Weltlinie

Weltlinie, Weltfläche und Weltvolumen in einer (2+1)-dimensionalen Raumzeit

Weltlinie ist ein Begriff der Relativitätstheorie und bezeichnet die Trajektorie eines Objekts in der Raumzeit.[1]

Relativitätstheorie

Die Weltlinien von frei fallenden Objekten, also Objekten, die nur der Gravitation unterliegen, sind gemäß der Allgemeinen Relativitätstheorie Geodäten in der gekrümmten Raumzeit. Dies gilt auch für Objekte, deren räumliche Bahnen geschlossen sind. So ist in einem relativ zur Sonne ruhenden Bezugssystem die Weltlinie der Erde eine Schraubenlinie, deren Achse die Zeitachse ist.

Im Zusammenhang mit der Speziellen Relativitätstheorie wurde der Begriff der Weltlinie 1908 von Hermann Minkowski eingeführt[2] (siehe auch Minkowski-Diagramm). Weltlinien sind für masselose Teilchen lichtartig und für massebehaftete Objekte zeitartig.

Das Konzept lässt sich auf höherdimensionale Objekte verallgemeinern. So ergibt die Bewegung eines eindimensionalen Strings durch die Raumzeit eine Weltfläche, einem zweidimensionalen Objekt kann man ein Weltvolumen zuordnen usw.

Kosmologie

Auch in Raum-Zeit-Diagrammen der Kosmologie werden Weltlinien gemäß der Allgemeinen Relativitätstheorie verwendet. Basis für die Entwicklung des isotrop und homogen angenommenen Universums ist dabei die Friedmann-Gleichung, zeitlicher Verlauf und Abstände sind durch die Friedmann-Lemaître-Robertson-Walker-Metrik (FLRW-Metrik) induziert. Betrachtet werden zum Beispiel Weltlinien von Galaxien, die unter einer bestimmten Rotverschiebung z heute sichtbar sind, oder Weltlinien von Photonen zwischen der Weltlinie einer Quelle (z. B. einer Galaxie) und der eines Beobachters.

Häufig sieht man Abbildungen mit zwei Koordinatenachsen. Als senkrechte Achse wird das Weltalter seit dem Urknall aufgeführt, wobei die Zeit im Sinne der Allgemeinen Relativitätstheorie als Eigenzeit von mit dem Hubble-Flow treibenden Beobachtern (mit synchronisierten Uhren) verstanden wird.

Für Galaxie SPT0418-47 relevante Weltlinien

Anders als für die Zeitachse gibt es für die waagerechte Raumachse kein natürliches Maß für die Raumkoordinaten. Entfernungen zwischen Objekten zu konstanter gemeinsamer Zeit existieren, sind jedoch nicht messbar. Vielmehr müssen diese Distanzen über die kosmologische Theorie erschlossen werden. Mitbewegte Koordinaten treiben mit dem Hubble-Flow. Die mitbewegte Distanz (englisch: comoving distance) zwischen Objekten, die ebenfalls im Hubble-Flow treiben, ändert sich trotz der Expansion des Universums nicht. Im Gegensatz dazu machen physikalische Koordinaten die mit der Expansion des Universums anwachsenden Entfernungen zwischen Objekten sichtbar. Aufgrund von Isotropie und Homogenität des Universums kann der Ursprung des Koordinatensystems im Prinzip an einem beliebigen Ort des beobachtbaren Universums angesetzt werden.

Werden astronomische Objekte wie Galaxien abgebildet, so wird üblicherweise auf das (räumlich flache) Standardmodell der Kosmologie (Lambda-CDM-Modell) zurückgegriffen, wobei andere Weltlinien häufig als Abstände zur Weltlinie des Beobachters aufgetragen werden. Im Falle der Verwendung physikalischer Koordinaten übernimmt der mit dem Skalenfaktor multiplizierte mitbewegte Radius r der Friedmann-Gleichung als Eigendistanz (englisch: proper distance) die Abstandsmessung auf der waagerechten Koordinatenachse. Mehrheitlich werden ohne Berücksichtigung von Pekuliarbewegungen nur Entfernungsänderungen aufgrund der Expansion des Universums erfasst.

Die Zeichnung zeigt auf der Basis physikalischer Koordinaten die mit der Galaxie SPT0418-47 verbundenen Weltlinien.[3] Die waagerechte Koordinatenachse ist ohne Raumwinkel in Richtung des radialen Pfads vom Beobachter zu SPT0418-47 gewählt. Erst die Vergrößerung durch eine Gravitationslinse macht diese Galaxie für eine genauere Untersuchung zugänglich.

