Weib

Weib ist eine alte Bezeichnung für eine Frau, die in einigen Regionen sprachhistorisch eine allmähliche Bedeutungsverschlechterung erfuhr. Grund war die niedrige gesellschaftliche Stellung und Wertschätzung von Frauen, weshalb auch zahlreiche andere Frauenbezeichnungen (bspw. Magd, Dirne, Mamsell, Fräulein, Frauenzimmer) eine Bedeutungsverschlechterung erfahren haben.

Derzeit gibt es folgende Bedeutungen des Wortes „Weib“:

In den heute noch vorhandenen Bedeutungen spiegeln sich sämtliche Abwertungsaspekte des historischen Prozesses der Bedeutungsverschlechtung wider: Soziale Degradierung, Funktionalisierung, Sexualisierung.[1]

Das Wort „Weib“ wird sowohl historisch[5] als auch in jüngster Zeit[6] immer weniger verwendet.

Beispiel für Bedeutungsverschlechterung von Frauenbezeichnungen

Das deutsche Wort „Weib“ gehört zu einer Vielzahl von Frauenbezeichnungen der deutschen Sprache, bei denen im sprachlichen Wandel eine negative Qualitätsveränderung beobachtbar ist.[7][8] Hierzu zählen auch die Worte Magd, Dirne, Mamsell, Fräulein oder Frauenzimmer.[1]

Eine solche Bedeutungsverschlechterung von Frauenbezeichnungen lässt sich historisch in vielen Sprachen beobachten, wie die historische Linguistik zeigt.[9][10] In der Linguistik dient dies heute allgemein als Paradebeispiel für sprachliche Bedeutungsverschlechterung (Pejoration).[7][8]

Sprachgeschichtliche Untersuchungen zeigen, dass die Bedeutungsverschlechterungen von Frauenbezeichnungen „direkt den historisch geringen Status der Frau, ihre niedrige gesellschaftliche Stellung und Wertschätzung reflektieren“. Wie andere semantische Entwicklungen auch sind diese Bedeutungsverschlechterungen „ein Spiegel kulturhistorischer Realitäten“ und der darin eingelagerten frauenabwertenden Realitäten, Werte und Einstellungsmuster einer Gesellschaft (Misogynie, Sexismus).[1]

In der Sprachwissenschaft wurden drei Pfade der negativen Qualitätsveränderung von Frauenbezeichnungen identifiziert. Sie spiegeln sich alle in den heute noch vorhandenen Bedeutungen des Wortes „Weib“ wider:

  1. Verwendung als Schimpfwort (Pfad: Soziale Degradierung oder Deklassierung)
  2. Verwendung als veraltete ehebezogene Funktionsbezeichnung (Pfad: Funktionalisierung)
  3. Verwendung in der Umgangssprache für ein Objekt sexueller Begierde (Pfad: Sexualisierung)[1]

Das Wort wurde sprachwissenschaftlich teilweise als Indiz für die Hypothese der Euphemismus-Tretmühle gesehen. Dies gilt heute als widerlegt.[8][1]

Begriffsgeschichte

Mittelalter

Im Althochdeutschen (750 – 1050) bezeichnete wîb[11][12] (vgl. altnord. víf, mhd. wîp und englisch wife) eine erwachsene weibliche Person oder Ehefrau.

Die Herkunft des Begriffes im Gotischen und Germanischen ist ungeklärt – möglich ist die Ableitung von vífa bzw. germanisch wîba (= ‚umhüllen‘, entstanden aus indogermanisch ṷeip = ‚drehen‘)[13] und Weib als ‚die mit einem Kopftuch umhüllte, verheiratete Frau‘. Diskutiert wird auch die Deutung aus Wörtern wie weiben (= sich hin und her bewegen, drehen, schwanken, schweben) als ‚die in geschäftiger Bewegung Befindliche‘.[14]

Später schränkt sich der Ausdruck dann auf die (verheiratete) Frau der niederen sozialen Schichten ein, während frouwe (‚Frau‘) überwiegend Vertreterinnen des Geschlechts aus dem Adel, später auch reichen Patrizierinnen vorbehalten war, und einen Gegenpart zum Herr bildet.

Neuzeit

Von Luther bis in das 19. Jahrhundert findet sich das Verhältnis in der Ebene Weib–Mann, so in Mozarts Zauberflöte: „Mann und Weib und Weib und Mann / Reichen an die Gottheit an“. Seit dem Vordringen der höfisch-höflichen Bezeichnung Dame (aus dem Französischen, zu lateinisch domina ‚Hausherrin‘) im Laufe des 19. Jahrhunderts, und dem Wandel der Adelsbezeichnung Frau zum Allgemeinwort, wird „Weib“ oft abwertend (pejorativ) gebraucht („dummes Weib“, „Weiberkram“).

Weitere Aspekte

Das Adjektiv „weibisch“ steht für unmännliches Verhalten.

