Walter Severin

Walter Severin (* 26. Januar 1891 in Hagen; † 11. Juli 1960 in Berlin) war ein deutscher Buchhändler und Verleger. In den 1920er-Jahren galt Walter Severin als einer der prominentesten Buchhändler Deutschlands.

Portraitaufnahme von Walter Severin

Leben

Walter Severin entstammte einer Familie, die im 16. Jahrhundert in Bochum ihren Anfang nimmt, sich dann über Hattingen und Essen u. a. auch nach Hagen verbreitete. Seine Eltern waren der Kupferschmiedemeister in Hagen, Friedrich Adolf Bernhard Severin (1858–1926) und Ida, geborene Flottall (1868–1946).

Innenansicht der Bücherstube Walter Severin in Hagen

Severin ging nach seiner Buchhändlerlehre jeweils für zwei Jahre zunächst nach Hamburg zu Weitbrecht & Marissal und anschließend nach München zu Hugendubel. Nach dem Ersten Weltkrieg kehrte Walter Severin nach Hagen zurück und gründete dort am 1. Oktober 1919, sicherlich unter dem Einfluss des Mäzens Karl Ernst Osthaus, seine erste Bücherstube Walter Severin in der Elberfelderstraße 8, in der Rathauspassage im Stadtzentrum von Hagen. In der Folge erschienen von Albert Kranz gestaltete Anzeigen in der lokalen Presse, die auf die Neugründung der Bücherstube W. Severin hinwiesen. Im Zuge der von Horst Stobbe in München begründeten Bücherstubenbewegung standen jetzt auch bei W. Severin die Bücher für Interessierte in den Regalen frei zugänglich. Heute selbstverständlich, damals jedoch eine große Neuheit. Denn bis dahin mussten alle, ähnlich wie in Lebensmittelgeschäften oder Apotheken, an die Theke treten und den Buchhändler bitten, ihnen das Buch, das sie kaufen mochten, zu reichen. Eine weitere und für die damalige Zeit besondere Innovation war der Leseraum. Auch dieser war von Albert Kranz expressionistisch gestaltet. Hier standen Korbstühle, ein Tisch mit einer Skulptur darauf, in den umstehenden Regalen standen die Bücher und es gab Kunstmappen und weitere Kleinskulpturen zum Verkauf. (Abbildungen[1]) Pitt Severin, der Sohn, erinnert sich: „Prominente Autoren der Zeit kamen zu Lesungen, höchst angeregte und anregende Diskussionen über Neuerscheinungen zogen engagierte Leser an, Kunstausstellungen von aussergewöhnlichem Rang erweiterten den Interessentenkreis.“ Und weiter: „Bei meinen Eltern versammelten sich in kleinem Kreise Schriftsteller und Dichter, ich erinnere mich, wenn meist auch nur noch schemenhaft und flüchtig, an Norbert Jacques, Francis Jammes, an Carossa, Hans Franck, Alfred Flechtheim, an Ernst Rowohlt, Jacob Hegener und andere große Verleger, Ernst Fuhrmann, Karl With, etc.“[2] Teile des Briefwechsels werden heute in der Handschriftenabteilung der Dortmunder Stadt- und Landesbibliothek aufbewahrt.[2]

Textanzeige der Bücherstube W. Severin von 1920

In den 1920er-Jahren expandierte Severin und gründete zunächst um 1922 eine weitere Bücherstube in Essen, 1924 eine in Bochum und eine vierte in Triest. 1927 zog die Hagener Filiale innerhalb der Stadt in größere Räume, in das von den Architekten Demuth & Köhler errichtete Haus in der Hohenzollernstraße 3–7.[2]

Walter Severin war mit Käthe, geb. Bernstein (1892–1987), einer Fotografin aus Neustettin verheiratet. Sie war bis 1919 als Fotografin am von Karl Ernst Osthaus gegründeten Museum Folkwang angestellt und auf sie ging auch der Kontakt zu dem wichtigsten Fotografen der Neuen Sachlichkeit in Deutschland, Albert Renger-Patzsch, zurück, der ihr Nachfolger am Folkwang wurde.[2] Mit Käthe hatte er drei Kinder: Den Fotografen und Journalisten Pitt (1920–1997), die Gärtnerin und Gartenarchitektin Renata (Renée) (1923–1997) und den Journalisten, Filmproduzenten, Verleger und Bauunternehmer Jochen Severin (1927–1995).[3] Die Familie lebte in der Künstlersiedlung am Stirnband im Stadtteil Hagen/Eppenhausen im von Mathieu Lauweriks entworfenen Thorn-Prikker-Haus.[2]

