Werkplanung und Steinbearbeitung im Mittelalter

Ein Sandstein, der als Muster für eine mittelalterliche Steinoberfläche bearbeitet wurde. Es handelt sich um eine sogenannte gebeilte Oberfläche, die mit einer sogenannten Glattfläche beidhändisch geführt hergestellt wurde. Sie zeigt unverkennbare deutliche Oberflächenspuren.
Die Steinoberfläche eines Weichgesteins, der mit einer sogenannten Zahnfläche bearbeitet wurde.
Eine scharrierte Steinoberfläche, die typisch für die Gotische Zeit ist.

Werkplanung und Steinbearbeitung im Mittelalter ist ein Sachbuch von Peter Völkle, das im September 2016 im Ebner Verlag Ulm erschien. Die zweite, unveränderte Auflage kam im März 2017 heraus. Das Buch befasst sich mit den handwerklichen Techniken, die für Bauten aus Naturstein in der Zeit von 1000 bis 1500 in Mitteleuropa angewendet wurden. Es werden die handwerkstechnischen Grundlagen der Steinbautechnik im Zeitraum der Romanik und Gotik umfassend dargestellt. Darüber hinaus erweitert dieses neue Sachbuch das bisherige Standardwerk über die historische Steinflächenbearbeitung von Karl Friederich aus dem Jahr 1932 nicht nur umfassend,[1] sondern löst es ab.[2] Ferner gelingt es dem Sachbuchautor, dem derzeitigen Betriebsleiter der Bauhütte des Berner Münsters, der Nachweis, dass es im Mittelalter eine systematische Werkplanung gegeben habe.[3]

Inhalt

Im Wesentlichen gliedert sich das Fachbuch in zwei Abschnitte. Im ersten Abschnitt wird der Zusammenhang von Konstruktionszeichnungen, Planrissen, Werkzeugspuren auf Steinoberflächen, Steinbearbeitungswerkzeuge, Hilfswerkzeuge wie Richtscheit, Winkel, Zirkel und Reißfeder und Farbfassungen im mittelalterlichen Baubetrieb hergestellt. Diese Baudetails bilden bedeutsame historische Quellen. Ferner sind Ritzlinien, Löcher von Transportzangen und sichtbare Gerüstlöcher als historische Spuren zu berücksichtigen. Völkle geht nicht nur auf die historischen Steinoberflächen der Gotik und Romanik ein, sondern auch auf die Steinbearbeitungsmethoden in ihrer Veränderung im Zeitablauf mit den dazugehörigen Werkzeugen. Ferner widmet er der Steinbearbeitung der antiken römischen Steinmetze ein eigenes Kapitel.

Völkle zeigt in einem ausführlich bebilderten zweiten Abschnitt am Beispiel der Herstellung eines steinernen Baldachins die Anwendung der entsprechenden handwerklichen Arbeitstechniken, Hilfsmittel und steinbearbeitender Werkzeuge.

Die Interpretation und zeitliche Zuordnung der Werkzeugspuren auf historischen Bauwerken sind laut Völkle nicht einfach zu lesen. Sie bilden allerdings eine wichtige historische Quelle und ihr Erhalt und die Dokumentation der Spuren auf den Steinoberflächen stellen eine bedeutende denkmalpflegerische Aufgabe dar. Daneben sind für historische Daten auch die Fugenausbildung, der Mörtel und weitere Baudetails zu berücksichtigen. Nach Völkle kann man aus den Spuren der Steinbearbeitung wichtige zusätzliche Erkenntnisse gewinnen und Bauabschnitte an historischen Steinbauwerken datieren.[4][5]

Völkle erfasst historische Steinoberflächen systematisch und entschied sich, nachdem er zehn Jahre geforscht hatte, seine Erkenntnisse in Buchform herauszubringen.[6]

Standardwerk

Das bisherige Standardwerk für historische Steinbearbeitungsspuren von Karl Friedrich entstand 1932. Es befasste sich ausschließlich mit den Steinoberflächen und den Spuren an historischen Bauwerken aus Naturstein. Es ermöglichte damit die zeitliche Zuordnung der Bauwerke. Diese Erkenntnisse übernimmt das neue Buch als Ausgangspunkt und erweitert sie um wesentliche Details.

