Warren Jeffs

Warren Jeffs auf dem Steckbrief des FBI

Warren Steed Jeffs (* 3. Dezember 1955 in San Francisco, Kalifornien) ist das US-amerikanische Oberhaupt der Fundamentalistischen Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (FLDS). Der Sektenführer bezeichnet sich selbst als Prophet und als „Verkünder von Gottes Willen“. 2005 wurden mehrere Anklagen gegen ihn erhoben; die Behörden werfen ihm Beihilfe zur Vergewaltigung, Verführung einer Minderjährigen und Arrangierung von Hochzeiten vor. Im Mai 2006 listete das FBI ihn unter den zehn meistgesuchten Verbrechern der USA. Am 29. August 2006 wurde er nahe Las Vegas bei einer Verkehrskontrolle gefasst und 2007 wegen Beihilfe zur Vergewaltigung schuldig gesprochen.[1] Das Urteil wurde wegen Formfehlern im Oktober 2010 aufgehoben, Jeffs nach Texas ausgeliefert, wo er im August 2011 in erster Instanz wegen sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen zu lebenslanger Haft verurteilt wurde.[2]

Jeffs’ Rolle in der FLDS

Warren Jeffs’ Vater, der vormalige Prophet und Oberhaupt der Fundamentalistischen Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (FLDS), Rulon Jeffs, ernannte kurz vor seinem Tod am 8. September 2002 seinen Sohn zu seinem Nachfolger.[3]

Eine der ersten Äußerungen Warrens nach dem Tode seines Vaters gilt in der FLDS als besonders bedeutsam: „Ich möchte nicht viel sagen, aber ich möchte doch so viel sagen: Hände weg von den Witwen meines Vaters.“ Dann wandte er sich an die Witwen: „Ihr Frauen werdet so leben, als ob Vater noch lebt, nur im Nebenraum.“ Innerhalb einer Woche heiratete Warren Jeffs mit Ausnahme zweier alle der mehreren dutzend Ehefrauen seines Vaters. In der Folgezeit ehelichte er zahlreiche weitere Frauen.[4]

Als Prophet und Oberhaupt der FLDS verfügt Warren Jeffs über einen erheblichen Einfluss auf die Mitglieder seiner Religionsgemeinschaft. In dieser darf er als Einziger Vermählungen vornehmen, und er ist befugt, für die Frauen die Ehemänner auszuwählen. Wenn ein gutes Einvernehmen zwischen einem FLDS-Mitglied und Jeffs besteht, kann dieser dem Mann auch erlauben, mehrere Frauen zu heiraten. Gleichfalls besitzt er das Recht, Männer dadurch zu bestrafen, dass er deren Frauen und Kinder anderen Männern zuordnet; ebenso gehört es zu Jeffs’ Rechten, die Häuser, die sich fast alle im Eigentum der FLDS befinden, anderen Personen zuzuweisen.[5]

Bis zu einem Gerichtsentscheid in Utah beherrschte Jeffs lange Zeit das Gebiet von Colorado City, Arizona, und Hildale, Utah. Die Städte gehören zum United Effort Plan, UEP, einer Stiftung der FLDS, deren Vermögen auf mehr als 100 Millionen US-$ geschätzt wird. Nach dem Gerichtsbeschluss untersteht die Stiftung weitgehend der Kontrolle der Behörden Utahs.

Im Januar 2004 demonstrierte Jeffs seine immer noch bestehende Macht, als er zwanzig Männer, darunter den Bürgermeister John Lewake, aus Colorado City auswies. Ihre Frauen und Kinder wurden anderen Männern zugewiesen. Nach Jeffs’ Auffassung sollte ein Mann, um Eingang in den Himmel zu erlangen, mindestens drei Frauen haben. Er selbst soll nach Aussagen ehemaliger FLDS-Mitglieder 70 Frauen haben.[6]

Der letzte bekannt gewordene öffentliche Auftritt Jeffs’ fand am 1. Januar 2005 in der Nähe von Eldorado, Texas, statt. Er beabsichtigte, dort einen neuen Tempel, der der künftige Hauptsitz der FLDS werden soll, einzuweihen.

Nach Aussage des Generalstaatsanwalts von Arizona, Terry Godard, hielt sich Jeffs im Juni 2006 wieder in Arizona auf. Dort habe er in einem Wohnwagen, der als Traukapelle genutzt werde, Trauungen vollzogen.[7] Ende August 2006 wurde er nahe Las Vegas bei einer Verkehrskontrolle verhaftet.

Sexualdeliktvorwürfe und die Aufnahme in die FBI-Liste der meistgesuchten Verbrecher

Im Juni 2005 wurde Warren Jeffs angeklagt. Ihm wurden sexuelle Übergriffe auf Minderjährige, eine Verschwörung zur Überlassung Minderjähriger zum Zwecke des Sexualverkehrs und die Vermittlung einer Ehe zwischen einem 16-jährigen Mädchen und einem 28-jährigen, bereits verheirateten Mann vorgeworfen; die Taten soll er im Jahr 2002 begangen haben. Weil Jeffs sich den Anschuldigungen durch die Behörden im Mohave County, Arizona, nicht stellte, ließ ihn der Generalstaatsanwalt von Arizona seit Juli 2005 steckbrieflich suchen und setzte eine Belohnung von 10.000 US-$ für Hinweise, die zur Festnahme Jeffs’ führen würden, aus.

