Weimarer Dichtertreffen
Das jährlich stattfindende Weimarer Dichtertreffen, ab 1940 „Europäisches Dichtertreffen“, war die wichtigste literarische Veranstaltung im NS-Staat.
Gastgeber war das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, die Tagungsgeschäftsstelle befand sich im Hotel Elephant. Das Treffen hatte den Charakter einer Arbeitstagung, die von verschiedenen Festlichkeiten (Opern- und Theateraufführungen, Empfänge) umrahmt wurde. Höhepunkt war ein Staatsakt.
Teilnehmer waren „die wichtigsten deutschen Schriftsteller der Zeit“ (gemeint: die in Nazi-Deutschland geblieben und anerkannt waren) sowie ausländische Dichter. Bis 1939 hieß die Tagung Großdeutsches Dichtertreffen, ab 1940 Europäisches Dichtertreffen. Die Herbstreise französischer Schriftsteller 1941 zum zweiten internationalen Dichtertreffen wurde durch die Teilnahme von Robert Brasillach, Pierre Drieu La Rochelle, Abel Bonnard, Ramon Fernandez, André Fraigneau, Jacques Chardonne sowie Marcel Jouhandeau international bekannt. Die Beteiligung der französischen Autoren wurde von dem Angehörigen der Propagandastaffel Paris Gerhard Heller organisiert.[1] Der finnische Schriftsteller Arvi Kivimaa schrieb einen 1944 in Deutschland verlegten Bericht.[2]
1941 nahm auch Hans Carossa am „Weimarer Dichtertreffen“ teil, wo er die Präsidentschaft der Europäischen Schriftsteller-Vereinigung (ESV) von inner- und außerdeutschen, freiwilligen Kollaboranten akzeptierte. „Im nächsten Jahr blieb er der peinlichen Veranstaltung fern.“[3] Generalsekretär der ESV wurde Carl Rothe.[4] 1942 wurde der Italiener Giovanni Papini stellvertretender Präsident der Vereinigung.
Teilnehmer am Dichtertreffen 1941
Am Dichtertreffen nahmen Teilnehmer aus 14 Ländern[5] (mit Deutschland 15) teil:
- Belgien: Felix Timmermans, Ferdinand Vercnocke[6], Ernest Claes, Filip De Pillecyn[7]
- Bulgarien: Fani Popowa-Mutafowa
- Dänemark: Svend Fleuron; Ejnar Howalt[8]
- Finnland: Arvi Kivimaa;[9] Veikko Antero Koskenniemi
- Frankreich: Robert Brasillach; Pierre Drieu La Rochelle; Abel Bonnard; Ramon Fernandez[10]; André Fraigneau[11]; Jacques Chardonne; Marcel Jouhandeau
- Großdeutschland: Moritz Jahn; August Hinrichs; Friedrich Schnack; Hans Baumann; Hans Carossa; Hanns Johst; Bruno Brehm; Paul Alverdes; Karl Heinrich Waggerl
- Italien: Emilio Cecchi, Antonio Baldini, Elio Vittorini, Arturo Farinelli, Alfredo Acito[12], Giulio Cogni[13], Mario Sertoli[14], Enrico Falqui[15]
- Kroatien: Antun Bonifačić[16]
- Niederlande: Rintsje Piter Sybesma[17], Henri Bruning[18], Jan Eekhout[19]
- Norwegen: Kåre Bjørgen[20], Lars Hansen
- Rumänien: Nicolae I. Herescu[21], Ion Sân-Giorgiu[22]
- Schweden: Einar Malm[23]
- Schweiz: John Knittel
- Spanien: Ernesto Giménez Caballero[24], Luis Felipe Vivanco[25]
- Ungarn: József Nyírő.[26]
Deutsche Organisatoren und Begleiter waren: Wilhelm Haegert, Reichsschrifttumskammer; Carl Rothe; Karl Heinz Bremer, Deutsches Institut Paris, Stellvertreter Karl Epting;[27] Friedrich Bran, Leiter des Frankreich-Komitees im Auswärtigen Amt Berlin; Gerhard Heller, Verlagszensor beim Militärbefehlshaber Frankreich. In Weimar trafen die auswärtigen Gäste auf Vertreter der deutschen nationalsozialistischen Literatur wie Moritz Jahn und Friedrich Schnack.
