War Plan Red

Der War Plan Red (Kriegsplan Rot, genauer Joint Army and Navy Basic War Plan Red) war einer der farb-kodierten Kriegspläne, die in den 1920er und frühen 1930er Jahren vom United States War Department entwickelt wurden.

Der War Plan Red diskutierte einen möglichen Krieg gegen Großbritannien und die Commonwealth-Staaten, und entwarf Pläne für die Verteidigung der Atlantikküste gegen eine mögliche britische Invasion. Im War Plan Red-Orange wurde, des Weiteren, ein Zweifrontenkrieg gegen Großbritannien und Japan durchgespielt.

Die Arbeiten am Kriegsplan begannen nach der Genfer Flottenkonferenz von 1927, welche den Washingtoner Vertrag von 1922 weiterentwickeln sollte. Er wurde im Mai 1930 durch den Kriegsminister Patrick J. Hurley genehmigt. In den Jahren 1934 und 1935 wurde der Kriegsplan revidiert.

Beim Kriegsausbruch von 1939 wurde entschieden, dass weitere Planungsarbeiten nicht notwendig seien. Der bereits erarbeitete Plan wurde jedoch beibehalten. Erst 1974 wurde der Kriegsplan von der Geheimhaltung entbunden.

Übersicht

Der Plan ging davon aus, dass zunächst Großbritannien die Oberhand behalten würde, da es auf eine wesentlich schlagkräftigere Flotte zurückgreifen könne. Ebenso ging man davon aus, dass Großbritannien in Kanada eine Basis bilden, und Abwehrgefechte gegen nach Norden marschierende US-Truppen durchführen werde. Der Kriegsplan Rot ging von einem Sieg der Amerikaner aus, indem letztlich Großbritannien mit einer Seeblockade und dem Unterbinden von Nahrungsmittellieferungen zur Aufgabe gedrängt werden könne.

Im Plan wird zunächst die Geografie, die militärische Ressourcen und das Transportnetz Kanadas beschrieben. Darauf folgen verschiedene präemptive Operationen, um im Falle eines Krieges wichtige Häfen und Bahnhöfe zu besetzen, bevor die britischen Streitkräfte Nachschub liefern können.

Armee und Navy

In einem ersten Schlag würde US-Truppen und die US-Marine Halifax besetzen, und Kanada auf die Weise von britischem Nachschub abschneiden.

Armee

Die Bodentruppen besetzen das Gebiet um die Niagarafälle, wo sich wichtige Elektrizitätswerke befinden. Daraufhin folgt eine Invasion auf drei Fronten:

  • von Vermont nach Montreal und Quebec
  • von North Dakota nach Winnipeg, wo sich ein kanadischer Eisenbahnknoten befindet
  • vom Mittleren Westen zu den strategisch wichtigen Nickelminen von Ontario.

Navy

Die US-Flotte wird auf den Großen Seen aktiv, und blockiert letztlich die kanadischen Atlantik- und Pazifik-Häfen.

Operationszonen

Neuschottland und New Brunswick

Halifax wird mit einem Erstschlag, unter Verwendung von Giftgas, eingenommen. Dies verwehrt dem Gegner den Nachschub aus Europa. Der Plan schildert, wie der Angriff über eine Landung in St. Margarets Bay erfolgen könnte, eine damals noch kaum erschlossene Bucht, anstelle den längeren Landweg zu nehmen. Sollte die Einnahme von Halifax scheitern, könnten die US-Truppen New Brunswick einnehmen, und Neuschottland von Kanada abschneiden – durch die Besetzung des Eisenbahnknotens in Moncton.

Quebec und das Tal des Sankt-Lorenz-Stroms

Die Besetzung Montreals und Quebecs unterbindet kanadische Nachschubwege. Der Plan hielt die Straßen vom Norden des Staates New York für ausreichend, um eine Offensive durchzuführen, und beschreibt Quebec als das kritischere Ziel.

