Wer sich selbst erhöhet, der soll erniedriget werden

Bachkantate
Wer sich selbst erhöhet, der soll erniedriget werden
BWV:47
Anlass:17. Sonntag nach Trinitatis
Entstehungsjahr:1726
Entstehungsort:Leipzig
Gattung:Kantate
Solo:S B
Chor:SATB
Instrumente:2Ob 2Vl Va Org Bc
Text
Johann Friedrich Helbig
Liste der Bachkantaten

Wer sich selbst erhöhet, der soll erniedriget werden (BWV 47) ist eine Kirchen-Kantate von Johann Sebastian Bach. Er komponierte sie 1726 in Leipzig für den 17. Sonntag nach Trinitatis und führte sie am 13. Oktober 1726 erstmals auf.

Geschichte und Worte

Bach komponierte die Kantate 1726 in seinem vierten Amtsjahr in Leipzig für den 17. Sonntag nach Trinitatis. Sie wird seinem 3. Kantatenzyklus zugerechnet. Die vorgeschriebenen Lesungen für den Sonntag waren Eph 4,1–6 , die Ermahnung zur Einigkeit im Geiste, und Lk 14,1–11 , die Heilung eines Wassersüchtigen am Sabbat.

Der Text stammt von Johann Friedrich Helbig (1680–1722), der ab 1718 Hofdichter in Sachsen-Eisenach war. Der Text erschien 1720 in der Sammlung von Kantatentexten für ein Jahr Aufmunterung zur Andacht.[1] Es ist der einzige Kantatentext des Dichters, den Bach vertonte, und man weiß nicht, ob Bach ihn aus der erwähnten Veröffentlichung kannte oder durch eine Kantate von Georg Philipp Telemann, der für den Gebrauch in Eisenach viele Texte dieses Dichters verwendete. Telemann hatte Helbigs Text als Teil seines „sicilianischen“ Kantatenjahrgangs 1719/20 vertont (TWV 1:1603).[2][3]

Der Ausgangspunkt des Textes ist die letzte Zeile des Evangeliums (Satz 1), im Weiteren wird in starken Worten vor Hochmut gewarnt, die letzte Arie ist ein Gebet um Demut. Der Schlusschoral ist die elfte und letzte Strophe von Warum betrübst du dich, mein Herz (Nürnberg, 1561),[4] den Bach 1723 in der Kantate Warum betrübst du dich, mein Herz verarbeitet hatte.

Besetzung und Aufbau

Die Kantate ist besetzt mit zwei Vokalsolisten (Sopran und Bass), vierstimmigem Chor, zwei Oboen, zwei Violinen, Viola, obligater Orgel und Basso continuo.

  1. Coro: Wer sich selbst erhöhet, der soll erniedriget werden
  2. Arie (Sopran): Wer ein wahrer Christ will heißen
  3. Recitativo (Bass): Der Mensch ist Kot, Stank, Asch und Erde
  4. Aria (Bass): Jesu, beuge doch mein Herze
  5. Chorale: Der zeitlichen Ehrn will ich gern entbehrn

Musik

Der Eingangschor ist der Schwerpunkt des Werks. Das lange Ritornell ist etwas ähnlich wie Bachs Orgel-Präludiums in c-Moll (BWV 546), transponiert nach g-Moll.[5] Die Oboen spielen ein in Sequenzen ansteigendes Motiv, das später in den Singstimmen ein Fugenthema wird, um die Selbsterhöhung darzustellen. Ein Kontrasubjekt in Gegenrichtung illustriert die Erniedrigung. Die Fuge wird durch einen bekräftigenden homophonen Nachsatz abgeschlossen. Die Abfolge von Fuge und Nachsatz wiederholt sich ein weiteres Mal, dann wird das Ritornell wiederholt mit einem Choreinbau, der den gesamten Text bekräftigend bringt.[6]

Die Sopran-Arie wurde ursprünglich von einer obligaten Orgel begleitet, wie drei Wochen später die Arie Ich geh und suche mit Verlangen. In einer späteren Aufführung wählte Bach stattdessen die Violine. Die Da-capo-Arie beschreibt Demut im ersten Abschnitt, Hochmut im Mittelteil durch widerborstige Rhythmik (Alfred Dürr), während das Continuo Themen aus dem ersten Abschnitt beibehält. Das einzige Rezitativ ist der zentrale Satz der Kantate und wird von Streichern begleitet. Die zweite Arie ist dreiteilig, doch ohne gesungenes Da capo. Oboe und Violine sind gleichwertige Partner zur Bass-Stimme in einem Gebet um Demut. Der Schlusschoral[7] ist in auffälliger Schlichtheit vierstimmig gesetzt.

Einspielungen

LP / CD

DVD

Literatur

  • Andreas Marti: „… die Lehre des Lebens zu hören“. Eine Analyse der drei Kantaten zum 17. Sonntag nach Trinitatis von Johann Sebastian Bach unter musikalisch-rhetorischen und theologischen Gesichtspunkten. Lang, Bern / Frankfurt am Main / Las Vegas 1981, ISBN 978-3-261-04867-7.
  • Werner Neumann: Handbuch der Kantaten J. S. Bachs. 1947, 5. Auflage. Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 1984, ISBN 3-7651-0054-4.
  • Christoph Wolff, Ton Koopman: Die Welt der Bach-Kantaten. J. B. Metzler, Stuttgart / Weimar 2006, ISBN 3-476-02127-0.
  • Alfred Dürr: Johann Sebastian Bach: Die Kantaten. Bärenreiter, Kassel 1999, ISBN 3-7618-1476-3.
  • Hans-Joachim Schulze: Die Bach-Kantaten: Einführungen zu sämtlichen Kantaten Johann Sebastian Bachs. Evangelische Verlags-Anstalt, Leipzig / Carus, Stuttgart 2006, (Edition Bach-Archiv Leipzig) ISBN 3-374-02390-8 (Evang. Verlags-Anst.), ISBN 3-89948-073-2 (Carus-Verlag).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Johann Friedrich Helbig (Librettist) Bach Cantatas (englisch)
  2. Werner Menke: Thematisches Verzeichnis der Vokalwerke von Georg Philipp Telemann. Band 1. Cantaten zum gottesdienstlichen Gebrauch. 2., erw. Auflage. Klostermann, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-465-01835-4.
  3. Brit Reipsch: Annotationen zu Georg Philipp Telemann, Johann Friedrich Helbig und Johann Sebastian Bach. In: Brit Reipsch, Wolf Hobohm (Hrsg.): Telemann und Bach: Telemann-Beiträge. (= Magdeburger Telemann-Studien. Band 18). Olms, Hildesheim 2005, ISBN 3-487-12837-3, S. 63–85 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
  4. Warum betrübst du dich, mein Herz / Text and Translation of Chorale Bach Cantatas, Texte und Übersetzungen (englisch)
  5. John Eliot Gardiner: Cantatas for the Seventeenth Sunday after Trinity / Allhelgonakyrkan, Lund (PDF; 137 kB) Bach Cantatas, 2009, S. 5 (englisch)
  6. Julian Mincham: Chapter 27 BWV 47 Wer sich selbst erhöhet. In: jsbachcantatas.com. 2010, abgerufen am 10. Oktober 2011 (englisch).
  7. Chorale Melodies used in Bach’s Vocal Works / Warum betrübst du dich, mein Herz Bach Cantatas, Chorale Melodies used in Bach’s Vocal Works (englisch)

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