Mit der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er-Jahre und dem Ende der Weimarer Republik und aufgrund zunehmender Drangsalierungen der Nationalsozialisten beendete Walter Severin seine Aktivitäten als Bücherstubenbetreiber und die Familie zog nach Berlin. Hier wurde Severin Vertreter für die Verlage Fischer, Herbig und Rowohlt. Durch seine Ehe mit der Jüdin Käthe galt er, nach der nationalsozialistischen Ideologie als "jüdisch versippt" und wurde deshalb nicht zur Reichsschrifttumskammer zugelassen. Er wurde zudem aufgefordert, sich von seiner Frau zu trennen, was er jedoch ablehnte und damit nicht nur diese, sondern auch seine Kinder rettete.[4]

Verlegte Bücher und Künstler-Mappen

  • Fahrtenlieder. Gesammelt und zusammengestellt von Fritz Sotke, (Hrsg.) (2. vermehrte Aufl.); Walter Severin, Hagen 1922
  • Hagen. Ein Haus- und Heimatbuch. Ernst Lorenzen; Walter Severin, Hagen 1922
  • Das Rüpellieder-Buch. Von Landsknechten, Kriegsleuten und wilden Gesellen. Die Rüpel im "Wandervogel", Walter Severin, Hagen 1922
  • Regula Kreuzfeind. Legende. Albrecht Schaeffer; Walter Severin, Essen und Hagen 1923.
  • Totentanz – Nach den Lübecker Drucken von 1463 und 1520, Hans Holtorf; Walter Severin, Hagen 1923
  • Eberhard Viegener: Passion. (Seht welch ein Mensch.) 7 Holzschnitte, ein achter Holzschnitt am Deckblatt. (Gesamtauflage 30 Exemplare, davon 10 handkoloriert) 1921
    Grabstelle auf dem Waldfriedhof Zehlendorf in Berlin (Feld 14)
  • Wolken und Berge. Otto Rodewald, Mappe; 7 Radierungen und eine Original-Zeichnung in Graphit auf China angefertigt. Hagen 1923
  • Die Arbeit. Hermann Kätelhön; Scenen aus dem Bergarbeiterleben in der Grube und vor Ort […]. 3 Folgen mit je 12 bis 14 Radierungen, Holzschnitten und Lithographien

Literatur

  • Rainer Stamm: Bücher: Frei im Geist der neuen Zeit. Die Bücherstube Severin – ein Stück Hagener Kulturgeschichte. In: Dierk Hobein (Hg.), Das Hagener Jahrbuch 1/1996, Hagen 1995, S. 261–266
  • Rainer Stamm: Bücherstube Severin. Anläßlich ihrer Eröffnung vor 75 Jahren. In: Buchhandelsgeschichte, H. 3/1994, S. B 113 – B 116

Weblinks

  • Bücherstube Walter Severin | Hagen. In: Bildindex der Kunst & Architektur. Abgerufen am 18. Februar 2022.
  • a b c d e Zitiert nach: Rainer Stamm: Bücher: Frei im Geist der neuen Zeit. Die Bücherstube Severin – ein Stück Hagener Kulturgeschichte.
  • Walter Severin. In: geni.com. Abgerufen am 18. Februar 2022.
  • Berlinische Galerie Online Sammlung, Werner J. Schweiger, Bücherstube Walter Severin
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    Nur Text einer Anzeige die in ähnlicher Form im Einwohnerbuch für Hagen von 1920 erschien.
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    Autor/Urheber: Käthe Severin (Fotografin und Ehefrau von Walter Severin), Lizenz: CC BY-SA 4.0
    Portraitaufnahme des Buchhändlers Walter Severin aus Hagen in Westfahlen
    Bücherstube Walter Severin in Hagen.jpg
    Autor/Urheber: Käthe Severin (Fotografin und Ehefrau von Walter Severin), Lizenz: CC BY-SA 4.0
    Innenansicht der Bücherstube Walter Severin in Hagen
    Grabstelle von Walter Severin auf dem Waldfriedhof Zehlendorf in Berlin (Feld 14).jpg
    Autor/Urheber: Georg Longino, Lizenz: CC BY-SA 4.0
    Grabstelle von Walter Severin auf dem Waldfriedhof Zehlendorf in Berlin (Feld 14)