Ontario und die Großen Seen

In diesem Gebiet soll Toronto und Kanadas Industriegebiete besetzt werden. Damit sollen auch Luft- und Landangriffe auf das industrielle Herzstück der USA unterbunden werden. Die Großen Seen zu beherrschen galt als notwendig für den Erfolg des Kriegsplanes; denn nur über die Seen konnten die eigenen Truppen in genügendem Umfang versorgt werden.

Winnipeg

Laut Plan sollte es keine Schwierigkeiten geben, von Grand Forks (North Dakota) aus Winnipeg zu erreichen. Winnipeg ist ein kritischer Eisenbahnknoten.

Vancouver und Victoria

Obwohl Vancouver weit genug von Europa entfernt ist und darum für den feindlichen Nachschub von geringer Bedeutung, sollte er trotzdem besetzt werden, weil sie der britischen Flotte eine Basis entzieht. Sowohl Vancouver als auch Vancouver Island können einfach angegriffen werden – Vancouver über den Landweg von Bellingham (Washington), und Vancouver Island von Port Angeles (Washington) aus. Der Haven von Prince Rupert verfügt über eine Eisenbahnverbindung zum restlichen Kanada, jedoch sei eine Seeblockade dieses Hafens einfach, sobald Vancouver eingenommen wurde.

Angriffe auf britische Seetransporte

Aufgrund ausführlicher Planspiele am Naval War College sah man davon ab, den britischen Nachschub und die britische Kriegsflotte auf hoher See anzugreifen. Es sei sinnvoller, im Westatlantik abzuwarten, eine Seeblockade durchzusetzen, und falls dies erfolgreich gelänge, schließlich britische Handelsrouten zu stören.

Kanada erklärt seine Neutralität

Obwohl die Planer beschrieben hatten, dass Kanada wahrscheinlich seine Neutralität erklären würde, ging der Plan nicht darauf ein, wie Kanada in diesem Falle anzugreifen wäre. Jedoch riet der Plan dazu, eine Neutralitätserklärung erst anzunehmen, falls Kanada der Besetzung kanadischer Häfen und strategisch wichtiger Gebiete zustimmt.

Britische Strategie für einen Krieg gegen die USA

Die Royal Navy entwickelte während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nie einen formellen Kriegsplan gegen die USA. Man sah sich gegenseitig als Verbündete, gerade wegen einer gemeinsamen Kultur, einer gemeinsamen Sprache und gemeinsamen Zielen. Man befürchtete jedoch, dass ein Krieg gegen die USA erforderlich sei, falls Großbritannien in seinem Handel mit anderen Ländern eingeschränkt würde.

Die Offiziere der Royal Navy glaubten, es sei möglich, eine Armee (Großverband mit mehreren Armeekorps) nach Kanada zu verschiffen, jedoch sei es unmöglich, Kanada gegen die wesentlich schlagkräftigere USA zu verteidigen. Ebenso wäre der Verlust Kanadas für Großbritannien verkraftbar, und eine Seeblockade gegen die USA könnte nicht rasch genug bewerkstelligt werden. Die Briten sahen ihre Schwachstellen eher bei ihren Handelsrouten, oder eine Seeblockade des Mutterlandes. Die Royal Navy sah vor, im Falle eines Krieges von der Karibik und von Kanada aus die amerikanischen Handelsrouten zu stören. Mit indischen und australischen Kräften würde man auch Manila besetzen, um den britischen Handel in Asien besser zu schützen, und einem eventuellen Angriff auf Hongkong zuvorzukommen.

Weblinks

Literatur

  • John Major: War Plan Red: The American Plan for War with Britain. In: Historian. Band 58, Nr. 1, 1998, Seiten 12–15.
  • Christopher M. Bell: Thinking the Unthinkable: British and American Naval Strategies for an Anglo-American War, 1918–1931. In: The International History Review. Band 19, Nr. 4, 1997, Seiten 789–808.