Warcino

Warcino
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Warcino (Polen)
Warcino
Basisdaten
Staat:Polen
Woiwodschaft:Pommern
Powiat:Słupsk
Gmina:Kępice
Geographische Lage:54° 13′ N, 16° 51′ O
Einwohner:680 (31. März 2011[1])
Postleitzahl:77-230 Kępice
Telefonvorwahl:(+48) 59
Kfz-Kennzeichen:GSL
Wirtschaft und Verkehr
Straße:DW 208: (Polanów –) WielinBarcino
Eisenbahn:PKP-Strecke 405: Piła–Ustka, Bahnstation: Kępice
Nächster int. Flughafen:Danzig



Warcino [varˈt͡ɕinɔ] (deutsch Varzin) ist ein Dorf im Powiat Słupski (Powiat Stolp) der polnischen Woiwodschaft Pommern. Das Dorf hat ca. 450 Einwohner und ist Teil der Landgemeinde Kępice (Hammermühle).

Geographische Lage

Der Ort liegt in Hinterpommern, etwa 19 Kilometer südöstlich von Sławno (Schlawe) und 43 Kilometer östlich von Koszalin (Köslin).

Geschichte

Gemälde vom Rittergut Varzin (Sammlung Alexander Duncker), um 1860
Schloss Varzin, 2010
(c) Bundesarchiv, Bild 196-01767 / CC-BY-SA 3.0
Luftbild von Varzin, 1933

Der hinterpommersche Ort Varzin (auch: Vartzin) wird in einem Lehnsbrief von 1485 zum ersten Mal urkundlich erwähnt, ist aber – und dafür spricht seine Hufenverfassung – bereits slawischen Ursprungs. Damals war das Dorf im Besitz derer von Zitzewitz. Im Kirchenmatrikel von 1590 werden bei 12½ Hufen 25 Bauern und 1 Kossät genannt. Im Jahr 1628 werden 16½ Hufen und 6 Kossäten versteuert. Nach den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges wurde der größte Teil wieder aufgebaut. 1717 hatte Varzin wieder 15 Bauern und 2 Kossäten, Ende des 18. Jahrhunderts 16 Bauern, und 1813 bestanden nur noch neun Höfe, deren Zahl sich auf sechs im Jahre 1823 verringerte.

Im Gutsbezirk wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts eine Glashütte im Vorwerk Chomnitz (heute polnisch: Chomnica), der Eisenhammer und der Seekaten angelegt. Die Glashütte ging später wieder ein. An der Wipper (Wieprza) wurden die Fuchs- und Kampmühle, im Forst eine Dampfschneidemühle (Sägewerk) errichtet. 1871 entstand der Ausbau Luschken (Łuźki), und 1873 wurde die große Papierfabrik in Betrieb genommen, die von Otto von Bismarck initiiert worden war und sich später unter dem Namen „Varziner Papierfabrik AG“ zum größten Betrieb Hinterpommerns entwickelte.

Erster namentlich nachweisbarer Besitzer von Varzin war Heinrich von Zitzewitz. Durch Vererbung zersplitterte sich der Besitz in den drei Ortschaften Beßwitz, Jannewitz und Varzin. 1692 kam Varzin an den späteren (ab 1723) Oberpräsidenten von Pommern Kaspar Otto von Massow, damals Hofgerichtsrat in Stargard in Pommern.

Kaspar Otto von Massow verkaufte es 1727 an den Grafen Adam Joachim von Podewils. Die spätere Erbtochter Auguste Friederike von Podewils heiratete 1809 den Hauptmann Konstantin Werner von Blumenthal, der es 1844 seinem zweiten Sohn Werner Ewald vermachte. Am 7. Juni 1867 erwarb der damalige preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck Varzin von Werner Ewald von Blumenthal. Varzin blieb bis 1945 im Besitz der Familie von Bismarck.

