Warburg-Effekt

Der Warburg-Effekt (nach dem Physiologen Otto Heinrich Warburg) ist die bei vielen Krebszellen beobachtete Veränderung des Glukose-Stoffwechsels, durch den die Zellen ihre Energie hauptsächlich durch Glykolyse mit anschließender Ausscheidung von Laktat (Milchsäuregärung) gewinnen, statt das Endprodukt der Glykolyse wie normale Zellen dem Citratzyklus in den Mitochondrien zuzuführen.[1][2]

Diese Stoffwechsellage zeigen auch gesunde Zellen, wenn Sauerstoff fehlt (sogenannte anaerobe Glykolyse). Die Besonderheit des Warburg-Effektes liegt darin, dass Krebszellen auch bei ausreichender Sauerstoffversorgung dieses Verhalten zeigen, weswegen Warburg dies als aerobe Glykolyse bezeichnete. Diese Art der Energiegewinnung ist sehr ineffizient, weswegen die betroffenen Krebszellen einen erhöhten Glukose-Verbrauch haben. Warum die Krebszellen trotzdem diesen Weg der Energiegewinnung nutzen, ist Gegenstand der aktuellen Krebsforschung. In 70 % der Krebsfälle konnte eine Überexpression Glykolyse-relevanter Enzyme und Membrantransporter nachgewiesen werden.[3]

Die anaerobe Glykolyse ist aber nicht die einzige Laktatquelle. Tumorzellen können auch alternative Stoffwechselwege aktivieren, wie die Synthese aus Glutamin und Alanin.[4] Die Tumorzellen haben zunächst Nachteile durch die Umstellung des Stoffwechsels, da sowohl die anaerobe Glykolyse weniger Energie liefert als auch die Synthese von Milchsäure aus anderen Metaboliten Energie erfordert. Pyruvat, Laktat und einige andere Glykolyse-assoziierete Metaboliten sind chemische Radikalfänger. Viele Tumortherapien, insbesondere ionisierende Strahlen und bestimmte Chemotherapeutika wirken durch Bildung von Radikalen. Tumorzellen mit vielen Radikalfängern lassen sich daher schlechter bekämpfen.[5] Daher ist der Laktatgehalt klinischer Tumoren Gegenstand der Forschung. Durch induzierte Biolumineszenzreaktion kann zum Beispiel an Gewebeproben der Gehalt von Glukose, Laktat und Pyruvat gemessen werden. Ein erhöhter Laktatspiegel in HNO-Tumoren war mit einem erhöhten Risiko der Metastasierung verknüpft.[6]

Otto Warburgs ursprüngliche Hypothese, nach der der Warburg-Effekt die Ursache der Krebsentstehung sei, gilt als überholt.[7]

Literatur

Einzelnachweise

  1. O Warburg, K Posener, E Negelein: Über den Stoffwechsel der Carcinomzelle. In: Biochemische Zeitschrift. Band 152, 1924, S. 309–344.
  2. O Warburg: On the origin of cancer cells. In: Science (New York, N.Y.). Band 123, Nr. 3191, 24. Februar 1956, ISSN 0036-8075, S. 309–314, doi:10.1126/science.123.3191.309, PMID 13298683.
  3. B Altenberg, K O Greulich: Genes of glycolysis are ubiquitously overexpressed in 24 cancer classes. In: Genomics. Band 84, Nr. 6, 2004, ISSN 0888-7543, S. 1014–1020, doi:10.1016/j.ygeno.2004.08.010, PMID 15533718.
  4. Matthew G Vander Heiden, Lewis C Cantley, Craig B Thompson: Understanding the Warburg effect: the metabolic requirements of cell proliferation. In: Science (New York, N.Y.). Band 324, Nr. 5930, 22. Mai 2009, ISSN 1095-9203, doi:10.1126/science.1160809, PMID 19460998, PMC 2849637 (freier Volltext).
  5. Ulrike G A Sattler, Wolfgang Mueller-Klieser: The anti-oxidant capacity of tumour glycolysis. In: International Journal of Radiation Biology. Band 85, Nr. 11, November 2009, ISSN 1362-3095, S. 963–971, doi:10.3109/09553000903258889, PMID 19895273.
  6. David M Brizel, Thies Schroeder, Richard L Scher, Stefan Walenta, Robert W Clough: Elevated tumor lactate concentrations predict for an increased risk of metastases in head-and-neck cancer. In: International Journal of Radiation Oncology*Biology*Physics. Band 51, Nr. 2, 2001, S. 349–353, doi:10.1016/S0360-3016(01)01630-3 (elsevier.com [abgerufen am 18. Mai 2020]).
  7. Robert Allan Weinberg: The biology of cancer. 2. Auflage. Garland Science, New York 2014. S. 53 f.