Wärmebildgerät (Militär)

US-amerikanischer Film (1974) über Nachtsichtgeräte, ab Minute 14 ist ein tragbares Wärmebildgerät dargestellt
Blick aus dem EMES 15 mit Wärmebildgerät aus der Optik eines Leopard 2
Richtschützenplatz auf dem Kampfpanzer Leopard 1 mit Zieloptiken
Richtschützenplatz auf dem Kampfpanzer Leopard 2 mit Zieloptiken

Wärmebildgeräte (WBG) sind optische beziehungsweise optoelektronische Nachtsichtgeräte mit Wärmebildkamera.

Sie kommen unter anderem in Panzern zum Einsatz und befähigen ein Gefechtsfahrzeug zum Nachtkampf.

Ein WBG ist ein passives Nachtsichtgerät, welches sich von einem aktiven Nachtsichtgerät dadurch unterscheidet, dass es keinen Infrarotscheinwerfer benötigt.

Geschichte

Die Fähigkeit zum Nachtkampf sowie der Kampf bei schlechter Sicht werden vom Militär gewünscht. Die Umgebung bei Dunkelheit wahrzunehmen ohne selbst gesehen zu werden ersetzt die Gefechtsfeldbeleuchtung. Die Nachtkampffähigkeit ist ein militärischer Vorteil.

Zur Zeit des Kalten Krieges herrschte einige Zeit ein Technologievorsprung auf Seiten der NATO gegenüber den Warschauer Vertragsstaaten. Während man im Osten noch Restlichtverstärker mit Bildverstärkerröhren verwendete, wurden im Westen erste aufwendige passive Wärmebildgeräte eingesetzt, um auch bei völliger Dunkelheit Ziele aufklären und bekämpfen zu können.

1971 waren die ersten Wärmebildgeräte des Militärs serienreif. Doch bis zu Anfang der 1980er Jahre war auch das Heer der NATO noch überwiegend mit aktiven Nachtsichtgeräten wie periskopischen IR-Zielfernrohren ausgestattet, die im Nah-Infrarot von 0,76 bis 1,20 Mikrometern arbeiteten. Der Leopard 1 hatte einen Schießscheinwerfer mit einer Xenon-Lampe, der sich von Weißlicht auf Infrarot umschalten ließ. Die Infrarotstrahlung ist zwar für das menschliche Auge unsichtbar, nicht aber für die Nachtsichtgeräte des Gegners.

Auf sowjetischer Seite fand lange Zeit das Nachtzielfernrohr TPN-1 Verwendung. Mit einem Infrarotscheinwerfer wurden auch hier Ziele angestrahlt, um sie dann bekämpfen zu können. Nachteil der IR-Zielscheinwerfer war neben der leichten Aufklärbarkeit auch der unzureichende Splitterschutz.

Bei der Panzergrenadiertruppe der Bundeswehr wurden am Anfang der Entwicklung zunächst nur die Zugführungspanzer mit WBG ausgestattet. Durch das WBG erfuhr der Schützenpanzer „Marder“ eine erhebliche Kampfwertsteigerung[1].

Mittlerweile gibt es gekühlte und ungekühlte Wärmebildkameras. Ungekühlte Geräte arbeiten mit Bolometer-Arrays. Gekühlte Wärmebildgeräte können kleinere Temperaturunterschiede auflösen, sind jedoch teurer, schwerer und nicht sofort betriebsbereit.

Technik

Wärmebildgeräte arbeiten wie die Thermografie und besitzen eine Wärmebildkamera. WBG registrieren die Wärmestrahlung im mittleren Infrarot[2], d. h. in einem Bereich von 3 bis 14 Mikrometern Wellenlänge. Ein WBG vermag daher im Gegensatz zu Restlichtverstärkern und Infrarot-Sichtgeräten auch bei vollkommener Dunkelheit und ohne Beleuchtung (d. h. passiv) Temperaturunterschiede in ein Thermobild umzuwandeln. Wärmebildgeräte geben die Wärmesignatur von Personen und Fahrzeugen bei Nacht und schlechter Sicht (Nebel, Rauchentwicklung während eines Gefechtes) wieder.

