Walter Murch

Walter Murch (2008)

Walter Scott Murch (* 12. Juli 1943 in New York City, New York) ist ein US-amerikanischer Filmeditor, Tonmeister, Drehbuchautor und Regisseur.

Bekannt wurde er vor allem durch seine Zusammenarbeit mit den Regisseuren George Lucas, Francis Ford Coppola und Anthony Minghella. Murch ist dreifacher Oscar-Preisträger für seine Arbeit als Tonmeister bei Apocalypse Now sowie als Filmeditor und Tonmeister bei Der englische Patient.

Leben

Walter Murch wurde 1943 als Sohn von Katharine Murch (1908–1969; geborene Scott) und des aus Kanada stammenden Malers Walter Tandy Murch (1907–1967) geboren.[1] Seine Großmutter väterlicherseits war die Musiklehrerin Louise Tandy Murch (1874–1976), deren Leben 1975 im Alter von 99 Jahren im Dokumentarfilm At 99: A Portrait of Louise Tandy Murch behandelt wurde.[2]

Murch studierte von 1961 bis 1965 an der Johns Hopkins University.[3] Von 1963 bis 1964 ging er mit seinem Kommilitonen Matthew Robbins für ein Auslandsjahr nach Europa, wo er romanische Sprachen und Kunstgeschichte in Perugia und an der Sorbonne in Paris studierte.[3] Später erhielt er ein Stipendium für das Graduiertenprogramm der USC, an der er George Lucas kennenlernte.[4] Er ging 1967 von der USC ab und wurde bei Encyclopaedia Britannica Educational Films eingestellt. Danach schnitt er Werbefilme bei Dove Films.[4]

Murch arbeitete bei der Filmproduktionsgesellschaft American Zoetrope als Filmeditor und Mischtonmeister. Dort verantwortete er die Tonmischung bei Francis Ford Coppolas Film Liebe niemals einen Fremden (1969). Zusammen mit George Lucas schrieb er das Drehbuch für dessen ersten Langfilm THX 1138 (1971), das ursprünglich auf einem Treatment von Murch und Matthew Robbins basierte.[5] Murch übernahm auch die Tongestaltung von Lucas′ Coming-of-Age-Film American Graffiti (1973).

Für Coppola arbeitete Murch als Post Production Consultant am Film Der Pate (1972). Danach war Murch für Coppolas nächsten Film Der Dialog (1974) als Sound Editor tätig. Für diese Arbeit erhielt er seine erste Oscar-Nominierung für den Besten Ton. Im gleichen Jahr übernahm er auch die Tonmischung für Coppolas Film Der Pate – Teil II.

Während seiner Tongestaltung für den Film Apocalypse Now (1979) etablierte er für diese Tätigkeit den Begriff „Sound Designer“, da er kein Mitglied der Gewerkschaft war und daher deren Vorgaben für einen Credit als Sound Editor nicht erfüllte.[6] 1980 gewann er für seine Arbeit als Mischtonmeister bei Apocalypse Now seinen ersten Oscar. Für seine Arbeit als Filmeditor dieses Films wurde er ebenfalls für den Oscar nominiert.

1997 gewann Murch zwei weitere Oscars für den Filmschnitt und die Tongestaltung von Anthony Minghellas Der englische Patient. Auf Initiative von Rick Schmidlin schnitt Murch 1998 eine neue Version von Orson Welles′ Film Im Zeichen des Bösen. Der Film war gegen den Willen des Regisseurs 1958 vom Studio drastisch gekürzt und umgeschnitten worden, wogegen Welles in einem 58-seitigen Memorandum protestiert hatte. Auf Basis von Welles Ausführungen schnitt Murch den Film so um, wie er auf Basis des verfügbaren Materials bestmöglich dem Willen des Regisseur entsprechen konnte.[7]

Murch arbeitete mit Francis Ford Coppola an einem Director’s Cut von Apocalypse Now, der 2001 unter dem Titel Apocalypse Now Redux ins Kino kam.

Im Jahre 2003 folgte eine weitere Zusammenarbeit mit Anthony Minghella für dessen Film Unterwegs nach Cold Mountain. Dabei verwendete Murch erstmals die Apple-Software Final Cut Pro zusammen mit Standard-Power-Mac-G4-Rechnern für den Schnitt des Films. Das war zu dieser Zeit äußerst ungewöhnlich, da Avid Marktführer war und keine große Hollywoodproduktion auf einem so vergleichsweise günstigen System geschnitten wurde.[8] Diese Arbeit brachte Murch eine weitere Oscar-Nominierung ein.

Regie führte Murch lediglich bei dem Film Oz – Eine fantastische Welt und der Folge The General der Animationsserie Star Wars: Clone Wars.