Dass die Errichtung steinerner Bauwerke im Mittelalter planerische Vorarbeiten erforderte, ließ sich bislang nicht umfassend belegen. Der Autor weist unter Heranziehung zahlreicher Quellen nach, dass es eine Werkplanung im Mittelalter gegeben haben muss. Aus den Planrissen wurden Schablonen im Maßstab 1:1 hergestellt und auf die anzufertigenden Werksteine übertragen.[3]

Das Buch von Völkle richtet sich nach einer Rezension im Magazin „Monumente“ der Deutschen Stiftung Denkmalschutz an Steinmetze, Restauratoren, Denkmalpfleger, Kunsthistoriker, Bauforscher und Architekten, aber ebenso an interessierte Laien.[7]

Autor

Der Autor dieses Fachbuchs wurde 1965 im Südschwarzwald geboren und ging in Basel zur Schule. Er erlernte das Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk in Freiburg im Breisgau. Ab 1992 erhielt er eine Anstellung an der Münsterbauhütte Ulm, wo er als Hüttenmeister arbeitete. Seit 2006 ist er Betriebsleiter der Berner Münsterbauhütte. Im Rahmen seiner Aufgaben befasst er sich mit historischen Steinoberflächen und ihren Werkzeugspuren auf seinem Arbeitsplatz und darüber hinaus.[8]

Des Weiteren ist für Völkle auch die Zeichentechnik der gotischen Steinbautechnik ein bedeutsames Erkenntnisfeld,[9][10] was sich auch in seinem Buch niederschlug und er beteiligt sich an der Bauforschung des Berner Münsters.[5]

Literatur

  • Reiner Flassig: Historische Steinbearbeitung. In: Bildungszentrum für das Steinmetz- und Bildhauerhandwerk (Hrsg.): Steinmetzpraxis, Das Handbuch für die tägliche Arbeit mit Naturstein. 2., überarbeitete Auflage. Ebner Verlag, Ulm 1994, ISBN 3-87188-138-4, S. 310 ff.
  • Karl Friederich: Die Steinbearbeitung in ihrer Entwicklung vom 11. bis zum 18. Jahrhundert. Filser, Augsburg 1932.
  • Peter Völkle: Werkplanung und Steinbearbeitung im Mittelalter. 1. Auflage. Ebner Verlag, Ulm September 2016, ISBN 978-3-87188-258-6.

Einzelnachweise

  1. Karl Friedrich: Die Steinbearbeitung in ihrer Entwicklung vom 11. bis zum 18. Jahrhundert. 1932. (Reprint: Augsburg 1988, ISBN 3-924756-02-3.)
  2. Robert Stadler: Auf den Friedrich folgt der Völkle. auf: natursteinonline.de, 28. November 2016, abgerufen am 8. August 2017.
  3. a b Reiner Flassig: Lesenswert: Werkplanung und Steinbearbeitung im Mittelalter. auf: natursteinonline.de, 22. September 2016, abgerufen am 3. August 2017 ISSN 0028-1026
  4. Spuren am Bau richtig einordnen. In: Kunst + Stein. 5, 2016, S. 24.
  5. a b Alexandra Druzynski v. Boetticher, Peter Völkle: Mit Methoden der Bauforschung. Neue Erkenntniswege zur Baugeschichte des Berner Münsters.@1@2Vorlage:Toter Link/www.gsk.ch (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. abgerufen am 3. August 2017. In: Berner Münster. Hrsg. v. der Schweizer Gesellschaft für Kunstgeschichte.
  6. Grundlagen der handwerklichen Arbeitstechniken. Werkplanung und Steinbearbeitung im Mittelalter. In: Coviss. Raum und Zeit, S. 14. (teilweise online auf coviss.ch)
  7. Steinbearbeitung im Mittelalter. In: Monumente. Magazin für Denkmalkultur. 6, 2016, S. 63.
  8. Peter Völkle "Steinbearbeitung in der Spätantike und im Mittelalter". 25. Januar 2017, auf Brandenburgische Technische Universität. Fakultät 6.
  9. Peter Völkle: Zirkel und Reissfeder. In: Baustelle Gotik. Das Freiburger Münster. hrsg. v. Freiburger Münsterbauverein. Imhof, Petersberg 2013, ISBN 978-3-86568-880-4.
  10. Peter Völkle: Die Zeichentechnik der Gotik: Materialien, Werkzeuge und Zeichenvorgang. In: Johann Josef Böker u. a.: Architektur der Gotik. Rheinlande. Müry Salzmann Verlag, Salzburg 2013, ISBN 978-3-99014-064-2, S. 14–23.

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