Haube (Architektur)

Kombination von „Welscher Haube“ und gebauchtem, aber nicht gerundetem Zwischenteil („Zwiebelhaube“) an der barocken Johanniskirche in Frankfurt-Bornheim
Glockenförmige Turmhaube, Schloss Le Gué-Péan, Frankreich.

Der Begriff Haube (oder Turmhaube) bezeichnet in der Architektur eine glockenförmig geschweifte Turmdachform, die sich deutlich von den üblichen mittelalterlichen Spitzhelmen oder den auch später noch gebräuchlichen Pyramidendächern abhebt. Die vergleichsweise niedrigen Hauben waren in der Anfangszeit gegenüber den hohen Spitzhelmen meist kostengünstiger und weniger anfällig gegen Winddruck.

Etymologie

Der Begriff „Haube“ impliziert im Wesentlichen abgerundete Formen, eventuell auch mit annähernd horizontalen Zwischenebenen und seitlichen Schwüngen. Der Begriff „Welsch“ bezeichnet eine fremdländische – meist romanische – Herkunft oder Abstammung. Wann diese Begriffe erstmals zur Bezeichnung eines neuen und augenfälligen Architekturelements kombiniert wurden, ist unklar.

Geschichte

Die „Glockenhaube“ als einfachste Form einer Dachhaube ist in konstruktiver Hinsicht ein Mittelding zwischen Pyramidendach und Kuppel. Obwohl genauere Untersuchungen fehlen, ist davon auszugehen, dass die erstmalige Konstruktion einer geschwungenen Turmhaube frühestens in der Zeit der Spätgotik mit ihren kurvilinearen Flamboyant-Formen möglich war. Wesentliche Anregungen erhielt die Haubenarchitektur in Deutschland durch den im Jahr 1486 auf Deutsch veröffentlichten und illustrierten Reisebericht einer Pilgerreise ins Heilige Land von Bernhard von Breidenbach. Die möglicherweise ältesten gebauchten „Zwiebelhauben“ im christlich-orthodoxen Kulturraum (Mariä-Entschlafens-Kathedrale im Moskauer Kreml) sind nur wenige Jahre älter (1475–1479). Die gebauchteZwiebelhaube“ oder die sogenannte „Welsche Haube“ wurden – überwiegend im deutschsprachigen Raum – in der Renaissance und vor allem im Barock oft als Bedachung von Kirch- und Rathaustürmen verwendet. Bei der „Welschen Haube“ besteht die Turmbekrönung zumeist aus mehreren übereinander liegenden konkav und konvex gewölbten Teilen sowie laternenartigen Zwischenstücken. „Unter Zwischenschaltung einer Laterne kann die Konstruktion einer Welschen Haube mehrfach übereinander wiederholt werden, so dass ein hoher Turmhelm entsteht“ (z. B. Petrikirche, Riga).[1]

Formen

Das mehrfach gestaffelte und auf einem oktogonalen Unterbau ruhende Turmdach der Prioratskirche Saint-Nicolas in Civray (Nouvelle-Aquitaine) ist keine(!) Haube, da geschwungene Formen fehlen

Eine genaue Abgrenzung der verschiedenen Haubenformen ist – vor allem wegen regional unterschiedlicher Begriffsverwendungen – von der architektonischen Forschung bislang nicht unternommen worden; auch zur Zeit und zum Ort der Entstehung des häufig verwendeten Begriffs „Welsche Haube“ oder des seltener verwendeten Begriffs „Thüringische Haube“ fehlen bislang genauere Untersuchungen, so dass die Bedeutung der Begriffe weitestgehend regionalen Traditionen oder dem jeweiligen Verfasser überlassen blieben. Die Übergänge zu manchen Turmhelm- oder Kuppelformen sind in einigen Fällen fließend; wesentliche Abgrenzungsmerkmale sind die charakteristischen geschwungenen Formen der Hauben sowie das Fehlen von ausgeprägten Spitzen. Folgende konstruktive bzw. begriffliche Abgrenzungen sind möglich und sinnvoll:

  • Geschwungene Haube ohne Laterne („Glockenhaube/Glockenhelm“),
  • Geschwungene Haube mit Laterne (vereinzelt als „thüringische Haube“ bezeichnet),
  • Gebauchte Haube ohne Laterne („Zwiebelhaube“),
  • Mehrfach geschweiftes Haubendach, manchmal mit einem Zwischengeschoss in der Form einer Laterne („Welsche Haube“, „Kaiserdach“ oder „Krone“).[2]

Verbreitung

Deutschland, Österreich und Südtirol

Das Hauptgebiet der Verbreitung in Deutschland und Österreich liegt im alpenländischen Raum und schließt Südtirol mit ein. Vereinzelte Beispiele finden sich auch in Schwaben, Hessen, Thüringen und in Böhmen. Der Gebrauch von Hauben ist hier eng mit dem barocken Kirchenbau assoziiert.