Basierend auf dem Transkript eines seiner Vorträge über die Kunst des Filmschnitts aus dem Jahr 1988 im australischen Sydney schrieb Murch das Buch In the Blink of an Eye. A Perspective on Film Editing, das in der deutschen Übersetzung von Ulrich von Berg unter dem Titel Ein Lidschlag, ein Schnitt. Die Kunst der Filmmontage 2004 im Alexander Verlag Berlin erschien.[9] Das Buch wurde in weitere Sprachen übersetzt und gilt als Standardwerk über den Filmschnitt.[10][11] Aus mehreren Gesprächen zwischen Murch und Michael Ondaatje, die beide über den Zeitraum mehrerer Jahre miteinander führten, entstand das Buch The Conversations. Walter Murch and the Art of Editing Film, das in der deutschen Übersetzung Die Kunst des Filmschnitts – Gespräche mit Walter Murch vorliegt.[12] 2012 erschien eine Sammlung von Murchs Übersetzungen von Kurzgeschichten des italienischen Autors Curzio Malaparte unter dem Titel The Bird that Swallowed Its Cage.[13]

2008 wurde er in die Wettbewerbsjury der 58. Filmfestspiele von Berlin berufen.

Murch ist seit 1965 mit Muriel Ann „Aggie“ Murch verheiratet und hat mit ihr vier Kinder.[14] Das Paar lebt seit 1972 im kalifornischen Bolinas im Marin County.[14][15]

Filmografie (Auswahl)

Filmeditor

Ton

Drehbuchautor

Regisseur

Auszeichnungen

Schriften

  • Walter Murch: Ein Lidschlag, ein Schnitt. Die Kunst der Filmmontage. Alexander Verlag, Berlin, 2004, ISBN 3-89581-109-2.
  • Curzio Malaparte, adaptiert und ins Englische übersetzt von Walter Murch: The Bird that Swallowed Its Cage: Selected Works of Curzio Malaparte. Counterpoint, 2012, ISBN 978-1-619-02061-0.

Literatur

  • Charles Koppelman: Behind the Seen – How Walter Murch Edited Cold Mountain Using Apple’s Final Cut Pro and What This Means for Cinema. New Riders Press, 2004, ISBN 978-0-7357-1426-7.
  • Michael Ondaatje: Die Kunst des Filmschnitts – Gespräche mit Walter Murch. Carl Hanser Verlag, München/Wien 2002, ISBN 3-446-20588-8.

Weblinks

Commons: Walter Murch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Walter Tandy Murch papers. In: si.edu, abgerufen am 4. Februar 2023.
  2. At 99: A Portrait of Louise Tandy Murch. In: mubi.com, abgerufen am 4. Februar 2023.
  3. a b Dale Keiger: Walter just knows stuff. In: hub.jhu.edu vom Winter 2017.
  4. a b Michael Ondaatje: Die Kunst des Filmschnitts – Gespräche mit Walter Murch. Carl Hanser Verlag, München/Wien 2002, ISBN 3-446-20588-8, S. 12.
  5. Marcus Hearn: Das Kino des George Lucas. Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2005, ISBN 978-3-89602-644-6, S. 22.
  6. Michael Ondaatje: Die Kunst des Filmschnitts – Gespräche mit Walter Murch. Carl Hanser Verlag, München/Wien 2002, ISBN 3-446-20588-8, S. 53.
  7. Michael Ondaatje: Die Kunst des Filmschnitts – Gespräche mit Walter Murch. Carl Hanser Verlag, München/Wien 2002, ISBN 3-446-20588-8, S. 181 ff.
  8. Charles Koppelman: Behind the Seen – How Walter Murch Edited Cold Mountain Using Apple’s Final Cut Pro and What This Means for Cinema. New Riders, Indianapolis, Ind., 2004, ISBN 978-0-7357-1426-7.
  9. Ein Lidschlag, ein Schnitt. In: alexander-verlag.com, abgerufen am 4. Februar 2023.
  10. Ariston Anderson: Locarno: Oscar Winner Walter Murch Pays Tribute to ‘A Conversation’. In: hollywoodreporter.com vom 14. August 2015.
  11. Nick Newman: Walter Murch Talks the Subtleties of Editing Systems, the Myth of Shot Length, and Visual Sensitivity. In: thefilmstage.com vom 18. November 2015.
  12. Rezensionsnotizen zu Walter Murch bei Perlentaucher, abgerufen am 4. Februar 2023.
  13. The Bird that Swallowed Its Cage. In: kirkusreviews.com vom 10. September 2012.
  14. a b Walter and Aggie Murch. In: tns.commonweal.org, abgerufen am 4. Februar 2023.
  15. Paul Liberatore: Tribute showcases pioneering work in films of Bolinas’ Murch. In: marinij.com vom 11. November 2009.
  16. The 52nd Academy Awards 1980. In: oscars.org, abgerufen am 4. Februar 2023.
  17. a b The 69th Academy Awards 1997. In: oscars.org, abgerufen am 4. Februar 2023.
  18. Vision Award Ticinomoda. In: locarnofestival.ch, abgerufen am 5. Februar 2023.
  19. Competition Winners. In: soundtrackcologne.de, abgerufen am 5. Februar 2023.

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Autor/Urheber: Beatrice Murch, Lizenz: CC BY 2.0
Portrait of Walter Murch at work on Tetro in Buenos Aires, Argentina