Die Funktionsweise eines WBG ist an Temperaturunterschiede gebunden. Die Bilder werden in Falschfarben oder Graustufen wiedergegeben. Sonnenreflexionen, Brände auf dem Gefechtsfeld[3] oder Schneefall können dies stark beeinträchtigen.

Glas ist im Mittleren Infrarot undurchsichtig, weshalb beispielsweise Personen hinter einer Frontscheibe nicht wahrgenommen werden können.

Auch bei Tageslicht liefert das WBG häufig zusätzliche Informationen und bleibt daher oft eingeschaltet.

Typen/Modelle

WBG-X

Seit dem Jahr 1971 wurde an dem hochauflösenden WBG-X bei Zeiss-Eltro Optronic gearbeitet; 1979 wurden hingegen die "Common Modules"-Detektoren verwendet.[4] Die "Common Modules" von Texas Instruments wurden durch Zeiss lizenziert.[5] Die Quecksilber-Cadmium-Tellurid-Technologie der "Common Modules"-Detektoren stammt hingegen von AEG-Telefunken.[6][7] Im Jahr 1980 begann durch Zeiss-Eltro Optronic (später aufgegangen in Hensoldt) die Serienproduktion des WBG-X[8].

Bei der Bundeswehr kam das WBG-X auf verschiedenen Arten zum Einsatz:

Es wurden über 10.000 Stück WBG-X gebaut.[11] Das Modell wurde ab dem Jahr 2000 durch modernere Geräte[12] wie Ophelios und Attica abgelöst und seit 2015 nicht mehr produziert.

Das WBG-X arbeitet bei Wellenlängen von 8 bis 14 Mikrometern und empfängt die Wärmestrahlung der Objekte. Es benötigt somit wie alle Wärmebildkameras keinerlei Beleuchtung.

In Panzern verbaute Wärmebildgeräte sind zumeist Wärmebildzielfernrohre, die gleichzeitig mit der Feuerleitanlage der Bordkanone verbunden sind und von Kommandanten und Richtschützen unabhängig voneinander bedient werden können.

Nach dem Einschalten ist das WBG-X erst nach zehn Minuten betriebsbereit, weil zunächst der Bildsensor auf eine Betriebstemperatur von −196 °C heruntergekühlt werden muss. Das WBG-X verwendet annähernd das gleiche Strichbild wie die Zieloptik im Tagbetrieb (z. B. EMES PERI-R17). Zu Beginn des Anrichtens verwenden Richtschützen oder Kommandanten in der Regel die 12-fache Vergrößerung, die anschließend für das weiträumige Beobachten des Gefechtsfeldes auf die 4-fache umgeschaltet wird. Die maximale Aufklärungsreichweite beträgt etwa 3 Kilometer.

Die Hell-Dunkel-Polarität der Anzeige kann je nach Gegebenheiten der Beobachtungsumgebung angepasst werden. Das Bild des WBG wird über einen optischen Kanal einer Okularbaugruppe in das Sichtfeld des Tagkanals eingeblendet, um Beobachtung und Feuerführung wie unter Tagbedingungen zu erreichen. Es kann mit einem Hebel zwischen Tag- und Wärmebildkanal umgeschaltet werden.[13]

Das modular aufgebaute Zeiss WBX-X ist optisch verbunden mit dem Kommandanten-Rundblickperiskop Zeiss PERI R17. Es kann zwischen einem großen Sichtfeld und einem Ausschnitt für eindeutige Zielerkennung und Identifizierung gewechselt werden[14].

Das WBG-X besaß eine Leistungsaufnahme von 180 Watt, hatte eine Arbeitstemperatur von −35 bis +63 °C und wog mit der Masse seines Grundgerätes etwa 18 Kilogramm[15].

Das Einschalten des WBG gehört zur Herstellung der Gefechtsbereitschaft im Panzer.[16]

Die Aufklärungsreichweite des WBG reicht weiter als die Einsatzschussweite der Bordwaffen. Schützen, die sich in 1500 Metern befinden, lassen sich auch bei schneller Drehbewegung des Turms meist gut erkennen. Bis zu einem gewissen Grad lassen sich auch Wärmesignaturen hinter leichter Deckung aufklären. Die Identifikation von Schützen gelingt hingegen meist nur mit der Tagesoptik.