Franche-Comté

Im Gebiet der Franche-Comté, die bis zum Jahr 1477 noch zum Herzogtum Burgund gehörte, dann an das Haus Habsburg kam und erst im 17. Jahrhundert von Frankreich annektiert wurde, gibt es Zählungen zufolge über 600 geschwungene Turmhauben (clochers comtois), doch auch hier fehlen Untersuchungen zu deren genauem Alter. Sie finden sich vorzugsweise auf Kirchen der Spätgotik und der Renaissance, doch könnten sie auch später (d. h. im Barock) aufgesetzt worden sein.

Siehe auch

Literatur

  • Helmuth Zebhauser, Michael Hartig: Hauben und Zwiebeln. Europäische Turmauswüchse. Merkbilder bayerischer Architektur. Bayerischer Bauindustrieverband, 1989.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Kleines Wörterbuch der Architektur. Reclam, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-15-009360-3, S. 140.
  2. Rudolf Huber, Renate Rieth: Das Baudenkmal: Denkmalschutz und Denkmalpflege. Systematisches Fachwörterbuch. Walter de Gruyter, 2011, ISBN 978-3-11-097887-2, S. 136.

Auf dieser Seite verwendete Medien

Eglise Notre Dame de Morteau 31082008.JPG
Autor/Urheber: VincentdeMorteau, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Church of Our Lady in Morteau
0 Ornans - Église St-Laurent (2).JPG
Autor/Urheber: Jean-Pol GRANDMONT, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Ornans (Doubs - Frankreich), die Kirche von Saint-Laurent.
Sankt Ulrich Kapelleneingang.jpg
Autor/Urheber: Richard Huber, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Germany, Bavaria, Munich, Kirche Sankt Ulrich in Laim
REI Seebachkapelle.jpg
Autor/Urheber: Luitold, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Seebachkapelle in Bad Reichenhall, Thumseestraße
Herford Jakobikirche IMGP2635 wp.jpg
Autor/Urheber: smial (talk), Lizenz: FAL
Die Kirche Sankt Jakobi in Herford, Nordrhein-Westfalen, Deutschland. Im Mittelalter war die Jakobikirche eine bedeutende Pilgerkirche für Jakobspilger auf dem Weg nach Santiago de Compostela in Spanien.
Église d'Étupes 003.JPG
Autor/Urheber: Arnaud 25, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Église d'Étupes
Deutsche Kirche (Tilsit).jpg
Fotografie der Deutschen Kirche (ab 1933 Deutschordenskirche) in Tilsit
Johanniskirche Bornheim Turm 03102009.jpg
Autor/Urheber:    Gesamtzahl meiner hochgeladenen Dateien: 953, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Turm der Johanniskirche in Frankfurt am Main-Bornheim, Westseite
Church tower towering over Castelrotto, Italy.jpg
Autor/Urheber: Frank K. from Anchorage, Alaska, USA, Lizenz: CC BY 2.0
Kastelruth, Glockenturm der Pfarrkirche Sankt Peter und Paul (erbaut 1756-58 nach Plänen von Simon Rieder).
Mariensäule, München, Deutschland4.JPG
(c) Diego Delso, CC BY-SA 3.0
Mariensäule, Munich, Germany
ChateauDuGue-Pean01.jpg
Autor/Urheber: frank wouters, Lizenz: CC BY 2.0
Schloss Le Gué-Péan in Monthou-sur-Cher
Pfarrkirche St. Pauls, Eppan (Nord-West).jpg
Autor/Urheber: Thesurvived99, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Diese Datei zeigt das Baudenkmal mit der Nummer 14697 in Südtirol.
St-Lothain4.JPG
Autor/Urheber: P. Charpiat, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Saint-Lothain, vue générale de l'église - Jura - France
Dornburg (Saale) St. Jacobus 02.jpg
Autor/Urheber: ErwinMeier, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Stadtkirche Sankt Jacobus (Dornburg) von Nordwesten
Kirchen von Seloncourt.jpg
Türme der lutherischen Alten Kirche (Vieille église; links) und der neuen lutherischen Kirche (Temple luthérien; rechts) in Seloncourt
Civray 86 Clocher&clochetons 2013.jpg
(c) Photo: JLPC / Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0
Glockenturm der Kirche sowie die benachbarten Dachaufbauten, Civray, Vienne, Frankreich.