Wald- und Torfbrände in Russland 2010
Die großflächigen Wald- und Torfbrände in Russland im Juli und August 2010 forderten laut offiziellen Angaben mindestens 50 Tote, wobei Hilfsorganisationen von mehr Opfern ausgehen. Allein in Moskau starben infolge der Hitze und der Brände nach Angaben von Wissenschaftlern im Juli und August 10.900 Menschen mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.[1] Am 22. August stufte die russische Regierung den Alarm zurück, so dass Ende August nur noch eine von vorher sieben Regionen als gefährdet galt.
Verlauf
Insgesamt brannten auf einer Fläche von bis zu 188.500 Hektar[2] zwischen Karelien, Woronesch und der Region südöstlich von Moskau geschätzte 700 Feuer.[3]
Präsident Medwedew verhängte deshalb über sieben Regionen den Notstand.[4] Über die Zahlen der Verletzten und jener, die durch das Feuer obdachlos wurden, kann nur spekuliert werden. Es waren zeitweise über 240.000 zivile Rettungskräfte und über 2.000 Armee-Angehörige sowie 54 Löschflugzeuge im Einsatz. Durch die Waldbrände war zwischenzeitlich auch ein Atomforschungszentrum bei der Stadt Sarow ca. 400 km südöstlich von Moskau bedroht.[5][6] Des Weiteren wüteten große Torffeuer in den Moorlandschaften um Moskau, was die Lage zusätzlich verschärft hatte. In weiten Teilen Russlands herrschte von Ende Juni bis Mitte August 2010 die größte Hitze seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor 130 Jahren. So wurden am 2. August in der Stadt Woronesch 44 Grad Celsius gemessen.[7] Die schnelle Ausbreitung der Brände wurde durch den vertrockneten torfigen Untergrund begünstigt.[8] Anfang August war Rjasan am stärksten betroffen, doch am 9. August wurden im Autonomen Kreis der Chanten und Mansen 75 Brände registriert, womit es weit vor Rjasan (38) und Moskau (28) lag.[9] Die Auswertung von Bildern der NASA-Satelliten Aqua und Terra ergaben eine Reduzierung von 564 auf 442 Brände am 9. August 2010.[10] Am 14. August 2010 wurden noch 368 Wald- und Torfbrände in Russland registriert.[11]
Mängel bei Katastrophenschutz und Forstaufsicht
Unter der Präsidentschaft Wladimir Putins wurde der Schutz der riesigen russischen Forste dezentralisiert und für wirtschaftliche Zwecke gelockert. 2007 wurde die Forstaufsicht privatisiert und dazu zuvor unter anderem 70.000 Waldhüter aus Rationalisierungsgründen entlassen.[12] Nach Angaben des WWF sind ab 2007 auch Überwachungsflüge und der Einsatz von sogenannten „Feuerspringern“, die Brände bereits im Frühstadium bekämpfen sollen, kontinuierlich zurückgegangen.[13]
Die Torfbrände hängen laut WWF auch damit zusammen, dass vor allem im europäischen Teil Russlands in großem Ausmaß Sümpfe trockengelegt wurden, um Torf abzubauen und ihn als Brennstoff zu nutzen oder als Rohmaterial für den Gartenbedarf nach Mitteleuropa auszuführen.[13]
Gefahr durch giftige Stoffe
Durch die Brände kam es in Teilen Russlands zu einer gesundheitsschädlich hohen Konzentration von Kohlendioxid und Kohlenmonoxid.[14] In der Hauptstadt Moskau breitete sich Anfang August der Rauch so weit aus, dass die Bewohner davor gewarnt wurden, ihre Häuser zu verlassen. Der Rauch erlaubte teilweise nur noch eine Sichtweite bis 50 Meter und drang bis in die U-Bahnschächte vor. Ausländisches Botschaftspersonal wurde zum Teil evakuiert, und die Regierungen (darunter auch das deutsche Auswärtige Amt) erließen Reisewarnungen nach Russland. Der Flugverkehr war unter anderem an den drei internationalen Moskauer Flughäfen wegen der schlechten Sicht massiv beeinträchtigt.[15]