Das Adjektiv „weiblich“ dient zusammen mit dem Gegenbegriff „männlich“ zur Bezeichnung des biologischen Geschlechts bei Lebewesen – analog dazu die Begriffe Weibchen und Männchen – bei Mozart euphemisierend: „Ein Mädchen oder Weibchen / Wünscht Papageno sich“ (Zauberflöte).

Das Substantiv „Weiblichkeit“ dient als Gegenbegriff zu „Männlichkeit“ zur Beschreibung des sozialen Geschlechterhabitus bei Menschen.[15]

In Dialekten wie etwa dem Bairischen (bayerisch-österr. Dialekte) oder dem Walliserdeutschen und dem Schwäbischen ist die alte Begriffsbedeutung noch vorhanden: Weiberleit (leit ‚Leute‘) noch parallel zu Månerleit, Waibel als Kosename, oder bei der traditionellen „Weiberfastnacht“.

In Wanders Deutsches Sprichwörter-Lexikon (5 Bände) finden sich nahezu 1500 Sprichwörter zu Weib (etwa: Er sieht lieber ein Weib im Hemde als einen Mann im Harnisch). Zählt man die Sprichwörter aus Worten dazu, die mit Weib zusammengesetzt (Weiberarbeite, Weiberrsch, Weiberauge usw.) oder davon abgeleitet sind (Weibel, Weiben), gibt es viele weitere Beispiele.

Siehe auch

Literatur

  • Florence Hervé, Elly Steinmann, Renate Wurm (Hrsg.): Das Weiber-Lexikon. PapyRossa 1994, ISBN 3-89438-047-0.
  • Ute Frevert (1995): „Mann und Weib, und Weib und Mann“. Geschlechter-Differenzen in der Moderne. München.
  • Wanders Deutsches Sprichwörter-Lexikon (Band 5) bietet zum Thema Weib 1484 Sprichwörter. Nicht mitgerechnet sind Wortzusammensetzungen mit Weib (siehe oben).
  • Claudia Honegger(1996): Die Ordnung der Geschlechter. Die Wissenschaft vom Menschen und das Weib 1750–1850. München.

Weblinks

Wiktionary: Weib – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. a b c d e f Damaris Nübling: Von der ‚Jungfrau‘ zur ‚Magd‘, vom ‚Mädchen‘ zur ‚Prostituierten‘: Die Pejorisierung der Frauenbezeichnungen als Zerrspiegel der Kultur und als Effekt männlicher Galanterie? In: Jahrbuch für Germanistische Sprachgeschichte. 2011, S. 344–362.
  2. a b Duden Online: Weib. Abgerufen am 6. September 2017.
  3. Weib. In: Bairisches Wörterbuch. Abgerufen am 5. Januar 2018.
  4. Konrad Kunze: Neue Ansätze zur Erfassung spätmittelalterlicher Sprachvarianz. In: Kurt Ruh, Hans-Jürgen Stahl (Hrsg.): Überlieferungsgeschichtliche Prosaforschung: Beiträge der Würzburger Forschergruppe zur Methode und Auswertung. Tübingen 1985 (= Texte und Textgeschichte. Band 19), S. 157–200; hier: Karte 15.
  5. Google Ngram Viewer: Begriff "Weib" bei Google Books von 1800 - 2008. Abgerufen am 5. Januar 2018.
  6. Google Trends: Google Suche: Interesse am Suchbegriff "Weib" seit 2004. (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 6. September 2017; abgerufen am 5. Januar 2018.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/trends.google.de
  7. a b Gerd Fritz: Historische Semantik. Stuttgart 2006, S. 52.
  8. a b c Damaris Nübling, Antje Dammel, Janet Duke, Renata Szczepaniak: Historische Sprachwissenschaft des Deutschen: Eine Einführung in die Prinzipien des Sprachwandels. 4. Auflage. Tübingen 2013, S. 123.
  9. Eugenio R. Luján: Semantic Change. In: Silvia Luraghi, Vit Bubenik (Hrsg.): The Bloomsbury Companion to Historical Linguistics. New York 2010, S. 296.
  10. Muriel Schulz: The Semantic Derogation of Woman. New York 1975.
  11. WEIB, n. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. Band 28: Weh–Wendunmut – (XIV, 1. Abteilung, Teil 1). S. Hirzel, Leipzig 1955, Sp. 329–375 (woerterbuchnetz.de).
  12. Jörg Mildenberger: Anton Trutmanns 'Arzneibuch', Teil II: Wörterbuch, Würzburg 1997 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen, 56), Band V, S. 2304f.
  13. Friedrich Kluge, Alfred Götze: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 20. Aufl., hrsg. von Walther Mitzka, De Gruyter, Berlin/ New York 1967; Neudruck („21. unveränderte Auflage“) ebenda 1975, ISBN 3-11-005709-3, S. 844 (Weib).
  14. DWDS: Weib
  15. Stefanie Engler (2010): Habitus und sozialer Raum: Zur Nutzung der Konzepte Pierre Bourdieus in der Frauen- und Geschlechterforschung, in: Becker, Ruth/Kortendiek, Beate (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie Methoden Empirie. 3. erw. und durchges. Aufl. Wiesbaden, S. 257–268.