Ende 2005 listete ihn das FBI unter den meistgesuchten Personen auf; nun wurde eine Belohnung von 60.000 US-$ für die Ergreifung ausgesetzt. Kurz danach wurde er auch über die Fernsehsendung „America’s Most Wanted“ gesucht.

Am 28. Oktober 2005 geriet Warren Jeffs’ Bruder Seth Steed Jeffs im Pueblo County, Colorado, in eine Verkehrskontrolle. Die Polizei fand bei diesem Anlass rund 142.000 US-$ Bargeld, einen Wert von 7.000 US-$ auf Debitkarten sowie Tonaufnahmen seines Bruders. Daraufhin wurde Seth Steed Jeffs unter dem Verdacht der Beherbergung eines polizeilich Gesuchten verhaftet.

Während der Gerichtsverhandlung teilte FBI-Agent Andrew Stearns mit, Seth habe ihm gesagt, dass er den Aufenthaltsort seines älteren Bruders Warren nicht kenne und ihn selbst im Fall der Kenntnis nicht verraten werde. Seth wurde am 1. Mai 2006 wegen der Beherbergung eines polizeilich Gesuchten verurteilt.[8]

Am 7. Mai 2006 setzte das FBI Warren Jeffs auf die Liste der zehn meistgesuchten Personen, wo er neben Serienmördern, Drogenhändlern und Osama bin Laden geführt wurde. Das Kopfgeld wurde auf 100.000 US-$ erhöht. Die Fahndungsplakate wiesen darauf hin, dass Jeffs Beziehungen nach Utah, Arizona, Texas, Colorado, South Dakota, in das kanadische British Columbia und das mexikanische Quintana Roo gehabt habe. Zudem warnten die Behörden, dass Warren Jeffs von einer Reihe treu ergebener, bewaffneter Leibwächter begleitet sein dürfte.[9]

Am 27. Mai 2006 wurde die Klage durch Bruce Wisan, einen vom Gericht für die Überprüfung der FLDS-Treuhand bestellten Wirtschaftsprüfer, erweitert. Wisan beschuldigte Jeffs „der Treuhandvermögensschröpfung“ (fleecing trust assets). Gemeinsam mit der FLDS-Leitung wurden auch die ehemaligen Treuhandverwalter Truman Barlow, Leroy Jeffs, James Zitting und William Jessop in dieser Angelegenheit beschuldigt. Wisan sagte: „Wir merken, dass sie Vermögenswerte entwendet haben. Ihre Taten haben der Treuhand geschadet.“[10]

Verhaftung und Prozess

Am 30. August 2006 berichtete die Los Angeles Times, dass der 50 Jahre alte Warren Jeffs bei einer Verkehrskontrolle nahe der Casinostadt in Polizeigewahrsam genommen worden sei. Gegen ihn lagen Haftbefehle in den Staaten Arizona und Utah vor, wo er minderjährige Mädchen mit älteren Männern, die schon verheiratet waren, verkuppelt haben soll. Ein Neffe des Mannes wirft Jeffs in einer Klage vor, er habe ihn und andere Kinder sexuell missbraucht.

Am folgenden Tag stimmte Jeffs bei einer Anhörung vor einem Gericht in Nevada der Auslieferung nach Utah zu, wo er sich wegen der gemeinschaftlichen Vergewaltigung in zwei Fällen vom April 2006 verantworten sollte.[11] Dafür drohte ihm eine Verurteilung zu einer zweimal fünfjährigen Haftstrafe.

Bis zu einer für den 23. April 2007 angesetzten Verhandlung saß Jeffs in der Haftanstalt von Washington County in Utah ein. In dem Prozess ging es um die beiden o. g. Taten sowie die Ehevermittlung zwischen einer 14-Jährigen und ihrem 19-jährigen Vetter im Jahr 2001.[12]

Es wurde vermutet, dass Jeffs die FLDS aus dem Gefängnis heraus führt. Die Staatsanwaltschaft von Utah billigte die Zusammenarbeit mit der Polizei von Hildale nicht, da sie vermutete, etliche der Beamten seien eng mit Jeffs verbunden und würden nicht mit den Justizbehörden kooperieren.[13]

Im September 2007 wurde er von den Geschworenen in Utah der Beihilfe zur Vergewaltigung für schuldig befunden[1] und deshalb zu zweimal konsekutiv jeweils fünf Jahren bis lebenslang, insgesamt also zehn Jahren bis lebenslang, sowie einer Geldstrafe verurteilt.[14] Das Urteil wurde jedoch 2010 wegen Formfehlern bezüglich der Anweisungen an die Jury aufgehoben.[15]