Das Katastrophenschutzministerium in Moskau warnte zudem davor, dass die Brände auf die Oblast Brjansk, insbesondere im Süden auf die Region Nowosybkow, übergehen könnten. Die Region wurde bei der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl im April 1986 schwer verstrahlt. Durch Feuer hätten hier im schlimmsten Fall erneut radioaktive Stoffe freigesetzt werden können. Katastrophenschutzminister Sergei Schoigu warnte, radioaktive Partikel (Radionuklide) könnten mit dem Rauch emporsteigen und weitere Gebiete durch nuklearen Niederschlag verstrahlen.[16] Ähnliches galt auch für die im Südural gelegene kerntechnische Anlage Majak, der sich die Waldbrände gefährlich genähert hatten.[17] Am 8. August ordnete Katastrophenschutzminister Sergei Schoigu die verstärkte Brandbekämpfung in der Nähe des Forschungszentrums Sneschinsk (dort werden Atomwaffen geplant und gewartet), etwa 80 Kilometer nördlich von Tscheljabinsk im Ural, an.[18]
Wirtschaftliche Auswirkungen
Russland zählt mit einem Exportumfang von rund 22 Mio. Tonnen zu den weltgrößten Getreide-Exporteuren. Aufgrund der durch die anhaltenden Brände verursachten Getreidevernichtung, weiteren Ernteausfällen und Preisspekulationen stiegen die Weltmarktpreise für Getreide, insbesondere Weizen, ab Juli 2010 rasant an. Am 5. August verkündete die russische Regierung, dass in Russland ab dem 15. August ein Exportverbot für Getreide gelte,[19] das erst am 1. Juli des Folgejahres wieder aufgehoben wurde. Durch die Brände fiel die Getreideernte 2010 rund 30 Prozent niedriger aus. Die Preise für Weizen und Brot stiegen um 20 Prozent und erreichten erst im Frühjahr 2011 wieder Normalwerte.[20]
Auch Industrieunternehmen, darunter auch die Automobilindustrie (u. a. AwtoWAS, Volkswagen in Kaluga) waren hiervon betroffen und mussten die Produktion einschränken oder einstellen.
Globale Wetterlage als Ursache
Die extreme Hitzewelle über Russland, die Überschwemmungskatastrophe in Pakistan sowie die Überschwemmungen im Dreiländereck Deutschland/Polen/Tschechien waren über eine Omegalage genannte Wetterlage ursächlich miteinander verbunden. Ein seit Wochen stabiles Hochdruckgebiet über Russland zog warme Luft aus dem Süden an. In den westlich und östlich davon liegenden Tiefdruckgebieten waren stabile Schlechtwetterlagen mit ungewöhnlich hohen Niederschlägen angesiedelt.[21]
Siehe auch
- Awialessoochrana, die russische Feuerwehrspezialeinheit
- Hitzewelle und Waldbrände in Sibirien 2021
- Folgen der globalen Erwärmung
Weblinks
- Medwedjew verhängt Notstand wegen Bränden ( vom 5. August 2010 im Internet Archive), tagesschau.de vom 3. Aug. 2010
- Russische Industrie von Feuer bedroht, FAZ vom 2. August 2010
- Karte mit aktuellen Brandherden
- Laug, Christoph: „Die Waldbrände in Russland – ein Überblick“ in Russlandanalysen Nr. 206 (PDF; 1,4 MB)
Einzelnachweise
- ↑ Barriopedro et al.: The Hot Summer of 2010: Redrawing the Temperature Record Map of Europe [1] (PDF; 6,7 MB) Abgerufen am 30. Juli 2012.
- ↑ Waldbrände in Russland: Bisher mindestens 50 Tote, Die Presse, 5. August 2010. Abgerufen am 5. August 2010.
- ↑ Fire Information for Resource Management System: Erfasste Feuer (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im November 2018. Suche in Webarchiven) in der Region des süd-westlichen Russlands im Zeitraum Juli – August (interaktive Karte).
- ↑ lenta.ru.
- ↑ online-presseportal.com, Datum.
- ↑ Brände bedrohen Atomzentrum, In: Kölner RS 3. August 2010.
- ↑ Medwedew verhängt Notstand wegen Bränden ( vom 5. August 2010 im Internet Archive), tagesschau.de, 3. August 2010.
- ↑ Tagesschau: Torf nährt die verheerenden Flammen ( vom 13. August 2010 auf WebCite), 4. August 2010.
- ↑ Zahl der Waldbrände in Russland zurückgegangen, Rianovosti, 9. August 2010.
- ↑ http://www.waldportal.org/aktuell/news/news.taiga.20100809/.
- ↑ https://web.archive.org/web/20100817184412/http://de.rian.ru/environment_disaster/20100814/257104756.html
- ↑ Russland brennt: Wirtschaftsblatt.at: Flammeninferno endgültig außer Kontrolle ( vom 6. August 2010 im Internet Archive), 5. August 2010.
- ↑ a b WWF: mangelhaftes Forstmanagement verschärft russisches Waldbrandinferno ( vom 22. Dezember 2015 im Internet Archive), DailyNet Service, 4. August 2010.
- ↑ Russland.ru: Russland ächzt unter Hitzerekord und Feuer ( vom 18. Juli 2012 im Webarchiv archive.today), 5. August 2010.