Am 17. Mai 1939 hatte Varzin 746 Einwohner. Es gehörte damals zum Landkreis Rummelsburg, nachdem es bis 1882 dem Landkreis Schlawe zugehörig war. Über eine Nebenstraße war die Kreisstadt Rummelsburg (heute: Miastko) in 28 Kilometern erreichbar, in etwas geringerer Entfernung lag im Norden die vormalige Kreisstadt Schlawe (Sławno). Bahnstation an der Reichsbahnstrecke Stolp–Zollbrück–Rummelsburg–Neustettin war die sechs Kilometer entfernte Ortschaft Hammermühle (Kępice).

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Varzin im März 1945 von der Roten Armee besetzt. Bald darauf wurde das Dorf zusammen mit ganz Hinterpommern unter polnische Verwaltung gestellt. In Varzin begann nun die Zuwanderung polnischer und ukrainischer Zivilisten aus Gebieten östlich der Curzon-Linie, die im Rahmen der „Westverschiebung Polens“ an die Sowjetunion gefallen waren. Die deutschen Bewohner Varzins wurden in der darauf folgenden Zeit vertrieben.

Bevölkerungsentwicklung

JahrEinwohnerAnmerkungen
1925835darunter 829 Evangelische und drei Katholiken[2]
1933832[3]
1939746[3]

Kirche

Bis 1945

Varzin hatte weder eine eigene Kirche noch einen Friedhof. Das Dorf gehörte vielmehr mit allen zum Gutsbezirk gehörigen Ortschaften zum Kirchspiel Wussow (Osowo). Wussow war Kirchort, das Kirchenpatronat allerdings hatte die Familie von Bismarck auf Varzin inne und war alleine wahlberechtigt, unterstützt lediglich durch das Mitpatronat der Familie von Zitzewitz auf Püstow.

Das Kirchspiel Wussow gehörte bis 1945 zum Kirchenkreis Schlawe in der Kirchenprovinz Pommern der evangelischen Kirche der Altpreußischen Union.

Seit 1945

Heute ist Warcino ein Teil der Parafia (Parochie) der Kreuzkirche in Słupsk (Stolp) der polnischen Kirche Augsburgischen, d. h. lutherischen, Bekenntnisses.

Am 17. August 2012[4] wurde in Warcino die restaurierte und aus Ciecholub (Techlipp) stammende evangelische Fachwerkkirche[5] feierlich eingeweiht. Zwar hat sie noch keine Innenausstattung, doch soll sie ein Ort der Begegnung für Christen verschiedener Konfessionen und Nationen werden. An den Einweihungsfeierlichkeiten beteiligten sich Geistliche der der evangelischen, katholischen und orthodoxen Kirche, unter ihnen Bischof Marcin Hintz von der Diözese Pommern-Großpolen der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen.

Der Einweihungsfeier waren jahrelange zähe Verhandlungen und mühsame Restaurierungsarbeiten vorausgegangen. Auf dem Gelände der Forstschule in Warcino wurden 2011 die Restaurierungsmaßnahmen vorgenommen. Hier fand die Kirche auch ihren neuen Platz.

Schule

Schulgebäude

Bereits im Jahr 1780 wird in Varzin ein Schulmeister genannt. Über ein Schulgebäude mit Grundstück wird erstmals in einem Gesetz vom 30. November 1814 gesprochen. Der Gutsherr war berechtigt, den Schulleiter zu wählen. Mit dem Anstieg der Schülerzahl nach dem Bau der Varziner Papierfabrik war ein Schulneubau erforderlich. Er erfolgte 1924 an der Straße nach Luschken. Er enthielt zwei Klassenräume und zwei Lehrerwohnungen. Im Jahr 1937 wurden 137 Kinder von drei Lehrern unterrichtet.

Lehrer bis 1945

  1. Fett, 1789–1812
  2. Christian Friedrich Probandt, bis 1828
  3. Rattunde, 1828–1846
  4. Karl Heinrich Probandt, 1846–1871
  5. Julius Probandt (Sohn von 4.), 1871–1910

Später waren bis 1945 noch tätig: Hugo Schuck, Emil Störmer, Martha Krause und Traute Zedler.