Einzelnachweise

  1. Paul A. Tipler, Ralph A. Llewellyn: Moderne Physik. Verlag Oldenbourg, 2002, ISBN 978-3-486-25564-5.
  2. A. Friedmann, G. Singer: Die Welt als Raum und Zeit. Verlag Harri Deutsch, 3. Auflage, 2006, S. 124, @1@2Vorlage:Toter Link/books.google.deGoogle Books. (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven.)
  3. Siehe Summary und Tabelle der Weltlinien-Zeichnung. Abgerufen am 5. September 2020.

Auf dieser Seite verwendete Medien

Brane-wlwswv.svg
(c) Stevertigo aus der englischsprachigen Wikipedia, CC BY-SA 3.0
Weltlinie, Weltblatt und Weltvolumen, wie sie in der Stringtheorie aus Teilchen, Strings und Branen abgeleitet werden.
Worldlines relevant for SPT0418-47.svg
Autor/Urheber: Langealtos, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Die Zeichnung zeigt die für das Aussehen der Galaxie SPT0418-47 relevanten Weltlinien an. Die überraschenden Eigenschaften dieser Galaxie wurden im wissenschaftlichen Artikel A dynamically cold disk galaxy in the early Universe erläutert.

Kosmologische Parameter gemäß diesem Artikel sind: H0 = 67,8 km s−1 Mpc−1, Ωm = 0,308, ΛCDM (Planck15). Vom aktuellen Ort (Milchstraße) zur heutigen Zeit gemessene Rotverschiebungen werden durch das Symbol z, Rezessionsgeschwindigkeiten durch die Zeichenfolge vrec umschrieben. c bezeichnet die Lichtgeschwindigkeit. Berechnungen wurden mit dem Kosmologie-Rechner des ICRAR durchgeführt.

Die senkrechte Achse gibt das Weltalter seit dem Urknall in Milliarden Jahren an und nimmt zugleich die Rolle der (z=0)-Weltlinie wahr. Die waagerechte Achse zeigt die Eigendistanz (englisch: proper distance) von dieser Weltlinie in Milliarden Lichtjahren an. Da die Milchstraße zum Zeitpunkt der Emission des heute von SPT0418-47 empfangenen Lichts bereits existierte, kann die (z=0)-Weltlinie als Weltlinie der Milchstraße interpretiert werden - siehe aber den umrahmten Abschnitt zu Pekuliarbewegungen weiter unten. Die waagerechte Achse zeigt damit für jeden Zeitpunkt des Weltalters die Eigendistanz von der Milchstraße an.

Das Licht von SPT0418-47 hat im expandierenden Universum 12,4 Milliarden Jahre benötigt, uns zu erreichen. Die Galaxie weist eine Rotverschiebung von z=4,2248 auf, wobei eine in Sichtlinie befindliche Galaxie bei z=0,263 als Gravitationslinse dienen konnte. Erst diese gravitative Vergrößerung ermöglichte es Forschern, die Galaxie in ihrem Zustand 1,4 Milliarden Jahre nach dem Urknall (dem Emissionszeitpunkt des heute empfangenen Lichts) und einer damaligen Entfernung zur Milchstraße von 4,7 Milliarden Lichtjahren genauer zu untersuchen.

Photonen auf der (auf dem Mantel des Rückwärts-Lichtkegels gelegenen) lichtartigen Geodäte von SPT0418-47 zum Emissionszeitpunkt und der Milchstraße zum heutigen Zeitpunkt haben sich aufgrund der damaligen superluminaren Rezessionsgeschwindigkeit von vrec=2,2c zur Milchstraße zum Emissionszeitpunkt zunächst von der Milchstraße entfernt (mit zunächst vrec-c), bevor sie von der anwachsenden Hubble-Sphäre (Rezessionsgeschwindigkeit der Hubble-Sphäre größer als jene Geschwindigkeit, mit der sich auf die Milchstraße zum heutigen Zeitpunkt gerichtete Photonen auf der Geodäte jenseits der Hubble-Sphäre von der Milchstraße entfernen) überholt wurden. Der Schnittpunkt der Photonen-Laufbahn und der Hubble-Sphäre markiert den Zeitpunkt der maximalen Entfernung der Photonen von der Milchstraße. Bei der anschließenden Annäherung an die Milchstraße passierten die Photonen 10,6 Milliarden Jahre nach dem Urknall jene 2,8 Milliarden Lichtjahre von der Milchstraße entfernte Galaxie, die heute als Gravitationslinse dient. Zum heutigen Zeitpunkt ist jene Galaxie 3,6 Milliarden Lichtjahre von der Milchstraße entfernt. SPT0418-47 hat sich zu allen Zeiten superluminar von der Milchstraße entfernt. Die heutige Eigendistanz der heute jenseits des Ereignishorizonts gelegenen Galaxie SPT0418-47 beläuft sich auf 24,4 Milliarden Lichtjahre bei einer Rezessionsgeschwindigkeit von 1,7c.