Bevor die Staatsanwaltschaft entscheiden konnte, ob sie ein neues Verfahren einleiten wollte, wurde Jeffs aufgrund eines Haftbefehls aus Texas an diesen Bundesstaat überstellt und in San Angelo wegen sexuellen Missbrauchs einer 15- und einer 12-Jährigen angeklagt. Die beiden Mädchen hatte er vorher in einer spirituellen Zeremonie geheiratet. Die sexuellen Handlungen der nach texanischem Schutzalter nicht einwilligungsfähigen Mädchen hatte er auf Tonbändern aufgenommen, die der Staatsanwaltschaft bei einer Hausdurchsuchung in die Hände fielen.[2] Im August 2011 wurde er zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe, 20 zusätzlichen Jahren Gefängnis und einer Geldbuße verurteilt.[16] Ein weiteres Strafverfahren wegen Bigamie soll folgen; Ermittler aus Kanada prüfen weitere Anklagen, weil unter seinen Frauen auch minderjährige Mitglieder der Kirche aus Kanada waren.[2]

Parallel zu den Strafprozessen wurde eine Vielzahl an Zivilklagen eingereicht, in denen Opfer, deren Familienangehörige und auch Familienmitglieder Jeffs’ Schadensersatz von ihm fordern. Ein Mitglied der Kirche hat eine Zivilklage eingereicht, durch die festgestellt werden soll, dass er, nicht Jeffs, der rechtmäßige Präsident der FLDS sei.[2]

Primärtexte

Schriftliche Dokumente

Ton- und Bilddokumente

Literatur

  • Jon Krakauer: Mord im Auftrag Gottes: eine Reportage über religiösen Fundamentalismus in den USA. 2. Auflage. Piper, München / Zürich 2004, ISBN 3-492-24276-6
    • Original: Under the Banner of Heaven: A Story of Violent Faith. Randomhouse, 2004, ISBN 1-4000-3280-6.[17]

Weblinks

Deutschsprachige Links

Englischsprachige Links

Einzelnachweise

  1. a b Beihilfe zur Vergewaltigung: Mormonen-Prophet schuldig. In: n-tv.de. 25. September 2007, abgerufen am 14. Januar 2022.
  2. a b c d Katy Vine: Non-Prophet. In: Texas Monthly. Oktober 2011, abgerufen am 14. Januar 2022 (englisch).
  3. Timeline: History of Polygamy. In: cbc.ca. 2007, archiviert vom Original am 15. Juni 2013; abgerufen am 15. Januar 2021 (englisch).
  4. Warren Jeffs in der Notable Names Database (englisch); abgerufen am 17. Februar 2021
  5. Wade Goodwyn, Howard Berkes, Amy Walters: Warren Jeffs and the FLDS. In: National Public Radio. 3. Mai 2005, abgerufen am 14. Januar 2022 (englisch).
  6. Timothy Egan: Polygamous Community Defies State Crackdown. In: The New York Times. 25. Oktober 2005, abgerufen am 15. Januar 2022 (englisch).
  7. Arizona: Fugitive Polygamist Has Returned. In: NBCnews.com. 11. Juni 2006, abgerufen am 15. Januar 2022 (englisch).
  8. Polygamist’s Brother Pleads Guilty to Harboring a Fugitive. In: KSL.com. 1. Mai 2006, abgerufen am 15. Januar 2022 (englisch).
  9. Wanted by the FBI: Unlawful Flight to Avoid Prosecution – Sexual Conduct with a Minor, Conspiracy to Commit Sexual Conduct with a Minor Warren Steed Jeffs. In: fbi.gov. Archiviert vom Original am 16. März 2006; abgerufen am 9. August 2014 (englisch).
  10. New Lawsuit Filed Against Warren Jeffs. In: kutv.com. 27. Mai 2006, archiviert vom Original am 26. September 2007; abgerufen am 15. Januar 2022 (englisch).
  11. Francis McCabe: Polygamist Leader: Jeffs bound for Utah. In: Las Vegas Review-Journal. 31. August 2006, archiviert vom Original am 10. Oktober 2012; abgerufen am 12. April 2018 (englisch).
  12. Police academies consider future of officers in polygamist towns. In: kvoa.com. 2007, archiviert vom Original am 27. September 2007; abgerufen am 12. April 2018 (englisch).
  13. Authorities concerned about Jeffs’ ties to border officers. In: Casper Star-Tribune Online. 7. Dezember 2006, archiviert vom Original am 26. August 2017; abgerufen am 15. Januar 2022 (englisch).
  14. Polygamist ‘prophet’ to serve at least 10 years in prison. In: CNN. 20. November 2007, archiviert vom Original am 11. August 2011; abgerufen am 12. April 2018 (englisch).
  15. US-Gericht hebt Urteil gegen Sektenführer auf. In: welt.de. 27. Juli 2010, abgerufen am 15. Januar 2022.
  16. Pädophiler Polygamist muss lebenslang in Haft. In: welt.de. 9. August 2011, abgerufen am 12. April 2018.
  17. Jon Krakauer: Under the Banner of Heaven: A Story of Violent Faith: Excerpt. In: randomhouse.com. Archiviert vom Original am 1. Februar 2013; abgerufen am 14. Januar 2022 (englisch).

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This is a picture of Warren Jeffs, which was taken from his wanted poster on the FBI web site.