Die Bismarcks in Varzin

Grabkapelle der Fürstin Bismarck in Varzin

Otto von Bismarck, der sich selbst später gerne als „pommerscher Junker“ bezeichnete, obgleich er aus dem altmärkischen Schönhausen stammte, war gleichwohl seit seiner Kindheit auch mit Hinterpommern verbunden. Als Jugendlicher fuhr er gerne und oft nach Kniephof im Kreis Naugard in Pommern auf das Gut, das sein Vater von einem Vetter geerbt hatte. Hier verbrachte er Freizeit und Ferien, ab 1839 bewirtschaftete er es auch selbst.

Am 12. Februar 1867 erhielt er in Anerkennung seiner Verdienste um den guten Verlauf des Deutschen Krieges von 1866 eine Dotation von 400.000 Talern, die auf Wunsch des Königs in Grund- und Kapitalbesitz anzulegen war. Bismarck kaufte das Gut Varzin mit allen Nebenbesitzungen von Werner Ewald von Blumenthal. Im Jahr 1847 hatte er in Alt Kolziglow Johanna von Puttkamer aus dem nahen Reinfeld geheiratet, und als ihr Vater 1871 verstarb, kam das Gut Reinfeld zum Varziner Besitz.

Nach dem Tode der Fürstin 1894 ordnete Bismarck an, dass seine Gefährtin ihre letzte Ruhe an der Stätte ihres Todes finden sollte, wo das Paar viele Sommer und Winter verlebt hatte. Ein kleines Gartenhaus, das ein Lieblingsplatz der Fürstin war, wurde zu einer einfachen Grabkapelle umgewandelt, und hier wurde der Sarg beigesetzt. Später wurde ihre Leiche nach Friedrichsruh verbracht, wo sie an der Seite ihres Gatten im Bismarck-Mausoleum bestattet ist.

Als Fürst Otto von Bismarck am 30. Juli 1898 starb, fielen die Besitzungen an seinen zweiten Sohn Graf Wilhelm von Bismarck, der damals Oberpräsident von Ostpreußen war. Dieser starb am 30. Mai 1901 in Varzin, seine Gattin Sybille, geborene von Arnim (Tochter von Bismarcks geliebter Schwester Malwine v. Arnim-Kröchlendorff), führte die Wirtschaft bis 1921 und übergab sie ihrem Sohn Graf Nikolaus von Bismarck. Nach dessen Tod am 20. Januar 1940 ging der Varziner Besitz im Wege der Erbfolge auf seinen Sohn Graf Rule von Bismarck über.

Vor der Besetzung von Varzin durch die Rote Armee im März 1945 war Gräfin Sybille von Bismarck nicht geflohen, sondern im Schloss Varzin geblieben.[6] Berichten zufolge vergiftete sie sich bei dem Einrücken der Roten Armee.[6] Sie wurde im März 1945 bei dem Erbbegräbnis der Familie Bismarck auf dem Richtberg bestattet.[6] Kurz zuvor hatte Marion Gräfin Dönhoff, die bereits auf der Flucht war, Sybille von Bismarck besucht, gemeinsam mit ihr noch die besten Weinflaschen aus dem Keller geleert und von dem geplanten Selbstmord sowie dem bereits vorbereiteten Grab erfahren.[7] Das Erbbegräbnis der Familie Bismarck wurde später, nach 1957, durch den polnischen Staat gesprengt und die Särge aufgebrochen.[6]

Der letzte Besitzer von Varzin, Graf Rule von Bismarck, starb am 1. Dezember 1991 in Chile, ohne Nachkommen zu hinterlassen.

In Berlin-Friedenau wurde um 1900 in einem geplanten Bismarck-Viertel eine Varziner Straße nach dem Gut benannt.[8] und auch ein Varziner Platz.

Nach dem Ort wurde in der Kolonialzeit ein Berg in Neuguinea benannt, der Vunakokor (englisch Mount Varzin, ehemaliger Name: Varzinberg).