Literatur
- François Dufay: Die Herbstreise. Siedler, Berlin 2001 ISBN 3-88680-735-5 (Originalausgabe: Le Voyage d'automne. Octobre 1941, des écrivains français en Allemagne. Plon, Paris 2000 ISBN 2-259-19130-4)
- Hans Sarkowicz, Alf Mentzer: Literatur in Nazi-Deutschland. Ein biografisches Lexikon. Erw. Neuausg. Europa-Verlag, Hamburg 2002, ISBN 3-203-82030-7, S. 21–24
- Frank-Rutger Hausmann: „Dichte, Dichter, tage nicht!“ Die Europäische Schriftsteller-Vereinigung in Weimar 1941–1948. Klostermann, Frankfurt 2004 ISBN 3-465-03295-0[28]
- Frank-Rutger Hausmann: Kollaborierende Intellektuelle in Weimar. Die ›Europäische Schriftsteller-Vereinigung‹ als ›Anti-P.E.N.-Club‹. In: Hellmut Seemann (Hrsg.): Europa in Weimar. Visionen eines Kontinents. Jahrbuch der Klassik Stiftung Weimar 2008. Wallstein, Göttingen 2008 ISBN 978-3-8353-0281-5, S. 399–422
Einzelnachweise und Anmerkungen
- ↑ Gerhard Heller: In einem besetzten Land: NS-Kulturpolitik in Frankreich – Erinnerungen 1940–1944. Köln 1982, ISBN 3-462-01521-4. Heinrich Ehmsen organisierte danach eine Fahrt von 13 französischen bildenden Künstlern nach Deutschland. Vgl. Dufay: Herbstreise, S. 119
- ↑ Europäische Dichterreise durch Deutschland : Reiseeindrücke eines finnischen Schriftstellers in Deutschland. Wien ; Berlin ; Leipzig : Karl H. Bischoff, 1944
- ↑ Klaus Harpprecht: Die Tragödie vom einfachen Anstand. In: Die Zeit, Nr. 37/1993
- ↑ Dufay: Herbstreise, S. 93
- ↑ Dufay, Herbstreise, S. 82; es werden hier die Namen aufgeführt, die bei Dufay und Hausmann genannt sind, auch die Redner und die sonstigen Begleiter
- ↑ 1906–1989, siehe Ferdinand Vercnocke in der niederländischsprachigen Wikipedia
- ↑ 1891–1962, siehe Filip De Pillecyn in der niederländischsprachigen Wikipedia
- ↑ 1891–1953, siehe Ejnar Howalt in der dänischsprachigen Wikipedia
- ↑ 1904–1984, siehe Arvi Kivimaa in der finnischsprachigen Wikipedia
- ↑ 1894–1944, siehe Ramon Fernandez in der französischsprachigen Wikipedia
- ↑ 1905–1991, siehe André Fraigneau in der französischsprachigen Wikipedia
- ↑ 1898–1953, siehe Alfredo Acito in der italienischsprachigen Wikipedia
- ↑ 1908–1983, siehe Giulio Cogni in der italienischsprachigen Wikipedia
- ↑ Maria Clotile Angelini, 1942. Note in margine al Convegno degli scrittori europei a Weimar (Memento vom 31. Oktober 2006 im Internet Archive) (PDF; 89 kB) Seite 12; Sertoli begleitete die italienischen Schriftsteller als Vertreter des "Ministero della Cultura Popolare"
- ↑ Ruth Ben-Ghiat: Fascist Modernities: Italy, 1922-1945. University of California Press, 2001, ISBN 0520223632, Seite 269.
- ↑ 1901–1986, siehe Antun Bonifačić in der kroatischsprachigen Wikipedia
- ↑ 1894–1975, siehe Rintsje Piter Sybesma in der niederländischsprachigen Wikipedia
- ↑ 1900–1983, siehe Henri Bruning in der niederländischsprachigen Wikipedia
- ↑ Frank-Rutger Hausmann: Rezension in: IfB 18 (2010), Onlinepublikation (PDF; 27 KB); zu: Josef Thomik (Verf.), Josef Schreier (Hrsg.): Nationalsozialismus als Ersatzreligion: die Zeitschriften "Weltliteratur" und "Die Weltliteratur" (1935/1944) als Träger nationalsozialistischer Ideologie; zugleich ein Beitrag zur Affäre Schneider/Schwerte, Aachen 2009 (S. 3/4 der PDF-Datei).
- ↑ 1897–1974, siehe Kåre Bjørgen in der Nynorsk-Wikipedia
- ↑ 1903–1961, siehe Nicolae I. Herescu in der rumänischsprachigen Wikipedia
- ↑ 1893–1950, siehe Ion Sân-Giorgiu in der rumänischsprachigen Wikipedia
- ↑ 1900–1988, siehe Einar Malm in der schwedischsprachigen Wikipedia
- ↑ 1899–1988, siehe Ernesto Giménez Caballero in der spanischsprachigen Wikipedia
- ↑ 1907–1975, siehe Luis Felipe Vivanco in der spanischsprachigen Wikipedia
- ↑ Noémi Kiss: Wer ist Carl Rothe? kakanien (PDF; 225 kB). 1942 nahm aus Ungarn Lőrinc Szabó teil
- ↑ Dufay, Herbstreise, S. 50
- ↑ Im Rahmen der seit 1938 jeweils im Herbst in Weimar stattfindenden (gross)deutschen Dichtertage wurde am 24. Oktober 1941 auf Betreiben vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda eine "Europäische Schriftsteller-Vereinigung", ESV, als Zusammenschluss deutscher und europäischer Autoren gegründet. Die Vereinigung war als Gegenverband zu dem in London residierenden PEN-Club gedacht und sollte der intellektuellen Gleichschaltung eines, das europäische Festland umspannenden, 'Neu-Europa' unter nationalsozialistischer Führung dienen. Dichter und Schriftsteller wurden als nützliche Multiplikatoren des NS betrachtet. Die Studie stützt sich auf Recherchen in 46 privaten und öffentlichen Archiven und Bibliotheken in elf Ländern und beschreibt die Gründung der ESV, zeichnet die ihr zu Werbezwecken vorgeschaltete Deutschlandrundreise europäischer Schriftsteller vom 5.- 23. (bzw. 27.) Oktober 1941 nach, rekonstruiert den Aufbau und die Zusammensetzung der einzelnen Ländergruppen und stellt die wichtigsten Bücher vor, die von den Mitgliedern der ESV während der Zeit ihrer Zugehörigkeit verfasst und ins Deutsche übertragen wurden. Sie enthält außerdem Informationen zur auswärtigen Kulturpolitik des Nationalsozialismus, zur Reichsschrifttumskammer, zur deutschen Verlags- und Buchhandelsgeschichte sowie zur Literatur- und Übersetzungsgeschichte der teilnehmenden Länder. Eine beigefügte CD-Rom enthält das Erinnerungsalbum, das jedem Teilnehmer der Deutschlandrundreise ausgehändigt wurde.