ersten Auslagerungsmonaten eine große Rolle. Ziel ist ein direkter Vergleich sowie die Dokumentation der Haltbarkeit beziehungsweise der Veränderung der Eigenschaften.
Künstliche Bewitterung
Künstliche Bewitterungstests sind reproduzierbarer, da jahreszeitliche Schwankungen sowie Schwankungen zwischen den Jahren nicht zu erwarten sind. Stochastische Schwankungen und lange Prüfdauer bei der Freibewitterung werden durch die kürzere, wiederholbare und reproduzierbare künstliche Bewitterung vermieden. Zwischen den gelieferten Ergebnissen können sich Unterschiede ergeben, die beispielsweise durch verschiedenartige Gerätebauweisen und -geometrien und unterschiedlichen Prüfparametern hervorgerufen werden. Typische Prüfgeräte für die künstliche Bewitterung nutzen Xenon-Bogenlampen als Lichtquelle. Handelsnamen der Prüfgeräte sind beispielsweise Weather-Ometer, Xenotest und Suntest (Atlas Material Testing Technology LLC) oder QUV, Q-Sun (Q-Lab Corporation).
Schadensbilder
Durch Bewitterung können abhängig von den Wirkungsfaktoren und dem Aufbau des bewitterten Systems eine Reihe von Schadensbildern auftreten.
Voneinander zu unterscheiden sind die zunächst ähnlich aussehenden Schadensbilder Kreidung und Ausbleichen. Bei der Kreidung wird die Bindemittelmatrix abgebaut, so dass die im Bindemittel eingebundenen Pigmente und Füllstoffe an der Lackoberfläche freiliegen und abgerieben werden können. Optisch zeigt sich Kreidung durch eine Aufhellung infolge erhöhter Streuung an den Pigment- und Füllstoffpartikeln. Ausbleichen zeigt sich ebenfalls in Form einer Aufhellung. Diese wird beim Ausbleichen durch den Abbau der Farbmittel im System erzeugt, wobei das Bindemittel nicht zwingend zerstört wird und sich somit kein Unterschied beim Abreiben zeigt. Da häufig Pigmente und Bindemittel aufeinander abgestimmt werden, überlagern sich diese Schadensbilder in der Praxis.[3]
Die Spaltung der Polymerketten des Bindemittels, gefolgt von einer Vernetzung der Bruchstücke erzeugt härtere und sprödere Kunststoffoberflächen und Lackfilme. Die so erzeugte Versprödung führt bei weiterer Auslagerung zur Bildung von Rissen.[3]
Bei Lacken kann eine Ablösung vom Untergrund auftreten, die als Delamination (Enthaftung) oder Abblättern bezeichnet wird. Bei unzureichender Abstimmung zwischen den Komponenten einer Mehrschichtlackierung kann ein Bindemittelabbau in den unteren Lackschichten auftreten, der als Unterkreidung bezeichnet wird. Die verbleibenden Pigmente und Füllstoffe können die obere Schicht, üblicherweise ein Klarlack, nicht tragen. Enthaftung kann auch auftreten, wenn ionische Reaktionsprodukte an der Grenzfläche zwischen den Lackschichten gebildet werden. Verstärkt werden diese Effekte, wenn die Haftfestigkeit schwierig sicherzustellen ist, etwa bei der Lackierung von Kunststoffoberflächen.[3]
Literatur
- Ulrich Schulz: Kurzzeitbewitterung: Natürliche und künstliche Bewitterung in der Lackchemie. Vincentz Network, Hannover 2007, ISBN 978-3-86630-899-2.
- A. Goldschmidt, H. Streitberger: BASF Handbuch Lackiertechnik. Vincentz Network, Hannover 2002, ISBN 3-87870-324-4.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Em. Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischer: Wetterfester Baustahl - Merkblatt 434, Kapitel 2.2.1, Seite 7; Herausgeber Wirtschaftsvereinigung Stahl, Düsseldorf. Abgerufen im Mai 2021
- ↑ DIN EN ISO 2810:2021-01, Beschichtungsstoffe - Freibewitterung von Beschichtungen - Bewitterung und Bewertung (ISO_2810:2020); Deutsche Fassung EN ISO 2810:2020. Beuth Verlag GmbH, doi:10.31030/3174349 (beuth.de [abgerufen am 22. Oktober 2021]).
- ↑ a b c Bodo Müller: Wer den Schaden hat... In: Farbe und Lack. Vincentz Network, Dezember 2010, ISSN 0014-7699, S. 30–33.
Auf dieser Seite verwendete Medien
Bewitterungsgerät "weather-ometer Ci65a", Innenansicht mit zentraler Lichtquelle (ausgeschaltet), Lichtleitstab, Oberflächenberegnung und Probenhalter
Autor/Urheber: Hardcoreraveman, Lizenz: CC0
Das Schadensbild "Ausbleichen" an einer bewitterten Pulverlackierung. Am oberen und unteren Rand des Prüfblechs ist zu sehen, wie die Farbe des Lacks vor der Bewitterung aussah.
Kreidung, beobachtet am linken vorderen Kotflügel eines VW Polo III. Die angrenzende Tür weist keine Kreidung auf und dient als Vergleich.
Autor/Urheber: Killer queen1, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Bewitterungsstation in Wustrow (Fischland)
Abblättern eines Automobillackes vom Untergrund aus Kunststoff (Außenspiegel eines Autos)