Gefechtsfeldbeobachtung aus einer Stellung gehört zu den Hauptaufgaben des WBG. Die Tagessichtoptik hingegen kommt eher zur Zielidentifikation oder bei Zielen ohne Wärmesignatur zum Einsatz.

Literatur

  • Harry Schlemmer: Eine unsichtbare Welt sehen – Die Geschichte der Wärmebildtechnik. ISBN 978-3-8132-0979-2.
  • James A. Ratches: Current and Future Trends in Military Night Vision Applications. Journal Ferroelectrics. Volume 342 – Issue 1. 2006.

Weblinks

Commons: Thermografie – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Wärmebildgerät – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Hans-Peter Lohmann, Rolf Hilmes: Schützenpanzer Marder. Die technische Dokumentation des Waffensystems. Motorbuch Verlag, Stuttgart 2011, S. 100. ISBN 978-3-613-03295-8.
  2. Technik Wärmebildgeräte
  3. Technik Wärmebildgeräte
  4. Verteidigungssysteme, Zeiss
  5. Michael Jerchel: "Leopard 2 Main Battle Tank 1979–98", Verlag Osprey Publishing, 2012 ISBN 9781782006954, S. 16 [1]
  6. W. Cabanski, J. Ziegler: HgCdTe technology in Germany: the past, the present, and the future, SPIE, 7. Mai 2009,
  7. Über 40 Jahre High-Tech aus Heilbronn, AIM Infrarot-Module
  8. Innovation at HENSOLDT. Thermal imaging technology, Hensoldt
  9. Firmeninformation Zeiss Optronik: „Common-Modules-Wärmebildgeräte“, 2003 archiviert: [2]
  10. Hans-Peter Lohmann: Spähpanzer Luchs: Die technische Dokumentation des Waffensystems. Motorbuch Verlag, Stuttgart 2010, S. 104. ISBN 978-3-613-03162-3.
  11. Although the inceptive heat-seeking device, the Donau, dates back to 1944, large-scale production commences much later. 10,000+ WBG-X thermal imagers designed for Leopard 1, Leopard 2, Marder and Luchs armoured vehicles are produced pursuant to the common module principle. Katalog der Fa. Hensoldt. 2014
  12. Airbus DS Optronics offers state-of-the-art retrofit gunner sights for armoured vehicles. Fa. Hensoldt
  13. Die Feuerleitanlage des Kampfpanzers Leopard 2
  14. Zeiss Wärmebildgeräte sehen, erkennen, zielen bei Nacht und bei schlechtem Wetter. Anzeige der Firma Zeiss. Herbert Wanner: Modernes Rüstungsmaterial: Notwendiges und Wünschbares auch für unsere Armee. Schweizer Soldat + FHD : unabhängige Monatszeitschrift für Armee und Kader. Band (Jahr): 57 (1982)
  15. Hans-Peter Lohmann, Rolf Hilmes: Schützenpanzer Marder. Die technische Dokumentation des Waffensystems. Motorbuch Verlag, Stuttgart 2011, S. 101. ISBN 978-3-613-03295-8.
  16. TDv 1005/049-12 SPz Schützenpanzer Panzer Marder 1

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Richtschützenplatz im Leopard 2A4
Night vision.ogv
Film about the development of military night vision technology. National Archives - Uncatalogued Footage. National Security Council. Central Intelligence Agency. DVD Copied by IASL Scanner Katie Filbert. - LI 263.2338
Leopard 2a4 EMES 15 thermal image.jpg
Autor/Urheber: Der ursprünglich hochladende Benutzer war Proximax in der Wikipedia auf Englisch, Lizenz: CC BY-SA 3.0
  • Description = Leopard 2a4 EMES 15 thermal image, 4x magnification
  • Author = I took the picture myself
  • Date = 14.1.2006
  • Copyright = Teemu Korhonen (Proximax, view profile to confirm identity. Copy of the original document of Proximax's real name and time in the military can be found here. Social security number has been edited out for safety reasons.)