Persönlichkeiten

Söhne und Töchter des Ortes

  • Werner von Blumenthal-Suckow (1815–1883), Rittergutsbesitzer und Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses sowie des Konstituierenden Reichstags des Norddeutschen Bundes
  • Karl von Senden (1837–1913), Rittergutsbesitzer und Mitglied des Preußischen Herrenhauses
  • Otto Westphal (1869–1939), Staatsbeamter, Ministerialrat

Mit dem Ort verbunden

  • In den Jahren 1910 und 1911 war der spätere Schriftsteller und Lyriker Walter Flex (1887–1917) in Varzin als Hauslehrer des Grafen Nikolaus von Bismarck tätig. Von ihm stammte der Text des bekannten Fahrten- und Wanderliedes „Wildgänse rauschen durch die Nacht“.

Literatur

  • Der Kreis Rummelsburg: Ein Heimatbuch. Hrsg. v. Kreisausschuß des Kreises Rummelsburg im Jahre 1938, neu hrsg. v. Heimatkreisausschuß Rummelsburg, Hamburg, 1979
  • Piotr Pilak: Zarys dziejów pałacu w Warcinie [Abriss der Geschichte des Varziner Schlosses]. Słupsk 2001
  • Ludwig Wilhelm Brüggemann: Ausführliche Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes des Königl. Preußischen Herzogthums Vor- und Hinter-Pommern. Teil II, Band 2: Beschreibung der zu dem Gerichtsbezirk der Königl. Landescollegien in Cößlin gehörigen Hinterpommerschen Kreise. Stettin 1784, S. 810, Nr. 70, und S. 895, Nr. 82.
  • Siegfried Boje: Varzin und Hammermühle Kreis Rummelsburg in Pommern. Überliefertes und Erinnerungen, Braunschweig, 1995
  • Johannes Hinz: Pommern. Wegweiser durch ein unvergessenes Land. Augsburg 1996
  • Die Grabkapelle der Fürstin Bismarck in Varzin. In: Die Gartenlaube. Heft 8, 1895, S. 132 (Volltext [Wikisource]).

Weblinks

Commons: Warcino – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. GUS 2011: Ludność w miejscowościach statystycznych według ekonomicznych grup wieku (polnisch), 31. März 2011, abgerufen am 19. Februar 2018
  2. Gunthard Stübs und Pommersche Forschungsgemeinschaft: Die Gemeinde Varzin im ehemaligen Kreis Rummelsburg in Pommern. (2011).
  3. a b Michael Rademacher: Rummelsburg. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  4. Bericht von Margrit Schlegel in: Die Pommersche Zeitung, Folge 36, 8. September 2012, Seite 3.
  5. Die alte Fachwerkkirche Techlipp, Kreis Rummelsburg. Eine Rettungsaktion.
  6. a b c d Hans-Ulrich Kuchenbäcker (Bearb.): Der Kreis Rummelsburg. Ein Schicksalsbuch. Pommerscher Zentralverband, Lübeck 1985, S. 270.
  7. Interview mit Marion Gräfin Dönhoff: https://www.youtube.com/watch?v=z3Qf1zGNpCU
  8. Varziner Straße. In: Straßennamenlexikon des Luisenstädtischen Bildungsvereins

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Dawna posiadłość Bismarcków, dziś szkoła leśna.
Varzin Grabkapelle Bismarck.jpg
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Nach einer Photographie von Fritz Lindow

, Lizenz: PD-alt-100

Grabkapelle der Fürstin Bismarck in Varzin, Johanna von Puttkamer

Bundesarchiv Bild 196-01767, Varzin.jpg
(c) Bundesarchiv, Bild 196-01767 / CC-BY-SA 3.0
Es folgt die historische Originalbeschreibung, die das Bundesarchiv aus dokumentarischen Gründen übernommen hat. Diese kann allerdings fehlerhaft, tendenziös, überholt oder politisch extrem sein.
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