- ↑ 300 neue Brände in 24 Stunden auf ORF vom 8. August 2010, abgerufen am 8. August 2010.
- ↑ Tagesschau: Feuer in Russland nähern sich radioaktiv verseuchten Gebieten ( vom 7. August 2010 im Internet Archive), 6. August 2010.
- ↑ Handelsblatt 9. August 2010: Flammen bedrohen Atomanlage Majak.
- ↑ Zeit.de 9. August 2010: Russland verhängt Notstand um Atomanlage.
- ↑ Russland stoppt den Getreideexport, Die Presse, 5. August 2010. Abgerufen am 5. August 2010.
- ↑ Stimme Russlands: Kein Grund, das Embargo fortzusetzen, Meldung vom 30. Mai 2011. Abgerufen am 30. Mai 2011.
- ↑ SF Tagesschau 8. August 2010: Brände und Überschwemmungen: Wetter-Extreme hängen zusammen ( des vom 2. Mai 2011 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. .
Auf dieser Seite verwendete Medien
Autor/Urheber: Schlurcher , Lizenz: CC BY 4.0
Rauch bedingt durch die Wald- und Torfbrände am Flughafen in Moskau (Flughafen Moskau-Domodedowo) am 6. August 2010
(c) RIA Novosti archive, image #736941 / Mikhail Mironov / CC-BY-SA 3.0
“Firemen smother fire in Orekhovo-Zuyevo, Moscow region”. Firemen of Ministry of Emergencies smothering wildfire approaching Ostrovo village of Orekhovo-Zuyevo district, Moscow region.
Omegalage 2010 als ursächliche Verbindung der Überschwemmungen in Pakistan und Mitteleuropa sowie der Wald- und Torfbrände in Russland.
Autor/Urheber: Arno Lagrange ✉, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Régions touchées par les incendies au 31 juillet 2010 et déclarées sinistrées le 3 août
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Intense fires continued to rage in western Russia on August 4, 2010. Burning in dry peat bogs and forests, the fires produced a dense plume of smoke that reached across hundreds of kilometers. The Moderate Resolution Imaging Spectroradiometer (MODIS) captured this view of the fires and smoke in three consecutive overpasses on NASA’s Terra satellite. The smooth gray-brown smoke hangs over the Russian landscape, completely obscuring the ground in places. The top image provides a close view of the fires immediately southeast of Moscow, while the lower image shows the full extent of the smoke plume.
The fires along the southern edge of the smoke plume near the city of Razan, top image, are among the most intense. Outlined in red, a line of intense fires is generating a wall of smoke. The easternmost fire in the image is extreme enough that it produced a pyrocumulus cloud, a dense towering cloud formed when intense heat from a fire pushes air high into the atmosphere.
The lower image shows the full extent of the smoke plume, spanning about 3,000 kilometers (1,860 miles) from east to west. If the smoke were in the United States, it would extend approximately from San Francisco to Chicago. The MODIS sensor acquired the right section of the image starting at 5:55 UTC (10:55 a.m. local time, 8:55 a.m. in Moscow). The center section is from the overpass starting at 7:35 UTC (11:35 local time, 10:35 in Moscow), and the westernmost section was taken at 9:10 UTC (12:10 p.m. local time in Moscow).
Early analyses of data from the Multi-angle Imaging Spectroradiometer (MISR), another instrument on the Terra satellite, indicates that smoke from previous days has at times reached 12 kilometers (six miles) above Earth’s surface into the stratosphere. At such heights, smoke is able to travel long distances to affect air quality far away. This may be one reason that the smoke covers such a large area. The pyrocumulus cloud and the detection of smoke in the stratosphere are good indicators that the fires are large and extremely intense.
According to news reports, 520 fires were burning in western Russia on August 4. MODIS detected far fewer. It is likely that the remaining fires were hidden from the satellite’s view by the thick smoke and scattered clouds. High temperatures and severe drought dried vegetation throughout central Russia, creating hazardous fire conditions in July.
As of August 4, 48 people had died in the fires and more than 2,000 had lost their homes throughout central Russia, said news reports. The dense smoke also created hazardous air quality over a broad region. Visibility in Moscow dropped to 20 meters (0.01 miles) on August 4, and health officials warned that everyone, including healthy people, needed to take preventative measures such as staying indoors or wearing a mask outdoors, reported the Wall Street Journal. In the image, Moscow is hidden under a pall of smoke. Close to the fires, smoke poses a health risk because it contains small particles (soot) and hazardous gases that can irritate the eyes and respiratory system. Smoke also contains chemicals that lead to ozone production farther away from the fires.Autor/Urheber: Акутагава, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Moskau, Yasenevo, Aivazovskogo-Straße, die linke Bildhälfte wurde am 17. Juni 2010 aufgenommen, rechts am 7. August